Die Dissertation ist gesperrt bis zum 02. Februar 2026 !
Prähistorische Steinwerkzeuge sind eines der wichtigsten Beweismittel für die Erforschung der Evolution der Homininen und reichen mindestens 2,6 Millionen Jahre zurück. Diese Werkzeuge wurden in der Regel durch (wiederholtes) Brechen eines Steins hergestellt, um einen Abschlag abzutrennen und so beispielsweise nützliche Schneidkanten auf der Oberfläche des Abschlags zu erzeugen. Dieser Prozess der Abtrennung von einem Abschlag wird als Knapping oder lithische Reduktion bezeichnet. Eine Methode zur Untersuchung der Steinbearbeitung ist die experimentelle Nachahmung durch moderne Menschen, um aus dem Prozess Rückschlüsse auf die verschiedenen verhaltensmäßigen, kognitiven oder sogar sozialen Lernanforderungen zu ziehen, die für die Herstellung dieser Artefakte erforderlich sind. In der Vergangenheit haben viele Forscher die Ansicht vertreten, dass die frühesten Steinwerkzeuge das Kopieren von Know-How-Information erfordern – und somit ein Beweis dafür sind – was der modernen menschlichen Kultur eigen ist und auch bei keinem lebenden nicht-menschlichen Menschenaffen vorkommt. Andererseits haben neuere Forschungen eine alternative Hypothese aufgestellt, die besagt, dass viele der frühesten Steinwerkzeuge nicht das Kopieren von Know-How erforderten, sondern dass sie nach einfachen Regeln und mit einem Grundstock an Fähigkeiten hergestellt wurden, die denen der nicht-menschlichen Menschenaffen ähnlicher sind als denen des modernen Menschen (die “Zone of Latent Solutions” Hypothese). Um jedoch zuverlässig zu testen, wie sich die Änderung bestimmter Variablen (z. B. die Maximierung der Abschlaglänge oder -fläche) auf die Abschlagsprodukte auswirkt, sind viele wiederholbare, groß angelegte lithische Replikationsexperimente erforderlich. Diese Experimente erfordern in der Regel einen beträchtlichen Zeit-, Material- und Finanzaufwand, angefangen bei der eigentlichen Steinbearbeitung bis hin zur Katalogisierung, Lagerung, Messung und Analyse der Produkte in jedem Schritt der Bearbeitungsfolge, und unterliegen zwangsläufig den durch die Steinschläger verursachten Verzerrungen (z. B. Erfahrung, Motivation und Ermüdung während der Bearbeitung). Mit Replikationsexperimenten, die sich über Monate hinziehen können, könnte sich ein vollständig computergestütztes Analogon zur regelbasierten Steinbearbeitung als leistungsfähiges Instrument für die Untersuchung des menschlichen Verhaltens, der kognitiven und kulturellen Evolution erweisen. Mit einer solchen Software könnten verschiedene Hypothesen über die Faktoren, die die Herstellung von Steinwerkzeugen beeinflussen, getestet werden, wie z. B. die Notwendigkeit des Kopierens von Know-How, und sie könnte dazu beitragen, die Evolutionswissenschaft im weiteren Sinne voranzubringen. Des Weiteren könnte sie als Werkzeug für die Lehre und die Öffentlichkeitsarbeit sowie als Grundlage für die Entwicklung weiterer Werkzeuge dienen. In dieser Dissertation wird ein Machbarkeitsnachweis für ein auf einem maschinellen Lernverfahren basierte Computerprogramm vorgestellt, das in der Lage ist, lithische Abschläge zu einem Bruchteil der Zeit und Kosten und ohne von Steinschlägern verursachte Verzerrungen durchzuführen: ein virtueller Steinschläger. Darüber hinaus werden in dieser Arbeit auch die Ergebnisse eines Machbarkeitsnachweis für eine andere Anwendung auf der Grundlage desselben maschinellen Lernsystems vorgestellt: ein virtueller Refitter.