dc.contributor.advisor |
Betz, Oliver (Prof. Dr.) |
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dc.contributor.author |
Eggs, Benjamin |
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dc.date.accessioned |
2024-12-04T14:33:35Z |
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dc.date.available |
2024-12-04T14:33:35Z |
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dc.date.issued |
2024-12-04 |
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dc.identifier.uri |
http://hdl.handle.net/10900/159328 |
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dc.identifier.uri |
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-1593281 |
de_DE |
dc.identifier.uri |
http://dx.doi.org/10.15496/publikation-100661 |
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dc.description.abstract |
Tiere haben eine Vielfalt von stabförmigen Strukturen evolviert, welche aktiv verformt werden können, obschon sie keine intrinsischen klassischen Gelenke besitzen, wie sie in den Ingenieurwissenschaften üblich sind. Die zugrunde liegenden Mechanismen dieser aktiv aktuierten gelenkfreien Bewegungen sind aber bisher nur spärlich untersucht worden.
Diese Arbeit gibt einen Überblick über all die gelenkfreien Bewegungsmechanismen, welche wir bei wirbellosen Tieren finden. Der Schwerpunkt liegt auf dem sogenannten Gleit-Stopp-Mechanismus, welcher hier an den Beispielen der Terebrae (= Ovipositorschaft oder Eilegebohrer) parasitoider Hymenopteren und der stechend-saugenden Mundwerkzeuge von Raubwanzen untersucht wurde. Diese cutuculären Strukturen verfügen über keinerlei intrinsische Gelenke und werden über Muskeln im Hinterleib bzw. im Kopf ferngesteuert. Bei diesen Systemen sind zwei oder mehrere stabförmige elastische Elemente in Längsrichtung über ein Nut-und-Feder-System miteinander verfalzt. Die Elemente können dabei in Längsrichtung gegeneinander verschoben werden. Wird diese Längsverschiebung jedoch durch eine mechanische Sperre erschwert oder ganz unterbunden, so kommt es zu einer relativen und reversiblen Verbiegung der Elemente aufgrund ihrer elastische Verformung. Beim Gleit-Stopp-Mechanismus zählt daher zu den aktiven Biegemechanismen, da die Biegung ausschliesslich auf den relativen Bewegungen der Unterelemente zueinander beruht. Dem gegenüber stehen passive Biegemechanismen, welche aus der mechanischen Interaktion zwischen den einzelnen Elementen einer stabförmigen Struktur und dem Umgebungsmedium resultieren.
In mehreren Fallstudien haben wir umfassende morphologische Untersuchungen der gesamten skeletomuskulären Systeme mit Verhaltensanalysen kombiniert, um Funktionsmodelle zu erstellen und die zugrundeliegenden Mechanismen der gelenkfreien Bewegungen der cuticulären stabförmigen Strukturen zu eruieren und schlussendlich deren öko-evolutionäre Bedeutung und biomimetisches Potential zu diskutieren.
Parasitoide Wespen legen ihre Eier in oder auf andere Insekten(-larven) ab, welche oft verborgen im Pflanzengewebe leben. Biegebewegungen der Terebra sind dabei u.a. wichtig für das Aufspüren potentieller Wirte und eine präzise Eiablage. Die Terebra von Hymenopteren besteht aus einer 2. Valvula, welche über ein Nut-und-Feder-System mit den paarigen 1. Valvulae verbunden ist. Sie besitzt aber weder intrinsische Gelenke noch intrinsische Muskeln.
In dieser Arbeit wurde der Ovipositor und das Eilegeverhalten mehrerer Arten parasitoider Wepsen aus den Überfamilien der Schlupfwepsenartigen (Ichneumonoidea), Erzwepsenartigen (Chalcidoidea) und Gallwespenartigen (Cynipoidae) untersucht. Dabei zeigte sich, dass gelenkfreie Biegebewegungen der Terebra weit verbreitet sind. Die verschiedenen Arten haben unterschiedliche aktive wie auch passive Bewegungsmechanismen entwickelt.
In unserer umfassenden und detaillierten Studie über den Ovipositor der Lagererzwespe Lariophagus distinguendus (Pteromalidae) konnten wir einen angepasste Version des Gleit-Stopp-Mechanismus beschrieben. Die Terebra der Erzwepsen besteht aus einer in Längsrichtung aufgespaltenen 2. Valvula, deren Hälften nur ganz an der Spitze verwachsen sind. Die beiden paarigen mit der 2. Valvula assoziierten Muskeln sind in ihrer Funktion modifiziert und dienen bei den Erzwespen primär der Biegung und Rotation der Terebra. Kontrahieren die Muskeln einer Seite, so wird die Basis einer Hälfte der 2. Valvula nach dorsad gezogen, wodurch sich eine Biegung der gesamten 2. Valvula und dadurch der gesamten Terebra ergibt. Dieser für Erzwespen einzigartige angepasste Gleit-Stopp-Mechanismus erlaubt es den Tieren, ihre Terebra aktiv in verschiedene Richtungen zu biegen und auch bis zu einem gewissen Masse zu rotieren und gleichzeitig die 1. Valvulae vor und zurück zu schieben, ohne dass letzteres die Biegung beeinflusst.
