Inhaltszusammenfassung:
Ziel: Die Gesichtsfeldprüfung ist eine der Hauptkomponenten in der Fahrtauglichkeitsbegutachtung. Die Fahrerlaubnis-Verordnung und deren Änderungsverordnung (FeV und FeVÄndV) regeln u.a. auch diese Prüfung. Die FeVÄndV ist am 23.08.2002 in Kraft getreten und hat einige wichtige Änderungen gebracht. Als ein völlig neues Element wurde ein „verschärfter“ Sehtest für die Begutachtung der Fahrerlaubnisklassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E und der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung, der für Ärzte mit der Gebietsbezeichnung „Arbeitsmedizin“, „Betriebsmedizin“, für Ärzte bei einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, Ärzte des Gesundheitsamtes oder Ärzte der öffentlichen Verwaltung gedacht ist, eingeführt. Damit verbunden sind ein stark angestiegener Aufwand und eine Unsicherheit in diesen Berufsgruppen. Besonders problematisch sind die korrekte Prüfung und Auswertung des Gesichtsfeldes, da es hier auf „Normalität“ oder „normale Funktion“ geprüft werden muss, jedoch durch Ärzte mit kaum, wenn überhaupt, perimetrischer Erfahrung.
Unser Ziel war es, einfache Kriterien in Form eines Algorithmus für die Diagnose „normales Gesichtsfeld der Kfz Fahrer“ zu entwickeln.
Methoden: Für die Entwicklung unseres Algorithmus verwendeten wir insgesamt 3208 monokulare Gesichtsfelder von 1614 Probanden (20 einäugige Probanden inbegriffen). Unsere Daten stammen aus drei europäischen Zentren, die an der „Relevance of glare sensitivity and impairment of visual function among European drivers“ – Studie teilgenommen haben.
Die Gesichtsfelduntersuchung erfolgte mittels automatisierter, statischer Perimetrie. Beide Augen wurden getrennt untersucht nach einer 3-Zonen alterskorrelierten Strategie, d.h. es gab insgesamt drei mögliche Antworten: a) normale Empfindlichkeit (LUE), b) reduzierte LUE (mehr als 6 dB im Vergleich zu einer alterskorrelierten Gruppe) und c) absoluter Ausfall (oder keine messbare LUE für den maximalen Lichtstimulus, den das Gerät produzieren kann). Es wurde ein Prüfpunktraster basierend auf das von Lachenmayr vorgeschlagene Modell ausgewählt. Die Zahl der geprüften Punkte lag zentrumspezifisch zwischen 96 und 101, ohne wesentliche Unterschiede in der Verteilung. Die für unseren Algorithmus verwendeten Untersuchungen erfolgten am Humphrey Perimeter.
Alle Prüfpunkte wurden in fünf großen Zonen erfasst, vier periphere – superior, nasal, inferior und temporal, sowie eine zentrale – zentrale 30-Grad. Alle Ausfälle wurden dann gezählt und in sechs möglichen Gruppen zusammengestellt, dabei wurde zwischen absoluten und relativen Ausfällen nur in der zentrale-30-Grad-Zone unterschieden – vier „periphere“ Gruppen (superior, nasal, inferior, temporal) und zwei „zentrale“ Gruppen (30-Grad-absolut und 30-Grad-relativ).
Unabhängig von dieser Einteilung der Ausfälle erfolgte eine gutachterliche Beurteilung aller Gesichtsfelder von zwei erfahrenen Augenärzten. Alle Gesichtsfelder wurden in vier möglichen Stufen klassifiziert in Bezug auf ihre Bedeutung für die Fahrtauglichkeit des jeweiligen Probanden.
Der Stufe 1 wurden alle Gesichtsfelder, die die Gutachter als „normal“ oder „unauffällig“ bewerteten, zugeordnet. Die Stufe 2 enthält alle Gesichtsfelder, die als „wahrscheinlich normal“ oder „am ehesten normal“ beurteilt wurden. In der dritten Stufe (Stufe 3) wurden alle auffälligen Gesichtsfelder, die als „wahrscheinlich pathologisch“ oder „am ehesten pathologisch“ gesehen wurden, einbezogen. Die restlichen Gesichtsfelder, die als „pathologisch“ oder „auffällig“ bewertet wurden, unterteilten wir in der Stufe 4. Bei einem zweiten Modell wurde eine etwas gröbere Unterteilung in nur zwei Stufen vorgenommen. Hier wurden die Stufen 1 und 2 sowie die Stufen 3 und 4 zusammengelegt. Dementsprechend wurden zwei Modelle entwickelt – ein 2-Stufen- und ein 4-Stufen-Modell. In einem zweiten Schritt wurden die Algorithmen auf eine Serie von Gesichtsfeldern mit hoher Prävalenz der pathologischen Fälle getestet.
Ergebnisse: Es wurden zwei Algorithmen entwickelt, entsprechend den zwei Modellen. Ein modifizierter Algorithmus wurde zur Unterscheidung zwischen „normalen“ und „pathologischen“ Fällen entwickelt.
Schlussfolgerung: Die Diagnose eines „normalen“ Gesichtsfeldes ist eine der schwierigsten in der augenärztlichen, gutachterlichen Praxis überhaupt. Es ist trotzdem gelungen einen einfachen Algorithmus zu entwickeln, der für die Unterscheidung zwischen „normal“ und „pathologisch“ in der Gesichstfeldprüfung in Rahmen der Fahrtauglichkeitbegutachtung eine erhebliche Hilfe sein kann. Wenn in einem konventionellen Perimeter integriert, wird es auch für nicht-Augenärzte eine genauere Entscheidung, wann ein Gesichtsfeld kontrollbedürftig ist, möglich sein.
Abstract:
Introduction: The new traffic legislation in Germany (“FeVÄndV”) solved some of the problems for the ophthalmological driver’s license assessment. However, there are several new features included that present a considerable problem concerning the visual field testing. The new legislation allows not only ophthalmologists but occupational health practitioners as well to perform visual field testing for the driver’s license assessment. Since the occupational health practitioners lack experience with this kind of testing, consideration should be made as to present criteria that would allow even an inexperienced person to perform the test reliably.
Goal of this study was to create a simple algorithm that could be used by an occupational health practitioner in visual field testing in the driver’s license assessment.
Methods: 3208 visual fields from 1608 test persons were used in this study. Data derived from „Relevance of glare sensitivity and impairment of visual function among European drivers“-Study, performed in 5 European cities between 2003 and 2004.
All test persons underwent a standard automated perimetry on Humphrey Field Analyser in accordance to the grid proposed by Lachenmayr. Every visual field was then divided in 5 areas: superior, nasal, inferior, temporal and central. All visual field defects were counted and assessed in 6 groups according to these 5 areas (the central area was subdivided into relative and absolute defects). Two experienced ophthalmologists performed a masked assessment of all visual fields and divided them in 4 categories: “normal”, “probably normal”, “probably pathologic” and “pathologic”. Statistic software was used to create the algorithms.
Results: Two algorithms were created. They were tested on a sample of visual fields with a high prevalence of pathological defects. A modified algorithm was then created.
Conclusion: To diagnose a “normal” visual field is one of the most challenging tasks in the assessment of perimetry results. Nevertheless, we demonstrate that an algorithm can be created, that can facilitate this decision. To implement this algorithm in a perimeter in order to allow not-ophthalmologists to perform visual field testing in the driver’s license assessment would be the next logical step.