Inhaltszusammenfassung:
Der Alltag vieler Männer in Deutschland wird durch die Diagnose eines Prostatakarzinoms beeinträchtigt. Auch nach einer erfolgreichen Therapie durch eine radikale Prostatektomie kann das Leben weiterhin durch eine verminderte Lebensqualität oder Operationsfolgen, wie Inkontinenz oder erektile Dysfunktion eingeschränkt sein. Neben klinischen Faktoren wie der Operationstechnik oder dem Tumorstadium, könnten soziodemographische, sozioökonomische, aber auch Eigenschaften des Lebensstils wie Sport, Ernährung oder der Abusus von Noxen, Auswirkungen auf diese subjektive Einschätzung der Lebensqualität und des allgemeinen Gesundheitszustandes haben.
In der vorliegenden Arbeit wurden soziodemographische und sozioökonomische Variablen ermittelt, die nach einer radikalen Prostatektomie Einfluss auf die angegebene Lebensqualität, den Gesundheitszustand, die Kontinenz und Potenz sowie den postoperativen Schmerzmittelbedarf haben. Zudem wurde der Einfluss der beiden Operationstechniken, der offenen retropubischen- und der roboterassistierten radikalen Prostatektomie, auf diese Zielvariablen untersucht. Hierzu wurden Daten von 85 Patienten nach radikaler Prostatektomie an der Universitätsklinik für Urologie Tübingen von 2013 bis 2016 erhoben. Es ergab sich ein Kollektiv von 327 Patienten. Die Werte wurden mittels validierter Fragebögen ermittelt.
Unsere Ergebnisse zeigten verschiedene signifikante Assoziationen mit der Lebensqualität der Patienten 24 Monate nach der radikalen Prostatektomie. Hierzu zählten das Tumorstadium, Vorerkrankungen, der Familienstand, die körperliche Aktivität und eine durch die Therapie resultierende Inkontinenz bzw. erektile Dysfunktion. Auswirkungen auf die Kontinenz der Patienten zeigten ebenso das Tumorstadium, der sozioökonomische Index und die psychische Verfassung der Patienten. Ebenso ermittelten wir eine signifikante Korrelation zwischen der erektilen Funktion der Patienten und dem Tumorstadium, dem Alter, Vorerkrankungen, dem BMI, Nikotinabusus, dem Vorliegen familiärer Probleme, der Beschäftigung und dem Wohnort der Patienten. Zusätzlich zeigten Patienten mit einem höheren Tumorstadium, positiver Familienanamnese, einem hohen BMI eine postoperativ verlängerte Schmerzmitteleinnahme. Patienten mit orthopädischen Vorerkrankungen nahmen postoperativ signifikant häufiger Opioide ein.
Wir ermittelten eine verbesserte Lebensqualität, verminderte Inkontinenzraten und einen geringeren Schmerzmittelbedarf nach einer RARP im Vergleich zur offenen retropubischen radikalen Prostatektomie. Eine Korrelation zwischen der Operationstechnik und den Raten der erektilen Dysfunktion, 24 Monate nach der Prostatektomie konnten wir nicht finden. Zusätzlich wurden die beiden chirurgischen Ansätze getrennt voneinander betrachtet, um zu ermitteln ob verschiedene Patientengruppen, von bestimmten Operationstechniken profitieren könnten.
Die Arbeit zeigt auf, dass soziodemographische und sozioökologische Faktoren relevant auf die postoperativen Ergebnisse, insbesondere auch deren individuelle Wahrnehmung und Verarbeitung Einfluss nehmen. Wenn der behandelnden Arzt bzw. die behandelnden Ärztin bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung und der Operationsaufklärung potenzielle Variablen mit Einfluss auf die Lebensqualität, den Erhalt der Kontinenz und der Potenz und das postoperative Schmerzempfinden kennt, könnten Patienten mit einem erhöhten Risiko rechtzeitig identifiziert werden und deren perioperatives Management bewusst durch ein multi-disziplinärs Team aus Urologen, Physiotherapeuten und psychoonkologischer Betreuung unterstützt werden.