Inhaltszusammenfassung:
Hintergrund
Das Postpolypektomie Syndrom (PPS) ist eine relevante Komplikation, die nach
einer Koloskopie mit Polypenabtragung auftreten kann. Es kennzeichnet sich u.a.
durch einen lokalen, zur Resektionsstelle passenden Schmerz in Abwesenheit
von freier Luft in entsprechender Bildgebung. Entzündungszeichen wie
Temperatur, Leukozytenzahl oder CRP können erhöht sein. Folglich gleicht das
PPS in seinem klinischen Bild der bekannteren Perforation, weswegen häufig nur
diese abgeklärt und an Ersteres gar nicht gedacht wird. Dies ist insofern
wesentlich, als dass das PPS meist konservativ behandelbar ist und die
Betroffenen, wenn korrekt diagnostiziert, zeitnah ohne längere Diagnostik
entlassen werden können.
Ziele
Diese Arbeit untersuchte sowohl den klinischen Verlauf des Krankheitsbildes und
Einflussgrößen für potenzielle Risikofaktoren sowie Ursachen als auch die
Aussagekraft der bis dato verwendeten Definitionskriterien für das PPS.
Methodik
Für diese retrospektive Studie wurden 966 Personen untersucht, bei denen eine
koloskopische Polypenabtragung am Universitätsklinikum Tübingen im Zeitraum
vom 29.10.2015 bis 31.06.2020 erfolgte. Nach Anwendung der Ausschlusskriterien qualifizierten sich 475 Personen. Als Ausschlusskriterien galten u.a.
ambulante Behandlungen, Koinfektionen, chronisch entzündliche
Darmerkrankungen und hereditäre gastrointestinale Polyposis-Syndrome sowie
Personen mit präinterventionellen Schmerzangaben. Aus der Gesamtstichprobe
konnte neben der PPS-Stichprobe eine Kontrollstichprobe generiert werden (n =
46 Personen / 133 Polypektomien vs. n = 429 Personen / 1156 Polypektomien),
welche in der statistischen Analyse miteinander verglichen wurden.
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Ergebnisse
Die bereinigte Inzidenz des PPS lag in dieser Arbeit bei 9,7 %. Unter den PPSBetroffenen gaben 34,8 % einen Schmerzbeginn innerhalb der ersten 6 h und
damit vor der geläufigen Zeitschwelle aus der Vergleichsliteratur an. Als
Entzündungsparameter mit der höchsten Sensitivität zeigte sich ein CRP-Wert
≥ 0,5 mg/dl (94,7 %) sowie für die höchste Spezifität eine Kombination aus einem
CRP-Wert ≥ 0,5 mg/dl und einer Körpertemperatur ≥ 37,5 °C (92,4 %). In der
multivarianten Analyse konnten die Lokalisation im Caecum (p = 0,021), eine
serratierte Polypenmorphologie (p = 0,028), eine gestielte Polypenkonfiguration
(p = 0,003) sowie im Grading keine IEN (p = 0,009) als signifikante, unabhängige
Risikofaktoren identifiziert werden.
Schlussfolgerung
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Inanspruchnahme von Vorsorgekoloskopien stellt das Postpolypektomie Syndrom mit einer Inzidenz von fast
10 % eine wichtige und häufige Komplikation dar. Enzündungsparameter wie
CRP und eine erhöhte Körpertemperatur können diagnostische Hinweise liefern,
wobei das CT-Abdomen den Goldstandard zur Abgrenzung der Perforation und
Unterscheidung der Subtypen des PPS bildet. Niederschwellige Angebote wie
die „Rolling“-Technik oder rektale Tuben können bei dem PPDS Abhilfe
verschaffen, wohingegen Analgesie sowie ggf. Antipyrese mit
Flüssigkeitstherapie v.a. bei dem PPCS und der Miniperforation indiziert sind. In
Zusammenschau der Ergebnisse dieser Studie sowie der Vergleichsliteratur
zeigten sich die thermale Wandschädigung sowie vermehrt freigesetzte
Entzündungsmediatoren im Resektionsgebiet als überzeugende Theorien zur
Entstehung des PPS. Für eine Bakterien-assoziierte Entzündungsreaktion lagen
keine ausreichend eindeutige Belege vor. Die Notwendigkeit einer antibiotischen
Therapie und die genauere Unterscheidung der Subtypen des PPS mit ihrer
jeweiligen klinischen Relevanz sowie die Evaluation weiterer Risikofaktoren und
Ursachen mit ggf. Erstellung eines Risiko Scores sollten Gegenstand weiterer
prospektiven Studien sein.