Inhaltszusammenfassung:
Hintergrund: Exzessive und unangemessene Aggressivität im Rahmen von Gewalt-verbrechen und kriegerischen Auseinandersetzungen kann zum Teil auf neurobiologischer Ebene nachvollzogen werden. Besonders kriminelle Psychopathen zeichnen sich durch ein hohes Aggressionspotential und eine niedrige Hemmschwelle für derartige Gewaltdelikte aus. Bislang blieb es unversucht, bei diesem Probandenkreis innerhalb einer kernspin-tomographischen Untersuchung Aggression zu induzieren, um täter-, opfer- und empathie-assoziierte Gehirnareale zu identifizieren.
Methode: Zur Aggressionsinduktion wurde ein kompetitives Reaktionszeitparadigma nach Giancola und Zeichner (1995) durchgeführt. Nach jedem gewonnenen Durchgang hatten die Probanden die Möglichkeit, einem Gegenspieler (instruierter Mitarbeiter) einen Strafreiz zu verabreichen. Filmsequenzen wurden eingespielt, um die Schmerzreaktion des Opfers zu visualisieren. In 42 von 80 Durchgängen verloren die Teilnehmer und mussten beobachten, wie der mutmaßliche Gegenspieler die Intensität der Bestrafung wählte. Psychometrische Variablen wurden erhoben, um Aspekte der Aggression und anderer psychopathischer Korrelate zu erfassen. fMRI-Daten während der gesamten Sequenz sollten der Identifi-zierung von Aktivierungsunterschieden in vorher definierten Gehirnarealen dienen. 8 Psycho-pathen (M = 40,8 Jahre) konnten aus forensisch-psychiatrischen Einrichtungen rekrutiert werden (PCL-SV-Kriterium ≥ 13 Punkte) und zum empirischen Vergleich 8 nicht-psychopathischen Kontrollprobanden (M = 31,0 Jahre) gegenübergestellt werden.
Ergebnisse: Konträr der Hypothesen waren die psychopathischen Probanden im Vergleich mit der Kontrollgruppe bedeutend weniger aggressiv. Zur Bestrafung des Gegenspielers wählten Psychopathen überwiegend niedrigere Strafen aus als die nicht-psychopathischen Teilnehmer. Für den Gruppenvergleich der fMRI-Daten galten daher unterschiedliche Voraussetzungen. Psychopathen in der Täterrolle zeigten in den fMRI-Daten ausgeprägte Aktivierungen im somatosensorischen Kortex bei fehlender orbitofrontaler Aktivierung. Dieses Ergebnis unterstützt die Annahmen Damasios (1994), wonach Psychopathen Empathie und Schuldgefühl aufgrund mangelnder Integrationsleistungen im orbitofrontalen Kortex nicht ausbilden können.
Schlussfolgerung: Die unzureichende Aggressionsinduktion der psychopathischen Probanden, legt den Schluss nahe, das in dieser Untersuchung durchgeführte Paradigma trotz erfolgreicher Applikation bei gesunden Probanden nicht zur Aggressionsinduktion bei Psychopathen zu verwenden. Dementsprechend konnten die Postulate bzgl. der fMRI-Daten nur tendenziell unterstützt werden.