Binswangers Privatklinik Bellevue 1886-1890

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Zitierfähiger Link (URI): http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-14932
http://hdl.handle.net/10900/44567
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2004
Sprache: Deutsch
Fakultät: 4 Medizinische Fakultät
Fachbereich: Sonstige
Gutachter: Hirschmüller, Albrecht
Tag der mündl. Prüfung: 2004-11-03
DDC-Klassifikation: 610 - Medizin, Gesundheit
Schlagworte: Medizin / Geschichte , Kreuzlingen / Dr. Binswangers Kuranstalt Bellevue , Krankenunterlagen , Progressive Paralyse , Zwangsneurose
Freie Schlagwörter:
History of medicine , Binswanger , Medical Records , Progressive paralysis , Anankasm
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Einführung: Im Rahmen der Erschließung des Binswanger-Archivs beschäftigt sich die vorliegende Dissertation mit der privaten Heilanstalt Bellevue in Kreuzlingen. Im Mittelpunkt der Auswertung steht der Zeitraum 1886 1890. Das Bellevue wurde 1857 als 'Privatanstalt für Kranke und Pfleglinge' von Ludwig Binswanger gegründet. Nach dessen Tod übernahm sein Sohn Robert Binswanger (1850 1910) die Anstaltsleitung. Die Anstalt blieb bis zu ihrer Schließung im Jahr 1980 im Besitz der Familie Binswanger. Das Quellenmaterial dieser Studie setzt sich aus Krankenakten, Ordinationsbüchern, einem Aufnahmebuch, Kopiebüchern, dem 'Rondenbuch', Briefen Robert Binswangers an seinen Bruder und weiteren Stücken aus dem Binswanger-Archiv zusammen. Die demographischen und medizinischen Daten der Patienten wurden erfasst und quantifizierenden Analysen unterzogen. Eine Zufallsauswahl an Krankenakten wurde komplett transkribiert, um einen tieferen Einblick in den Alltag des Anstaltslebens zu erlangen. Ergebnisse: In den Jahren 1886 1890 wurden 313 Patienten im Bellevue aufgenommen. Die Zahl der jährlich aufgenommenen Patienten schwankte zwischen 48 und 76. Der Anteil der männlichen Patienten betrug 62 %. Die Belegzahl betrug zwischen 32 und 54 Patienten. Die Verweilzeit der Patienten belief sich auf durchschnittlich 147 Tage. Das Alter der Patienten lag zwischen acht und 75 Jahren; das durchschnittliche Alter betrug knapp 39 Jahre. Etwa 60 % der Patienten waren verheiratet. Der größte Teil der Patienten war evangelischer Konfession. Die meisten Patienten übten kaufmännische Berufe aus. Die große Mehrzahl der Patienten gehörte der gesellschaftlichen Oberschicht an. Legt man die heute gültigen Staatsgrenzen zugrunde, stammten etwa 58 % der Patienten aus Deutschland, 13 % aus der Schweiz. Die am häufigsten vergebenen Diagnosen waren mit jeweils 44 Patienten Neurasthenie und Morphinismus. Der Therapieausgang ist nur selten zuverlässig dokumentiert. Das therapeutische Konzept des Bellevue beruhte einerseits auf der Eingliederung der Patienten in eine Art therapeutische Gemeinschaft, die neben den Patienten aus den Ärzten und ihren Familien sowie dem Wärterpersonal bestand und der Binswanger als patriarchaler Leiter vorstand, und andererseits auf der Trennung von nervenkranken und geisteskranken Patienten. Besonderen Wert legte Binswanger auf die indirekte psychische Therapie, das sogenannte Traitement moral. Ergänzt wurde das therapeutische Spektrum durch Pharmakotherapie, Physiotherapie, Ernährungstherapie und Mastkuren. Das Bellevue war im Laufe der Jahre stark ausgebaut worden und verfügte 1886 1890 gegenüber früheren Zeiträumen über mehr Behandlungsplätze. Dementsprechend war die Zahl der Patienten angestiegen. Die Patienten waren tendenziell wohlhabender und stammten aus einem größeren Einzugsgebiet. Bei den Diagnosen hatte eine Zunahme der Krankheiten aus dem neurotischen Formenkreis stattgefunden. Im Vergleich zu öffentlichen Anstalten war das Bellevue sehr viel kleiner. Die Verweilzeiten der Patienten in öffentlichen Anstalten war sehr viel länger, sie litten überwiegend an Krankheiten aus dem schizophrenen Formenkreis und waren sehr viel weniger wohlhabend. Die therapeutischen Konzepte der öffentlichen Anstalten unterschieden sich kaum von denen des Bellevue, wohl aber die Möglichkeiten der praktischen Umsetzung derselben. Im Vergleich des Bellevue mit anderen Privatanstalten lassen sich solche Unterschiede kaum feststellen. Die im Bellevue durchgeführten Therapien waren konform mit der wissenschaftlichen Lehrmeinung.

Abstract:

Introduction: In the context of the opening up of the Binswanger archive this dissertation deals with the private sanatorium “Bellevue” in Kreuzlingen. The dissertation focuses on the period 1886-1890. Bellevue was founded in 1857 by Ludwig Binswanger as a private mental home ('Privatanstalt für Kranke und Pfleglinge'). After his death the management was taken over by his son Robert Binswanger (1850-1910). Until its closure in 1980 the sanatorium stayed in possession of the Binswanger family. The source material of this study consists of patient records, logbooks, a reception book, copying-books and other pieces of the Binswanger archive. The demographic and medical data were recorded and subjected to quantitative analysis. A random selection of patient records has been completely transcribed to gain a more profound insight in the everyday life of the sanatorium. Results: Between 1886 and 1890 313 patients were admitted to Bellevue. The number of patients admitted annually ranged from 48 to 76. 62% of them were male. The number of occupied places ranged from 32 to 54. On average patients stayed in Bellevue for 147 days. Their ages ranged from eight to 75 years, the average being barely 39 years. Approximately 60% were married. The majority of patients were protestants. Most of them were in business and a great majority belonged to the upper class. Based on today’s national borders 58% of the patients came from Germany, 13% from Switzerland. The most frequent diagnoses were neurasthenia and morphinism, concerning 44 patients each. The results of the treatment were seldom documented reliably. On the one hand the therapeutic concept of Bellevue was based on the integration of the patients in a kind of “therapeutic community”, consisting of the doctors with their families, the orderlies and the patients. Binswanger was its patriarchal leader. On the other hand there was a separation of neurotic and psychotic patients. Binswanger set great store by indirect psychotherapy, the so-called “Traitement moral”. The therapeutic spectrum was completed by pharmacotherapy, physiotherapy, nutritional therapy and feeding cures. Bellevue had been extended considerably in the course of the years and had the capacity to admit more patients between 1886 and 1890 than in earlier periods. The number of patients increased accordingly. Patients tended to be wealthier and came from a larger catchment area. As far as diagnoses were concerned, neurotic diseases had increased. Compared with public sanatoria Bellevue was much smaller. Patients stayed much longer in public sanatoria, predominantly suffered from schizophrenic diseases and were much less wealthy. The therapeutic concepts of the public mental homes scarcely differed from those of Bellevue but the former had much less possibilities to realize them. As far as this is concerned, there were hardly any differences between Bellevue and other private sanatoria. The treatments performed at Bellevue were conform with standards of best practice of the time.

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