Inhaltszusammenfassung:
Muskelrelaxantien führen bei einer Allgemeinanästhesie zu einer reversiblen schlaffen Parese der quergestreiften Muskulatur. Sie erleichtern die Intubation und verbessern die Operationsbedingungen. Bei Operationsende sollte ihre Wirkung jedoch vollständig abgeklungen sein, um eine suffiziente Spontanatmung bei intakten Schutzreflexen zu gewährleisten. Die durch den M. adductor pollicis nach transdermaler Stimulation des N. ulnaris ausgelöste Adduktionsbewegung des Daumens ist das gebräuchliche Verfahren zur Überwachung von Muskelrelaxantien. Viele Hinweise aus dem klinischen Alltag und der Literatur zeigen aber, daß sich gerade die für die Atmung wichtigen Muskeln des Larynx und des Diaphragmas gegenüber Muskelrelaxantien anders verhalten als der M. adductor pollicis. Ein direktes Monitoring verbietet sich aber beim Menschen aufgrund der hierfür notwendigen Invasivität.
Ziel der vorliegenden Arbeit war es an 20 Göttinger Zwergschweinen die Wirkung der Muskelrelaxantien Vecuronium und Pancuronium auf das Diaphragma, die laryngeale Muskulatur und den M. flexor digitorum als einen dem M. adductor pollicis vergleichbaren Muskel zu untersuchen. Die Wirkung der Muskelrelaxantien auf die einzelnen Muskeln wurde sowohl mittels Elektromyographie als auch Mechanomyographie untersucht. Hierzu wurden die Nn. medianus, phrenicus und recurrens freigelegt und es erfolgte eine direkte Nervenstimulation. Die Zehenbeugung des M.flexor digitorum konnte am fixierten Vorderlauf durch einen isometrischen Kraftmesser erfaßt werden. Auf das Diaphragma wurde ein aus Dehnungsmeßstreifen bestehender Kraftmesser aufgenäht. Zur Mechanomyographie des Larynx wurde der Stimmbandschluß herangezogen. Hierfür wurde eigens ein auf Stimmbandebene zu fixierendes Meßsystem konstruiert und dessen Meßverhalten ausführlich untersucht. Die Ableitung der elektromyographischen Signale erfolgte durch in die jeweiligen Muskeln eingestochene Elektroden, wobei für die Elekromyographie des Larynx mit dem M. vocalis kein Stimmbandadduktor, sondern ein Stimmbandspanner gewählt wurde. Für jedes Tier wurde über Dosis-Wirkungskurven diejenige Muskelrelaxantiendosis ermittelt, die zu einer Minderung der Kraft des M,flexor digitorum um 90% führt (ED90FLEX). Nach Injektion dieser ED90FLEX wurde an den drei Meßorten sowohl mechano- als auch elektromyographisch die maximale Ausprägung und der zeitliche Verlauf der neuromuskulären Blockade untersucht.
Am Diaphragma war die neuromuskuläre Blockade geringer ausgeprägt als am Larynx und am M. flexor digitorum . Die maximale Wirkung trat aber schneller ein und war früher wieder beendet als an den beiden anderen Meßorten. Dieses Verhalten fand sich sowohl mechanomyographisch als auch elektromyographisch.
Beim Vergleich zwischen dem M. flexor digitorum und der Larynxmuskulatur zeigte sich eine gewisse Heterogenität. In der Mechanomyographie war der neuromuskuläre Block am Larynx im Vergleich zum M. flexor digitorum geringer ausgeprägt, trat schneller ein und war vergleichbar lang, signifikant war dies aber nur für Pancuronium. Beim Vergleich der elektromyographischen Daten zeigte sich am Larynx tendenziell ein ebenfalls schnellerer Eintritt der Blockade als am M. flexor digitorum, sie hielt aber signifikant länger an, ohne sich in der maximalen Blockadetiefe zu unterscheiden. Während Elektro- und Mechanomyographie an M. flexor digitorum und Diaphragma also vergleichbare Werte lieferten, zeigten die beiden Meßmethoden am Larynx erhebliche Unterschiede. Da am Larynx aus technischen Gründen Mechano- und Elektromyographie nicht an demselben Muskel stattfinden konnten, zeigt sich hierbei aber eher das Verhalten von Muskeln unterschiedlicher Funktion als ein Unterschied zwischen den Meßmethoden.
Die in den Versuchen gewonnenen Daten ermöglichen dem Anästhesisten aus dem Verlauf der neuromuskulären Blockade an einem peripheren Muskel (M. adductor pollicis) Rückschlüsse auf die Blockadetiefe und den Blockadeverlauf an Larynx und Diaphragma zu ziehen.
Außerdem wurde eine Versuchsanordnung geschaffen, die stabile und reproduzierbare Bedingungen für weitere Forschungen an Muskelrelaxantien bietet. Darüber hinaus konnte ein verläßliches Meßsystem für die Mechanomyographie des Larynx im Tierexperiment entwickelt werden.