Inhaltszusammenfassung:
Die Substitution und die niedrigschwellige Entgiftung möglichst mit anschließender Entwöhnungsbehandlung stellen die etablierten Grundpfeiler in der Therapie Opiatabhängiger dar. Obwohl von der Idee her völlig unterschiedliche Prinzipien haben beide letztlich die Abstinenz zum Ziel. Anhand der 1356 Aufnahmen auf die Station A6 der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Tübingen im Zeitraum vom 1. Oktober 1997 bis zum 30. September 2002, die hinsichtlich des Einflusses von Substitutionstherapie, Beigebrauch, Muster des Beigebrauchs und substituierter Ersatzdroge auf die Durchführung einer niedrigschwelligen Opiatentgiftung untersucht wurden, konnte gezeigt werden, dass beinahe ausschließlich Patienten, die durch die Substitution nur unzureichend behandelt werden können und weiterhin Beigebrauch haben, eine niedrigschwellige stationäre Entgiftungsbehandlung beginnen. Diese Gruppe ist länger abhängig und häufiger mit Hepatitis C infiziert als die Gruppe der nicht Substituierten. Die niedrigschwelligen Angebote stellen für diese Gruppe eine wertvolle Ergänzung der Therapieoptionen dar. Trotz der längeren Erkrankungsdauer und der höheren Durchseuchung mit Infektionskrankheiten ist die Prognose der auf die A6 aufgenommenen Substituierten mit Beigebrauch günstiger als bei Substituierten ohne Beigebrauch, da das erfolgreiche Abschließen der Entgiftung häufiger erreicht wird. Erstaunlicher Weise scheint das Muster des Beigebrauchs in Hinblick auf den Behandlungsverlauf - abgesehen von dem geringeren Anteil an Teilentgiftungen bei Opiatbeigebrauch - eine vergleichsweise geringe Rolle zu spielen. Während die Gefahr der Überdosierung und somit die Letalität insbesondere bei Benzodiazepinkonsum als Ergänzung der Methadonsubstitution deutlich höher ist, zeigen sich hinsichtlich der Entgiftung keine Unterschiede. Allerdings ist der Benzodiazepinbeigebrauch weiter verbreitet, je länger die Suchterkrankung besteht.
Hinsichtlich der verschiedenen Medikamente, die zur Substitution angewendet werden, zeigt sich kein Vorteil des heute hauptsächlich verwendeten Methadons. Es gibt Anzeichen, dass im Gegenteil die Codein erhaltenden Substituierten häufiger drogenfrei die Entgiftung abschließen. Im zeitlichen Verlauf ergaben sich kaum Änderungen hinsichtlich des untersuchten Kollektivs und des Entgiftungsverlaufs. Lediglich die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes brachte eine Umverteilung der Substituierten hinsichtlich des verabreichten Medikaments.