Des weiteren haben wir die erste quantitative mechanische Analyse skeletomuskulären Ovipositor-Systems einer Hymenoptere vorgenommen am Beispiel der Schlupfwespe Venturia canescens (Ichneumonidae).
Bei all den vorgestellten Studien über den Ovipositor parasitoider Wespen haben wir uns an die Hymenoptera Anatomy Ontology (HAO) gehalten und diese ergänzt und teilweise korrigiert sowie all die in der bisherigen Literatur gefundenen Synonyme aufgelistet. Unsere integrativen Studien über das skeletomuskuläre Ovipositor-System, welche Analysen des Eilegeverhaltens und detaillierte morphologische und biomechanische Untersuchungen des Ovipositors kombinieren, können als Referenzwerke für künftige Studien über dieses Thema dienen.
Die blutsaugenden Raubwanzen der Unterfamiliae Triatominae (Reduviidae) besitzen langgezogene stechende Mundwerkzeuge, die aus paarigen Maxillen bestehen, welche von paarigen Mandibeln flankiert werden. Die linke und rechte Maxille sind über ein Nut-und-Feder-System miteinander verbunden und bilden das Maxillenbündel. Mit diesem suchen die Tiere im Gewebe ihrer Opfer nach Blutgefässen, wobei oft Biegebewegungen zu sehen sind.
In unserer integrativen Studie mit vier Arten der Triatominae haben wir herausgefunden, dass die Tiere in Gewebe passive Biegemechanismen nutzen um das Maxillenbündel zu biegen, also auf den mechanischen Widerstand des Umgebungsmediums angewiesen sind. In Flüssigkeit hingegen zeigen die Tiere Biegebewegungen der Spitze des Maxillenbündels, welche auf dem Gleit-Stopp-Mechanismus (also einem aktiven Biegemechanismus) beruhen. Dies zeigt, dass passive und aktive Biegemechanismen in demselben System vorkommen und dabei auch von denselben Muskelgruppen aktuiert werden können.
Detaillierte Fallstudien wie diese sind wichtig um die Funktion(en) und das/die Wirkprinzip(ien) eines Systems eruieren zu können. Diese beiden Konzepte sind zentral für den biomimetischen Wissenstransfer.
Sowohl die Terebrae parasitoider Wespen wie auch die Mundwerkzeuge der Raubwanzen können als geeignete biologische Vorbilder für Entwicklung miniaturisierter, nagelartiger und aktiv steuerbarer Sondierungsinstrumente dienen. Aufgrund dieses hohen Innovations- und Anwendungspotentials wäre das insbesondere für die minimal-invasive Chirurgie von Interesse. Da der Gleit-Stopp-Mechanismus jedoch sowohl eine gewisse Elastizität der Unterelemente als auch eine geringe Reibung zwischen diesen erfordert, eignen sich Ovipositoren und Stechborsten aber aufgrund von auftretenden Skalierungsproblemen in den meisten Fällen wahrscheinlich eher weniger als biologisches Vorbild für Projekte in der Architektur. |
de_DE |
dc.description.abstract |
Animals have evolved a variety of rod-shaped structures that can be actively deformed, even though they do not feature intrinsic classical joints as conventionally used in engineering. However, the underlying mechanisms of these actively actuated joint-free movements have so far only been sparsely investigated.
This thesis provides an overview of all the joint-free movement mechanisms found in invertebrates; its focus is on the so-called slide-lock mechanism, which has been investigated here by using the examples of the terebra (= ovipositor shaft) of parasitoid hymenopterans and the piercing-sucking mouthparts of haematophagous heteropterans. These cuticular structures have no intrinsic joints and are remotely controlled by muscles in the abdomen and the head, respectively. In these systems, two or more rod-shaped elastic elements are interlocked in a longitudinal direction via a tongue-and-groove mechanism. The individual elements can be moved against each other in a longitudinal direction. However, if this longitudinal displacement is restrained or fully prevented in some way by structural modifications, a relative and reversible bending of the elements results attributable to elastic deformation. The slide-lock mechanism thus belongs to the active bending mechanisms, as the bending is based exclusively on the relative movements of the sub-elements. Passive bending mechanisms, on the other hand, result from mechanical interactions between individual elements of a rod-shaped structure and the surrounding medium.
