Inhaltszusammenfassung:
Die Parkinson Erkrankung zählt zu den chronisch progredienten neurodegenerativen Erkrankungen des extrapyramidal-motorischen Systems.
Trotz intensiver Forschung sind noch nicht alle Aspekte dieser Erkrankung mit multifaktorieller Genese geklärt. Seit den 90er Jahren rückt die Erforschung der genetischen Architektur des Parkinsons immer mehr in den Vordergrund. Genomweite Assoziationsstudien (GWAS) zeigen, dass das idiopathische Parkinson einen polygenetischen Hintergrund hat.
Die vorliegende Dissertationsarbeit untersucht anhand eines genetischen Risikoprofils für Parkinson, der sog. genetischen Last, die Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf und auf motorische sowie nicht-motorische klinische Parameter.
In einer Querschnitts- und Longitudinalstudie wurden motorische Symptome in Form von H&Y Stadium und UPDRS-III, nicht-motorische Symptome in Form von MMSE und BDI sowie die Progression der Erkrankung und das Erreichen von erkrankungstypischen Meilensteinen bei einer Kohorte von 711 Patienten mit 17 untersuchten Genen (Gruppe 1) bzw. 619 Patienten mit 49 untersuchten Genen (Gruppe 2) mit idiopathischem Parkinson erfasst. Die Patienten wurden aus einer neurologischen Station und der Parkinson Ambulanz der Universität Tübingen rekrutiert. Die Teilnehmer wurden mit einer DNA Microchip Technologie genotypisiert und anschließend wurde die individuelle genetische Last errechnet. Dies erfolgte unter der Anwendung einer öffentlich zugänglichen Datenbank mit Informationen aus Forschungsergebnissen zu Parkinson assoziierten Genvarianten und einer Software für genetische Assoziationsstudien.
Innerhalb der Gruppen wurden, anhand der genetischen Last, Quartile gebildet. Die Gruppen der Quartile mit niedriger genetischer Last und die der Quartile mit hoher genetischer Last wurden hinsichtlich ihrer klinischen Symptomatik verglichen.
Es fand sich kein eindeutiger Zusammenhang zwischen erhöhter genetischer Last durch Risikogene und der Progression der klinischen Symptomatik.
Dabei erzielte die Gruppe des Quartils mit hoher genetischer Last ähnlich gute Ergebnisse im H&Y, UPDRS-III, MMSE und BDI wie die des Quartils mit niedriger genetischer Last.
Es konnte gezeigt werden, dass eine hohe genetische Last mit einem jüngeren Alter bei Krankheitsbeginn assoziiert ist.
Die höhere genetische Last könnte somit zu einer früheren Manifestation des Parkinsons führen, dabei jedoch zu einer ähnlichen Progression der Erkrankung.
Dies ist bemerkenswert, da eher eine raschere Progression und stärkere Symptomatik bei Patienten mit hoher genetischer Last erwartet werden würde.
Wir führen die unerwartet guten Ergebnisse der Patienten mit höherer genetischer Last u.a. auf mögliche Kompensationsmechanismen des Gehirns bei jüngerem Alter zu Krankheitsbeginn zurück.
Einschränkend muss jedoch gesagt werden, dass sich die geringen Kohortengrößen limitierend auf die Studie auswirken können. Ebenso einschränkend sind Selektionsbias durch Ausscheiden von Patienten mit schwerer Progression sowie Patienten mit H&Y Stadium ≥2,5 und/oder kognitive Einschränkung zum Zeitpunkt der Baseline, da in diesem Fall eine Messung bis zum Erreichen der Meilensteine nicht exakt möglich wird.
Um die Ergebnisse unserer Studie zu validieren und um die Zusammenhänge der genetischen Last mit klinischen Symptomen und der Progression der Erkrankung besser zu evaluieren, werden weiter entwickelte und detailliertere klinische Studien gebraucht.
Die Erkenntnisse über genetische Risikoindikatoren dienen aktuell v.a. Fall-Kontroll Studien zum polygenen Charakter des Parkinsons. Sie sind allein genommen noch nicht klinisch zur individuellen prognostischen Einschätzung des Krankheitsverlaufes einsetzbar oder ermöglichen gar ursachenbezogene Therapieansätze.
Dies könnte in Zukunft durch weitere detailliertere Studien über die genetische Last im Zusammenhang mit z.B. speziellen Biomarkern, der Interaktion der Gene mit der Umwelt oder den unterschiedlichen Phänotypen des Parkinsons erfolgen.