Inhaltszusammenfassung:
Hintergrund: Die intravenöse Lysetherapie ist für Schlaganfallpatienten mit einem
behindernden Defizit im 4,5-Stunden-Zeitfenster als effektive Therapie
zugelassen. Für Low-NIHSS-Patienten (≤ 5 Punkte) ist das Nutzen-Risiko-
Verhältnis nicht abschließend geklärt. Diese Arbeit untersuchte die Rolle der CT
Perfusionsbildgebung als Unterstützung zur Therapieentscheidung bei Low-
NIHSS-Patienten.
Methoden: Es wurde eine retrospektive Analyse mit Patientendaten aus den
Jahren 2006–2019 aus dem Universitätsklinikum Tübingen durchgeführt.
Einschlusskriterien waren ein Aufnahme-NIHSS von ≤ 5 Punkten, eine
multimodale CT-Bildgebung sowie eine durchgeführte intravenöse Lysetherapie.
Insgesamt wurden 221 Patienten für die Studie analysiert. Primärer Endpunkt
war die Verbesserung des NIHSS zwischen der Aufnahme und 24 Stunden nach
dem Ereignis. Das Sicherheitsergebnis wurde mit einem mRS von ≤ 1 definiert,
zusätzlich wurden Blutungskomplikationen und die Mortalität erhoben. Mit einer
binären logistischen Regressionsanalyse wurde zudem der Einfluss
unabhängiger Variablen auf das funktionelle Therapieergebnis untersucht.
Ergebnisse: In Alter und Geschlecht unterschieden sich die CTP+ Patienten
(n = 99, Median 76 Jahre, IQR 18; 47,5 % weiblich) und die CTP- Patienten
(n = 122, Median 75 Jahre, IQR 16; 45,1 % weiblich) nicht signifikant. Ein
Gefäßverschluss (p < 0,001) und eine mechanische Rekanalisation (p = 0,007)
sowie eine Demarkation im Kontroll-cCT (p = 0,002) traten signifikant häufiger in
der CTP+ Gruppe auf. CTP- Patienten zeigten eine signifikant größere
Verbesserung des NIHSS-Wertes zwischen dem Zeitpunkt der Aufnahme und
24 Stunden später (p = 0,019). Im mRS nach 90 Tagen unterschieden sich die
beiden Gruppen nicht signifikant (p = 0,972). Lysekomplikationen traten selten
und nicht signifikant häufiger in einer der beiden Gruppen auf. CTP+ Patienten
erlitten signifikant häufiger einen Schlaganfall kardialer Ursache (p = 0,046).
CTP+ Patienten zeigten signifikant häufiger einen höheren NIHSS bei erstem
Auftreten der Symptome (p = 0,001). 98,6 % der Patienten hatten bei Aufnahme
in den Schockraum ein subjektives Defizit, ein objektives Defizit konnte bei
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76,5 % aller Patienten festgestellt werden. Die Tür-Lyse-Zeit unterschied sich in
beiden Gruppen nicht (p = 0,782), jedoch war der Zeitraum zwischen dem ersten
Auftreten der Symptome und dem Beginn der Lysetherapie in der CTP- Gruppe
signifikant länger (p = 0,006). In der Regressionsanalyse zeigte sich, dass
insbesondere eine frühzeitige Verbesserung des NIHSS mit einem besseren
funktionellen Therapieergebnis assoziiert war.
Hypothesen: Die primäre Hypothese (I.) „CTP+ Patienten haben einen größeren
Benefit von der Lysetherapie als CTP- Patienten“ konnte nicht bestätigt werden,
die CTP- Patienten zeigten eine stärkere Verbesserung des NIHSS in den ersten
24 Stunden nach der Aufnahme. Beim mRS nach 90 Tagen gab es keinen
signifikanten Unterschied zwischen beiden Gruppen. Die Ergebnisse dieser
Studie zeigen, dass die CTP und das Vorliegen eines Mismatchs zur
Identifikation für eine Lysetherapie geeigneter Minor-Stroke-Patienten nicht als
alleiniger Parameter geeignet sind. Die Hypothese (II.) „die CT-
Perfusionsbildgebung kann Aufschluss über die Ätiologie des Schlaganfalls
geben“ konnte mit den vorliegenden Daten bestätigt werden. Bei CTP+ Patienten
trat signifikant häufiger ein Schlaganfall kardialer Ursache auf, was in anderen
Studien mit einem schlechten Therapieergebnis assoziiert war, CTP- Patienten
waren signifikant häufiger von einem mikroangiopathischen Schlaganfall
betroffen. Hier konnte in früheren Studien ein insgesamt eher positiveres
Therapieergebnis gezeigt werden. Die Ergebnisse von Hypothese (II.) könnten
in Teilen eine Erklärung für die geringere Verbesserung der CTP+ Patienten sein.
Die Hypothese (III.) „bei CTP+ Patienten kommt es häufiger zu
Symptomfluktuationen und sekundären Verschlechterungen als bei CTP-
Patienten“ konnte in der vorliegenden Arbeit unterstützt werden. CTP+ Patienten
zeigten bei dem ersten Auftreten der Symptome signifikant häufiger stärkere
Symptome als bei ihrem Eintreffen in der Klinik. Auch wenn sie dort nur eine
geringe Symptomatik aufweisen, könnte ein Mismatch in der CTP ein Risiko für
eine erneute Verschlechterung bei konservativer Therapie sein. Dies gilt es in
einer prospektiven Studie zu untersuchen.
Schlussfolgerung: Die CTP eignet sich nach dem Stand der in dieser Studie
erhobenen Daten nicht als Vorhersagewert für den Nutzen einer Lysetherapie bei
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Low-NIHSS-Patienten. CTP- Patienten profitierten stärker von der Lysetherapie
als CTP+ Patienten. Es erscheint realistisch, dass CTP+ Patienten, mit einer
hohen Anzahl an kardioembolischen Ereignissen und dem damit verbundenen
schlechteren Therapieergebnis einen Nutzen durch die Lysetherapie haben. Ob
die Patienten ohne die Lyse ein signifikant schlechteres Therapierergebnis
erreicht hätten, ist in einer prospektiven randomisierten Studie zu überprüfen.