In several case studies, we have combined comprehensive morphological investigations of the musculoskeletal systems with behavioural analyses to create functional models and determine the underlying mechanisms of joint-free movements of the cuticular rod-shaped structures, and finally to discuss their eco-evolutionary significance and biomimetic potential.
Parasitoid wasps lay their eggs in or onto insect hosts (usually larvae), which often live hidden inside plant tissues. Steering movements of the terebra (i.e. bending and/or rotating) are thus important for locating potential hosts and precise egg laying. The hymenopteran terebra consists of a 2nd valvula that is connected with the paired 1st valvulae via a tongue-and-groove mechanism. However, the terebra has neither intrinsic joints nor intrinsic muscles.
This thesis presents an investigation of the structure of the ovipositor and the oviposition behaviour of several species of parasitoid wasps from the superfamilies Ichnemonoidea, Chalcidoidea and Cynipoidea. Joint-free steering mechanisms of the terebra are widespread with different taxa having evolved various active and passive movement mechanisms.
In our comprehensive and detailed study of the ovipositor of the chalcidoid wasp Lariophagus distinguendus (Pteromalidae), we have described a specific version of the slide-lock mechanism that seems to be unique for chalcidoids. The terebra of chalcidoid wasps features a longitudinally split 2nd valvula with overlapping, asymmetric halves that are fused only at the apex. The two paired muscles associated with the 2nd valvula are modified in their function and primarily serve to bend and rotate the terebra in chalcidoids. When the muscles on one side contract, the base of one half of the 2nd valvula is pulled dorsad, resulting in a bending of the entire 2nd valvula and thus the whole terebra. This adapted slide-lock mechanisms unique to chalcidoid wasps allows them actively to bend their terebra in various directions and to rotate it to a certain degree and, at the same time, to pro- and retract the 1st valvulae without the latter affecting the bending of the whole terebra.
Furthermore, we have carried out the first quantitative mechanical analysis of the musculoskeletal ovipositor system of a hymenopteran by examining the ichneumonid wasp Venturia canescens.
In all the presented studies on the ovipositor of parasitoid wasps, we have applied the Hymenoptera Anatomy Ontology (HAO); we have also supplemented/corrected it and listed all the synonyms found in the literature. Our integrative studies on the musculoskeletal ovipositor system combining analyses of the oviposition behaviour with detailed morphological and biomechanical studies of the ovipositor system might thus become reference works for the study of the hymenopteran ovipositor in the future.
The haematophagous kissing bugs of the subfamily Triatominae (Reduviidae) possess elongated piercing mouthparts comprising a pair of maxillae flanked by paired mandibles. The left and right maxillae are interlocked via a tongue-and-groove mechanism and form the maxillary bundle. The animals use this bundle to search for blood vessels in the tissue of their hosts, whereby steering movements are often exhibited.
In our integrative study on four species of Triatominae, we have found that the kissing bugs employ passive bending mechanisms within a host’s tissue to bend the maxillary bundle, i.e. they are dependent on the mechanical resistance of the surrounding medium. In liquids, however, the bugs exhibit bending movements of the apex of the maxillary bundle; these movements are based on the slide-lock mechanisms, i.e. on active bending mechanisms. This shows that passive and active bending mechanisms can occur within the same system and can also be actuated by the same set of muscles.
Detailed case studies as presented in this thesis are important for the determination of the function(s) and the working principle(s) of a system. These two concepts are central to knowledge transfer in the field of biomimetics.
