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Während chirurgischer Eingriffe wird immer häufiger auf die totale intravenöse Anästhesie (TIVA) zurückgegriffen, um bei Patienten einen narkotisierten Zustand hervorzurufen. Jedoch kommt es unter Propofol, welches während der TIVA als Hypnotikum verabreicht wird, doppelt so häufig zu unerwünschten motorischen Reaktionen wie unter dem volatilen Anästhetikum Sevofluran (Watson und Shah, 2000). Das Auftreten motorischer Aktivität und intraoperativer Schmerzen steht im Zusammenhang, da Schmerzstimuli motorische Aktivität über das zentrale Nervensystem (ZNS) induzieren. Daher ist es sinnvoll, zentral wirkende Muskelrelaxantien während der Anästhesie zu verwenden, um sowohl postoperative Schmerzen als auch intraoperative Bewegungen zu reduzieren. Als Schaltzentrale zur Generierung motorischer Reaktionen dient das Vorderhorn des Rückenmarks, in dem überwiegend das glycinerge Rezeptorsystem an der immobilisierenden Wirkung volatiler Anästhetika beteiligt ist (Zhang et al., 2003). Die vorliegende Studie untersucht die Frage, inwiefern eine verstärkte glycinerge Neurotransmission durch eine Glycin-Reuptake-Blockade zu einer Modulation der neuronalen Aktionspotentialaktivität im Vorderhorn des Rückenmarks und einer Veränderung der motorischen Aktivität führt. Die Glycin-Wiederaufnahme-Blocker Org 25543 und Org 24598 sind selektive Inhibitoren für den neuronalen beziehungsweise den glialen Glycintransporter und wurden für diese Studie als pharmakologische Modulatoren genutzt, da sie bereits in vergangenen Studien auch als potenzielle Analgetika getestet wurden (Morita et al., 2008; Tanabe et al., 2008). Als Modellsystem dienten Kokulturen aus Rückenmark- und Muskelgewebe, an denen intra- und extrazelluläre elektrophysiologische Experimente durchgeführt wurden. Beide Reuptake-Blocker erwiesen sich in nanomolaren Konzentrationen als effiziente Inhibitoren der Muskelaktivität (muskuläre Aktivitätshemmung >33%). Zudem dämpften beide Substanzen die Feuerrate spinaler Interneurone signifikant mit einer prozentualen Inhibition von 50-60% in nanomolarer und 80% in mikromolarer Konzentration. Intrazelluläre Ableitungen mit 5 μM des neuronalen Reuptake-Blockers Org 25543 ergaben eine Reduktion der IPSC-Frequenz um 56% und eine Zunahme der Abklingzeit glycinerger IPSCs um 33%. Die Applikation von 320 nM Org 25543 wies keine signifikanten Änderungen der IPSC-Kinetik auf, jedoch stieg die IPSC-Frequenz um 91%. Die Wirkung des glialen Reuptake-Blockers Org 24598 ist für die Kinetik und Frequenz der IPSCs nur von geringer Bedeutung. Beide Reuptake-Blocker induzieren einen tonischen inhibitorischen Strom. Die beiden Org-Komponenten unterscheiden sich in zwei Eigenschaften: Während der neuronale Reuptake-Blocker Org 25543 die neuronale Feuerrate aktivitätsabhängig inhibiert, weist der gliale Reuptake-Blocker Org 24598 keine aktivitätsabhängige Wirkung auf. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass der neuronale Reuptake-Blocker phasisch und tonisch potenziert, der gliale Reuptake-Blocker jedoch in dieser Studie ausschließlich die tonische Inhibition verstärkt. Die vorliegende Dissertation zeigt erstmalig, dass die beiden Org-Substanzen muskelrelaxierend wirken und die Feuerrate von Interneuronen im ventralen Horn dämpfen. Sowohl der neuronale als auch der gliale Reuptake-Blocker erweisen sich als aktivitätsreduzierende Substanzen auf Ebene der Interneurone im ventralen Teil des Rückenmarks. Beide Reuptake-Blocker besitzen muskelrelaxierende Eigenschaften, welche, mit intravenösen Anästhetika kombiniert, zur Reduzierung intraoperativer Bewegungen beitragen könnten. Zu klären bleibt jedoch die Frage, ob die untersuchten Substanzen auch die Motoneurone direkt hemmen oder ob die reduzierte motoneuronale Aktivität aus einer verminderten Erregung der Motoneurone durch die Interneurone resultiert. Darüber hinaus stellt der neuronale Reuptake-Blocker Org 25543 wegen seiner möglichen analgetischen Wirkung eine interessante Ergänzung zu intravenösen Opioiden dar und trägt somit eventuell zu der Linderung postoperativer Schmerzen bei. |
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