Inhaltszusammenfassung:
Alkoholbezogene Störungen haben aufgrund ihrer hohen Prävalenz und der damit einhergehenden schwerwiegenden Folgen eine hohe gesundheits- und gesellschaftspolitische Relevanz. Die hausärztliche Praxis hat eine wichtige Schlüsselfunktion bei der Früherkennung und Frühintervention alkoholbezogener Störungen. Ziel der Untersuchung war es, die diagnostische Vorgehensweise der Hausärzte bei Patienten mit Alkoholproblemen zu analysieren, um mögliche Ansatzpunkte für zukünftige Verbesserungsmaßnahmen z.B. in der medizinischen Aus- und Fortbildung herauszuarbeiten.
In 58 Hausarztpraxen im Raum Süd-Baden und Süd-Baden-Württemberg wurde an jeweils 2 Tagen eine Screening-Untersuchung aller konsultierenden Patienten auf alkoholbezogene Störungen durchgeführt. Die Hausärzte sollten Patienten, bei denen sie eine alkoholbezogene Störung vermuteten, auf einer Basisdokumentation hinsichtlich der vorliegenden Störung sowie diagnostischer und therapeutischer Vorgehensweise dokumentieren und eine Diagnose anhand der ICD-10 Kriterien stellen.
Von insgesamt 2940 untersuchten Patienten, stellten die Ärzte bei 322 die Diagnose einer alkoholbezogenen Störung. Davon waren 38% nach ICD-10 Kriterien Alkoholabhängige. Die von den Ärzten gestellte Diagnose stimmte bei 53% der Patienten nicht mit den angegebenen ICD-10 Kriterien überein. Nur bei 17% der Patienten mit einer alkoholbezogenen Störung entsprach die diagnostische Vorgehensweise der Ärzte den bestehenden Leitlinien. Bei Patienten, die von den Ärzten als schwer krank eingeschätzt wurden, war die diagnostische Vorgehensweise eher leitliniengerecht und sie wurden signifikant häufiger entsprechend der ICD-10 Kriterien richtig diagnostiziert, als weniger krank wirkende Patienten.
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass ein Grossteil der Patienten mit riskantem oder schädlichen Konsum vom Arzt nicht erkannt werden. Die ICD-10 Diagnosekriterien werden kaum beachtet, eine den Leitlinien entsprechende Anamneseerhebung und Untersuchung wird in den meisten Fällen nicht angewandt.
Die Diagnose einer alkoholbezogenen Störung wird noch immer maßgeblich von äußeren Krankheitszeichen und Laborparametern beeinflusst und nicht anhand von auffälligen Konsum- und Verhaltensmustern getroffen. Um eine bessere Früherkennung, formale Diagnostik und störungsspezifische Behandlung dieser Patienten durch den Hausarzt zu gewährleisten, bedarf es der gezielten Eingliederung dieser Grundkenntnisse in die medizinische Aus- und Weiterbildung sowie motivierender Maßnahmen zur Förderung der qualitativ hochwertigen Betreuung Suchtkranker durch den Hausarzt.