The terebrae of hymenopterans and the mouthparts of heteropterans might be suitable biological concept generators for the development of miniaturized, needle-like and actively controllable probing tools. Such tools would be of particular interest for minimally invasive surgery because of their high level of innovation and their application potential. However, as the slide-lock mechanism requires both a certain elasticity of the individual sub-elements and low friction between them, ovipositors and piercing-sucking mouthparts are probably less suitable as biological concept generators for large-scale projects, such as those in architecture, because of possible up-scaling problems. |
en |
dc.language.iso |
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de_DE |
dc.publisher |
Universität Tübingen |
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dc.rights |
ubt-podno |
de_DE |
dc.rights.uri |
http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=de |
de_DE |
dc.rights.uri |
http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=en |
en |
dc.subject.classification |
Bionik , Entomologie , Erzwespen , Funktionsmorphologie , Hautflügler , Morphologie , Ovipositor , Raubwanzen |
de_DE |
dc.subject.ddc |
500 |
de_DE |
dc.subject.ddc |
570 |
de_DE |
dc.subject.ddc |
590 |
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dc.subject.other |
Chalcidoidea |
en |
dc.subject.other |
Biomimetics |
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dc.subject.other |
Entomology |
en |
dc.subject.other |
Functional morphology |
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dc.subject.other |
Hymenoptera |
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dc.subject.other |
Morphology |
en |
dc.subject.other |
Ovipositor |
en |
dc.subject.other |
Reduviidae |
en |
dc.title |
Joint-free movements in insects: actuation and steering mechanisms observed in ovipositors and piercing-sucking mouthparts, and their biomimetic potential |
en |
dc.type |
PhDThesis |
de_DE |
dcterms.dateAccepted |
2024-11-11 |
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utue.publikation.fachbereich |
Biologie |
de_DE |
utue.publikation.fakultaet |
7 Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät |
de_DE |
utue.publikation.source |
Betz O., Birkhold A., Caliaro M., Eggs B., Mader A., Knippers J., Röhrle O. and Speck O. (2016). Adaptive stiffness and joint-free kinematics: actively actuated rod-shaped structures in plants and animals and their biomimetic potential in architecture and engineering. In: Knippers J., Nickel K. G. and Speck T. (eds.), Biomimetic Research for Architecture and Building Construction: Biological Design and Integrative Structures (pp. 135–167), Biologically-Inspired Systems, vol. 8. Cham, Switzerland: Springer International Publishing. doi: 10.1007/978-3-319-46374-2_8; Betz O., Eggs B., Henn F., Birkhold A. and Röhrle O. (2017). Bewegung ohne Gelenke: (Wie) gehts das? In: Knippers J., Schmid U. and Speck T. (eds.), Baubionik: Biologie beflügelt Architektur (pp. 20–29), Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde, Serie C, vol. 82. Stuttgart, Germany: Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart und Gesellschaft zur Förderung des Naturkundemuseums in Stuttgart e.V.; Betz O., Eggs B., Henn F., Birkhold A. and Röhrle O. (2019). Movement without joints: (how) does it work? In: Knippers J., Schmid U. and Speck T. (eds.), Biomimetics for Architecture: Learning from Nature (pp. 22–31). Basel, Switzerland: Birkhäuser Verlag GmbH. doi: 10.1515/9783035617917-005; Csader M., Mayer K., Fischer S., Betz O. and Eggs B. (2021). The ovipositor of the braconid wasp Habrobracon hebetor: structural and functional aspects. Journal of Hymenoptera Research 83: 73–99. doi: 10.3897/jhr.83.64018; Eggs B., Birkhold A. I., Röhrle O. and Betz O. (2018). Structure and function of the musculoskeletal ovipositor system of an ichneumonid wasp. BMC Zoology 3: 12. doi: 10.1186/s40850-018-0037-2; Eggs B., Birkhold A. I., Röhrle O. and Betz O. (2018). The musculoskeletal ovipositor system of an ichneumonid wasp: structural and functional aspects. Mitteilungen des Entomologischen Vereins Stuttgart 53 (1): 34–36.; Eggs B., Fischer S., Csader M., Mikó I., Rack A. and Betz O. (2023). Terebra steering in chalcidoid wasps. Frontiers in Zoology 20: 26. doi: 10.1186/s12983-023-00503-1; Olmi M., Eggs B., Capradossi L., van de Kamp T., Perkovsky E. E., Guglielmino A. and Vasilenko D. V. (2022). A new species of Bocchus from upper Eocene Rovno amber (Hymenoptera, Dryinidae). Journal of Hymenoptera Research 92: 257–272. doi: 10.3897/jhr.92.87084; Sampalla B., Eggs B. and Betz O. (2018). Bending the sting: joint-free movement principles of the ovipositor shaft of the parasitoid wasp Leptopilina heterotoma (Figitidae). Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für allgemeine und angewandte Entomologie 21: 171–174.; Tull T., Henn F., Betz O. and Eggs B. (2020). Structure and function of the stylets of hematophagous Triatominae (Hemiptera: Reduviidae), with special reference to Dipetalogaster maxima. Arthropod Structure & Development 58, 100952. doi: 10.1016/j.asd.2020.100952; van de Kamp T., Mikó I., Staniczek A. H., Eggs B., Bajerlein D., Faragó T., Hagelstein L., Hamann E., Spiecker R., Baumbach T., Janšta P. and Krogmann L. (2022). Evolution of flexible biting in hyperdiverse parasitoid wasps. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 298 (1967): 20212086. doi: 10.1098/rspb.2021.2086 |
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yes |
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