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Die chronische lymphatische Leukämie (CLL) gilt als indolentes lymphozyti-sches Non-Hodgkin-B-Zell-Lymphom mit leukämischem Verlauf. Die Behand-lungserfolge mit neuen Substanzen, wie z.B. Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitoren, haben die Therapiemöglichkeiten der CLL deutlich verbessert. Dennoch ist die CLL nach wie vor nur durch eine allogene Stammzelltransplantation heilbar, und die meisten Patienten benötigen im Laufe der Zeit mehrere verschiedene The-rapieregime, wobei der Verlauf von Patient zu Patient sehr heterogen ist. Um eine Aussage über den Krankheitsverlauf und das Risiko einer raschen Pro-gression treffen zu können, werden prognostische Marker benötigt. In den letz-ten Jahren wurden verschiedene molekulare und genetische Marker identifi-ziert, die zusammen mit klinischen und demographischen Parametern zur Risi-koabschätzung herangezogen werden können. Aufgrund der aufwendigen Be-stimmung im Labor ist die Erhebung molekularer und genetischer Marker mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden. Daher ist es wichtig, einfa-cher zu bestimmende Marker zu entwickeln, um bereits bei der Diagnosestel-lung zu wissen, ob ein aggressiver Verlauf der CLL zu erwarten ist.
Ziel dieser Arbeit ist es, in einer CLL-Population von 103 Patienten, die zwi-schen 1993 und 2019 am Universitätsklinikum Tübingen behandelt wurden, die Assoziation zwischen etablierten prognostischen Markern (Binet- und Rai-Stadium, CD38-Expression, IGVH-Mutationsstatus, TP53-Mutationsstatus) und dem Gesamtüberleben zu überprüfen. Zusätzlich sollen in dieser Population die Oberflächenmarker 4-1BB/4-1BBL und GITR/GITRL als potentielle, leichter zu erhebende prognostische Marker in der CLL-Erkrankung und deren Einfluss auf den Krankheitsverlauf untersucht werden.
Die Patientenpopulation wurde retrospektiv hinsichtlich des Gesamtüberlebens (OS), des therapiefreien Überlebens (TFS) und des TFS nach Rituximab unter-sucht. Die Datenerhebung erfolgte anhand der digitalen Patientenakten und der Immunphänotypisierung (4-1BB/4-1BBL und GITR/GITRL) der CLL-Zellen. Die Analyse der Überlebenszeit wurde mit Hilfe der Kaplan-Meier-Analyse durchge-führt und die ermittelte Signifikanz wurde mit Hilfe des Log-Rank-Tests analy-siert. Zusätzlich wurde eine multivariate Cox-Regression durchgeführt.
Entgegen den Erwartungen zeigte sich in der hier untersuchten Patientengrup-pe kein signifikanter Unterschied im Überleben zwischen den verschiedenen Binet- und Rai-Stadien. Für die oben genannten etablierten prognostischen Marker konnte der Einfluss auf das Überleben bestätigt werden. Für die Ex-pression von 4-1BBL und GITRL zeigte sich kein signifikanter Unterschied im Überleben und kein signifikanter Unterschied im TFS und TFS nach Rituximab. Für die 4-1BB- und GITR-Expression auf den CLL-Zellen konnte kein signifikan-ter Unterschied für das behandlungsfreie Überleben der Patienten und das be-handlungsfreie Überleben nach Rituximab festgestellt werden. Allerdings hatten Patienten mit erhöhter 4-1BB-Expression ein signifikant kürzeres OS als Patien-ten mit niedriger 4-1BB-Expression. Dagegen hatten Patienten mit erhöhter GITR-Expression ein signifikant längeres Überleben als Patienten mit niedriger GITR-Expression. Diese Ergebnisse konnten mittels Cox-Regression bestätigt werden.
Das verkürzte OS von Patienten mit erhöhter 4-1BB-Expression könnte darauf zurückzuführen sein, dass eine erhöhte 4-1BB-Expression auf CLL-Zellen zu einer verstärkten Aktivierung des NF-κB-Signalwegs führt. Diese Aktivierung führt zu einer erhöhten Proliferation und einem verlängerten Überleben der CLL-Zellen, was letztendlich mit einem verkürzten OS der Patienten assoziiert ist.
Die Funktion von GITR auf B-Zellen und CLL-Zellen ist bisher nur unzureichend verstanden. Ein möglicher Erklärungsansatz für das längere OS von Patienten mit erhöhter GITR-Expression auf CLL-Zellen ergibt sich aus Erkenntnissen zur Rolle der erhöhten GITR-Expression auf Myelomzellen bei Patienten mit Plas-mozytom. In diesem Zusammenhang konnte gezeigt werden, dass eine niedri-ge GITR-Expression auf Myelomzellen mit einem signifikant verkürzten OS der Patienten assoziiert ist. Diese Beobachtung wird dadurch erklärt, dass GITR den NF-κB-Signalweg in Myelomzellen herunterreguliert, was zu einer Hem-mung der Zellproliferation und zur Induktion von Apoptose führt.
Somit überwiegt bei 4-1BB die Aktivierung des NF-κB-Signalwegs, während bei GITR die Hemmung des NF-κB-Signalwegs überwiegt. Hiermit konnten 4-1BB und GITR als potenzielle prognostische Marker für die CLL identifiziert und ggf. als Angriffspunkte für neue Substanzen genutzt werden. Die in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse bieten einen Ansatzpunkt für die weitere Entwicklung besser zugänglicher prognostischer Marker für die CLL. |
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