Inhaltszusammenfassung:
Die personalisierte Peptidvakzinierung gilt als vielversprechender immuntherapeutischer Ansatz zur gezielten Aktivierung tumorspezifischer T-Zellantworten. Im Gegensatz zu konventionellen, nicht individualisierten standardisierten Therapiekonzepten ermöglicht sie eine patientenindividuelle Immunisierung gegen mutierte, tumorspezifische Antigene (Neoantigene) und bildet damit die rationale Grundlage für eine spezifische, auf das individuelle Tumorantigenprofil angestimmte Immuntherapie. Ihre Wirksamkeit hängt jedoch entscheidend von der Funktionalität und Spezifität der durch Impfung induzierten T-Zellen ab, da nur funktionell kompetente und spezifische T-Zellen zur gezielten Elimination tumoraler Zellen beitragen können. Die Identifikation und Validierung entsprechender T-Zell-Rezeptoren (T cell receptor, TCRs) ist daher eine zentrale Voraussetzung für die Weiterentwicklung TCR-basierter Zelltherapien und für die präzise Beurteilung der Immunantworten im Rahmen klinischer Impfstudien.
Ziel dieser Arbeit war es, im Rahmen der personalisierten, neoantigenbasierten Peptidvakzinierungsstudie IVAC-ALL-1 impfstoffinduzierte TCRs aus dem peripheren Blut von Patientinnen und Patienten zu identifizieren, funktionell zu charakterisieren und ein molekulares Validierungssystem für deren präklinische Testung zu etablieren. Hierzu wurden mononukleäre Zellen des peripheren Blutes (Peripheral blood mononuclear cells, PBMCs) nach ex vivo Stimulation mit Impfpeptiden auf ihre Antigenspezifität hin untersucht, und reaktive T-Zellen über die Expression von CD154 beziehungsweise IFNγ angereichert und sortiert. Mittels Einzelzell-TCR-Sequenzierung konnten multiple Kandidaten identifiziert werden. Diese TCR-Sequenzen wurden in ein CRISPR-Cas9-basiertes System zum orthotopen TCR-Austausch (orthotopic TCR replacement, OTR) überführt, um eine funktionelle Validierung in modifizierten Zielzellen zu ermöglichen.
Die zugrunde liegende OTR-Technologie wurde in enger Kooperation mit München etabliert, erfolgreich in Tübingen implementiert und an die lokalen Anforderungen angepasst. Sie bildet die methodische Grundlage für weiterführende präklinische Validierungsansätze, insbesondere in primären T-Zellen. Die resultierenden transgenen T-Zellen wurden hinsichtlich ihrer Reaktivität gegenüber peptidbeladenen Zielzellen funktionell getestet. Hierbei kamen sowohl HLA-kompatible Zelllinien als auch autologe beziehungsweise allogene B-Zell-Blasten zum Einsatz, um die Antigenerkennung unter möglichst physiologischen Bedingungen zu untersuchen. In einem Einzelfall konnte darüber hinaus eine Blasten-Challenge mit Patientenmaterial aus einem individuellen Heilversuch durchgeführt werden, bei der eine Aktivierung der T-Zellen nach Peptidbeladung der Blasten nachgewiesen wurde.
Zur weiteren Validierung wurden ausgewählte TCRs in J-TPR-Zellen exprimiert – einem fluoreszenzmarkierten Reporterzellmodell auf Jurkat-Basis, das die Signaltransduktion über die Transkriptionsfaktoren NFAT (nuclear factor of activated T cells), NF-κB (nuclear factor kappa-light-chain-enhancer of activated B-cells) und AP-1 (activator protein-1) abbildet. Damit konnte für mehrere TCRs eine klare und spezifische Aktivierung bei Kontakt mit dem jeweiligen Impfpeptid gezeigt werden. Ergänzend wurde in einem Fall eine Peptid-Tetramerfärbung zur Bestätigung der Peptidbindung durchgeführt. Der zugrunde liegende TCR stammte aus einer geimpften Patientin mit Nierenzellkarzinom, deren peripher entnommene T-Zellen nach antigenspezifischer Expansion und Sequenzierung analysiert worden waren. Einer der daraus identifizierten TCRs wurde mittels OTR in J-TPR-Zellen eingebracht und zeigte in der funktionellen Reporteranalyse eine peptidspezifische Aktivierung. Die anschließende Tetramerfärbung bestätigte zusätzlich die spezifische Bindung des TCRs an den entsprechenden Peptid-HLA-Komplex und unterstützte somit die funktionellen Ergebnisse.
Andere TCR-Kandidaten zeigten hingegen keine funktionelle Antwort auf das Zielpeptid oder reagierten auf nicht mit Peptid beladene Zielzellen. In diesen Fällen war entweder keine ausreichende Aktivierung nachweisbar oder es zeigte sich eine unerwünschte Reaktivität, deren Ursachen in peptidunspezifischen Effekten, potenzieller Kreuzreaktivität oder den Grenzen der verwendeten Testsysteme liegen könnten. Zugleich ist zu berücksichtigen, dass ein Teil der analysierten T-Zellen aus Patientinnen und Patienten stammte, die im Rahmen der IVAC-ALL-1-Studie geimpft worden waren und sich nach intensiver Vorbehandlung in stabiler Remission befanden. Klinisch zeigten sich bei diesen Personen keine Hinweise auf Autoimmunreaktionen oder impfassoziierte Toxizität. Eine Reaktivität gegenüber nicht beladenen Blasten muss daher nicht zwingend als pathologisch bewertet werden, sondern könnte im Einzelfall auch eine immunologische Relevanz besitzen – etwa im Sinne eines potenziellen Graft-versus-Leukemia-Effekts. Diese Beobachtungen verdeutlichen die Bedeutung einer kontextualisierten funktionellen Testung und unterstreichen die Notwendigkeit, Sicherheitsbewertungen nicht allein auf vereinfachte in vitro-Modelle zu stützen, sondern durch funktionelle Validierung in patientennahen Systemen zu ergänzen.
Die in dieser Arbeit entwickelte Methodik erlaubt eine umfassende Analyse impfstoffinduzierter T-Zellantworten auf molekularer Ebene. Durch die Kombination aus Einzelzellsequenzierung, funktioneller Testung in nativen und modifizierten Zielzellmodellen sowie der Anwendung der OTR-Technologie wurde ein translational nutzbares Validierungssystem für TCR-Kandidaten geschaffen. Dieses Vorgehen kann langfristig dazu beitragen, TCRs mit hoher Spezifität und funktioneller Eignung für klinische Anwendungen zu identifizieren, zu charakterisieren und gezielt auszuwählen.
Darüber hinaus liefern die gewonnenen Daten wertvolle Hinweise zur immunologischen Relevanz einzelner Impfpeptide. Eine systematische Auswertung funktioneller TCR-Eigenschaften könnte künftig dazu beitragen, Kriterien für die Priorisierung von Peptiden weiter zu schärfen und in die Priorisierung innerhalb personalisierter Vakzindesigns zu integrieren. Damit leistet diese Arbeit nicht nur einen Beitrag zur Weiterentwicklung individualisierter, TCR-basierter Immuntherapien, sondern auch zur verbesserten Steuerung personalisierter Vakzinierungsstrategien.
Die Verbindung aus patientennaher Immunantwortanalyse und molekularer Testplattform unterstreicht den translationalen Charakter dieser Arbeit und eröffnet Perspektiven für die klinische Anwendung funktionell charakterisierter, tumorspezifischer TCRs.