Inhaltszusammenfassung:
Im Rahmen der Dissertation Wege - "Irrwege" der Diagnostik und Behandlung des ADHS wurden 52 Kinder und Jugendliche, Patienten in einer Kinder- und Jugendpsychiatrischen Praxis mit ihren Familien hinsichtlich ihrer Behandlungsgeschichte befragt. Auf dem Boden von Fragebögen und den bei einem Interview sowie im Laufe der Diagnostik erhobenen Daten wurden zehn Hypothesen hinsichtlich ihrer Gültigkeit überprüft. Neben einer unzureichenden regionalen kinder- und jugendpsychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgungssituation fanden sich Hinweise darauf, dass eine späte Diagnosestellung eher mit einem unzureichenden Informationsstand des Erstuntersuchers als mit der Intensität der Symptomatik korreliert. Eltern, Kindergärtnerinnen und Lehrer erleben die Kinder in der Regel früh als "anders" und stellen diese auch wegen ihres "Andersseins" bei Kinderärzten und Beratungsstellen vor. Es vergehen aber trotzdem oft noch Jahre bevor die Diagnose ADHS gestellt wird und eine adäquate Behandlung eingeleitet werden kann. Nicht selten finden sich dann schon sekundäre Störungen und eine gescheiterte Schullaufbahn. Der Teil der betroffenen Kinder die zu diesem Zeitpunkt schon kostenintensive Jugendhilfemaßnahmen in Anspruch nehmen müssen ist deutlich erhöht. Die befragten Eltern monierten neben der schlechten Versorgungs- und Informationssituation, den mangelnden Kenntnisstand und unzureichendes Engagement einzelner Institutionen, fühlten sich mit ihrem "Problemkind" oft unverstanden und alleine gelassen. Ingesamt fanden sich aber Hinweise darauf, dass bei weiterhin bestehenden regionalen Versorgungsengpässen der bessere Informationsstand und die Vernetzung der unterschiedlichen Institutionen bereits positive Effekte zeigt. Zahlreiche Veranstaltungen und Artikel in Fachzeitschriften in den letzten Jahren und eine spürbare Enttabuisierung der psychopharmakologischen Behandlung dieses Störungsbildes sind hier zu nennen.