Einsatz von motivierender Gesprächsführung durch nicht-ärztliches medizinisches Personal im betriebsärztlichen Setting zur Sekundärprävention von leichter arterieller Hypertonie bei Beschäftigten - Evaluation einer Machbarkeitsstudie

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Zitierfähiger Link (URI): http://hdl.handle.net/10900/154370
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-1543702
http://dx.doi.org/10.15496/publikation-95708
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2024-06-21
Sprache: Deutsch
Fakultät: 4 Medizinische Fakultät
Fachbereich: Medizin
Gutachter: Rieger, Monika A. (Prof. Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2024-05-15
DDC-Klassifikation: 610 - Medizin, Gesundheit
Schlagworte: Hypertonie , Motivierende Gesprächsführung , Arbeitsmedizin , Betriebsarzt , Feasibility-Studie
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

In dieser Dissertation wird im Rahmen einer Machbarkeitsstudie untersucht, ob sich das Studiendesign für eine hypothesenüberprüfende randomisiert-kontrollierte Interventionsstudie zur Lebensstiländerung bei Beschäftigten der Großindustrie mit leichter arterieller Hypertonie umsetzen lässt. Die Lebensstiländerungen sollten hierbei durch motivierende Gesprächsführung (engl. Motivational Interviewing, MI) unterstützt werden und die Verhaltensänderungen zur Blutdruckreduktion beitragen. Die Beratungen wurden im betriebsärztlichen Setting durch Betriebsärzte und nicht-ärztliches medizinisches Personal durchgeführt. Die Untersuchung der Machbarkeit des Studiendesigns stellt Fragestellung 1 der vorliegenden Dissertationsschrift dar. Als zweite Fragestellung wurden Hinweise auf die Wirksamkeit der Intervention untersucht, insbesondere die Bereitschaft der Probanden zu gesundheitsförderlichen Lebensstiländerungen. Methodik: Die Machbarkeitsstudie wurde von 01.10.2010 bis 13.04.2011 im werksärztlichen Dienst (WD) des Mercedes-Benz Werks in Stuttgart-Untertürkheim durchgeführt. In Studienteil A erfolgte ein Hypertonie-Screening, bei Blutdruckwerten (BD) ≥140/90mmHg validierten die Probanden zuhause diesen Wert mittels 30 Selbstmessungen. Da die Teilnahmebereitschaft bei diesem Validierungsverfahren gering war, wurde das Verfahren auf drei Kontrollmessungen im WD umgestellt. Probanden mit BD-Werte von 140-159/90-99 mmHg, die noch nicht auf eine antihypertensive medikamentöse Therapie eingestellt waren, wurden in die Interventionsstudie (Studienteil B) aufgenommen und randomisiert entweder der Kontroll- oder Interventionsgruppe zugewiesen. In der Kontrollgruppe (KG) erhielten die Probanden eine usual care-Beratung zu Risikofaktoren von arterieller Hypertonie durch einen Betriebsarzt, in der Interventionsgruppe (IG) eine betriebsärztliche Beratung mittels MI und anschließend vier Telefonberatungen mit MI durch nicht-ärztliches medizinisches Personal. In diesem Rahmen wurden von den Probanden Ziele zu Lebensstiländerung in den für arterielle Hypertonie relevanten Bereichen Ernährung, Bewegung, Alkoholreduktion, Nikotinstop oder Stressreduktion definiert. Zur Evaluation der Machbarkeit wurden während der gesamten Studiendurchführung (Studienteil A und B) in einem Machbarkeit-Verlaufsprotokoll förderliche und hinderliche Faktoren dokumentiert, fallweise ergänzt um teilstandardisierte Interviews mit Mitarbeitern des WD sowie eine abschließende teilstandardisierte schriftliche Befragung der operativen Mitglieder des Studienteams vor Ort. Die Auswertung dieser gemischt qualitativ-quantitativen formativen Evaluation erfolgte deskriptiv. Die Exploration von Prädiktoren für die Teilnahmebereitschaft an Studienteil A (Screening und Validierung erhöhter Blutdruckwerte) erfolgte mittels multivariater logistischer Regressionsanalyse. Die möglichen Effekte der Intervention auf den Lebensstil (Studienteil B) wurden mittels standardisierter Probandenfragebögen zum Interventionsbeginn und Follow up (6 Monate) untersucht. Ziel war ein Datenvergleich von Ernährungsgewohnheiten, Bewegungsverhalten und Nikotinkonsum. Zusätzlich schätzen die Probanden subjektiv das Ausmaß ihrer Lebensstiländerung zum Zeitpunkt der Follow-up-Befragung ein (Summenscore aus sechs Items) und bewerteten die Intervention. Ergebnisse: In das BD-Screening wurden N=299 Beschäftigte eingeschlossen. Nach Umstellung des Validierungsverfahrens erhöhte sich die Rekrutierungsrate von 42% auf 63%. Die höchste Teilnahmequote wiesen Beschäftigte aus der Verwaltung auf, die bisher keine Antihypertensiva einnahmen und zu zwei BD-Kontrollmessungen in den WD kamen. Jeweils rund ein Drittel der Probanden zeigte, unabhängig von der Validierungsmethode, normale Werte, leicht erhöhte (140/90 - 159/99 mmHg) bzw. stark erhöhte Werte (≥ 160/100 mmHg). Hinsichtlich der Machbarkeit des Hypertonie-Screenings zeigten sich aufgrund von Platzmangel in der Ambulanz und Zeitdruck der potenziellen Probanden Schwierigkeiten in der Integration der Rekrutierungsgespräche in den Alltag des WD. Unzureichende Deutschkenntnisse einiger potenzieller Probanden und vor allem Datenschutzbedenken erwiesen sich als hemmend auf die Teilnahmebereitschaft. In Studienteil B wurden 17 Probanden eingeschlossen, die in die IG (N=9) oder die KG (N=8) randomisiert wurden. Aufgrund dieser geringen Fallzahl wurden die Effekte der Intervention auf die Zielgrößen ausschließlich deskriptiv ausgewertet. Sieben Probanden der IG absolvierten alle vier Telefonberatungen. Rund zwei Drittel der Ziele hinsichtlich Lebensstiländerungen wurden nach Abschluss der Intervention von den Probanden der IG erreicht. Es zeigte sich in der IG eine leicht höhere Veränderung der Ernährungsgewohnheiten, hinsichtlich des Bewegungsverhalten kam es in beiden Gruppen zu einem Anstieg, wobei leichte Unterschiede zwischen beiden Gruppen in dem kleinen Kollektiv auf die Angaben einzelner Personen zurückzuführen waren. MI wurde von Beratenden und Probanden sehr positiv bewertet. Hinsichtlich der Machbarkeit der Interventionsstudie zeigte sich eine gute Integrierbarkeit der ärztlichen Beratungen in den WD, die Erreichbarkeit der Probanden der IG war durch die festgelegten Arbeitszeiten des Health Coach erschwert. Insgesamt war die Durchführung organisatorisch und personell sehr aufwendig. Eine digitale Datenerfassung und –übermittlung, bessere Aufklärung über Datenschutz und infrastrukturelle Optimierung im WD wären mögliche Modifikationen. Diskussion und Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse der Dissertation erlauben eine ausführliche Bewertung der Machbarkeit aller Aspekte einer zukünftigen (cluster-)randomisiert-kontrollierten Wirksamkeitsstudie. Ausgehend von den Erfahrungen in dem nur kleinen Studienkollektiv gelang der Nachweis der Durchführbarkeit einer Studie zu Beratungen mit MI im betriebsärztlichen Umfeld. Der Einsatz von MI durch Betriebsärzte und nicht-ärztliches medizinisches Personal zur Sekundärprävention von BD stellt in der deutschen Versorgungsforschungslandschaft eine Neuheit dar, wird von Probanden sehr positiv bewertet und zeigt Hinweise auf eine Wirksamkeit hinsichtlich der Umsetzung gesundheitsförderlichen Lebensstilmodifikationen. Dieser Ansatz sollte genauer untersucht und weiterentwickelt werden. Damit könnte ein Beitrag zur Optimierung der gesundheitlichen Betreuung von Beschäftigten geleistet und somit der Beitrag der Arbeitsmedizin für die präventive Gesundheitsversorgung von Menschen im Erwerbsalter unterstrichen werden.

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