Diese Dissertation ist bis zum 11. Juli 2024 gesperrt
Die fossilen Fundstellen aus dem Känozoikum Südostasiens dokumentieren eine äußerst dynamische Periode der Säugetierevolution. Viele Gruppen moderner Säugetiere entwickelten sich in dieser biogeographischen Region oder erlebten dort bedeutende Radiationen. Zu diesen zählen zum Beispiel anthropoide Primaten im Eozän und hominoide Primaten im Miozän. Hier möchte ich den ökologischen Kontext charakterisieren, in dem diese Entwicklungen stattfanden, insbesondere im Hinblick auf Paläosaisonalität, Vegetationsstruktur, Ernährung und Nischenaufteilung. Zu diesem Zweck habe ich mich auf zwei fossile Säugetierfaunen aus dem heutigen Myanmar konzentriert, die zwei Schlüsselzeiträume in der Evolutionsgeschichte der Primaten repräsentieren.
Die Treibhauswelt der Pondaung Formation (Fm.) aus dem mittleren Eozän ist ein Fenster zur Erforschung der Ökosystemdynamik der Tierwelt eines Lebensraums, der eine große Anzahl verschiedener früher anthropoider Primaten sowie eine vielfältige Fauna pflanzenfressender Säugetiere beherbergte. Frühere Studien konzentrierten sich auf das Klima und die Vegetation in der Umwelt, die die Pondaung Fm. prägte. Obwohl ich mich auch mit Aspekten der Paläosaisonalität und der Vegetationsstruktur beschäftige, liegt mein Schwerpunkt auf der Struktur der Mikrohabitate an den verschiedenen Fundstellen der Pondaung Fm. sowie ihrer Nutzung durch die verschiedenen taxonomischen Gruppen. Auf der Grundlage dieser Habitatsrekonstruktionen konnte ich für einige der anthropoiden Primatenarten aufgrund ihres Vorkommens in verschiedenen Mikrohabitaten auf ein gewisses Maß an ökologischer Flexibilität schließen. Der zweite Schwerpunkt meiner Arbeit an der Pondaung-Fauna waren die Anthracotheriidae und eine detaillierte Rekonstruktion ihrer Paläoökologie und der Konkurrenzdynamik zwischen den fünf Arten, die in der Pondaung Fm. gefunden wurden.
Mit der zweiten Säugetierfauna bearbeite ich offene Fragen zur evolutionären Ökologie der Ponginae in Südostasien, die im Miozän ihren Anfang hatte. Heute gibt es nur noch eine Gattung (Pongo), deren geographische Verbreitung auf die beiden Inseln Borneo und Sumatra beschränkt ist. Vom Miozän bis zum Pleistozän waren die Artenvielfalt und das geographische Verbreitungsgebiet jedoch weitaus größer. Die Fossilien von Ponginae erstrecken sich von der Türkei bis nach Südchina. Die Irrawaddy-Fm. aus dem späten Miozän ist ein Beispiel für den Lebensraum der Schwestergruppe der heutigen Orang-Utans, Khoratpithecus, die dort durch die Art Khoratpithecus ayeyarwadyensis vertreten ist. In meiner Dissertation charakterisiere ich den Lebensraum dieser fossilen Ponginae, indem ich die Paläosaisonalität, die Vegetationsstruktur und die Dynamiken zwischen den ökologischen Nischen der fossilen Fauna rekonstruiere. Anschließend konzentriert sich meine Arbeit auf die Frage, ob es eine ökologische Kontinuität in Bezug auf Ernährung, Habitatspräferenzen und –nutzung in der Familie Ponginae seit dem Miozän gibt, wobei ich die verschiedenen Taxa aus Süd- und Südostasien vergleiche.
Für meine Studien habe ich verschiedene analytische Ansätze verwendet, um die Paläoökologie und Ernährung in diesen fossilen Säugetierfaunen zu bewerten. Hier präsentiere ich die Analyse stabiler Isotope und die anschließende Nischenmodellierung der eozänen und miozänen Fossilien aus Myanmar sowie die Analyse der Mikroläsionen an okklusalen Kaufacetten der Zähne. Die Resultate der zweiten Methode ermöglichen einen detaillierteren Einblick in die evolutionäre Ökologie der Ponginae durch den Vergleich der Subsistenzstrategien miozäner Ponginae mit pleistozänen und heutigen Orang-Utans. Mit den verschiedenen Studien meines Dissertationsprojekts konnte ich Möglichkeiten aufzeigen, wie man die Grenzen der Modellierung von Nischen mit stabilen Isotopen erweitern kann. Zum einen indem ich eine andere Gruppe von Isotopen verwendet habe, die eher allgemeine ökologische Merkmale einer Nische darstellen als nur trophische oder ernährungsbezogene Dimensionen. Zum anderen habe ich erfolgreich neue Interpretationsansätze für die modellierten Isotopennischen aus geologische Zeiträume erprobt, die bisher nur von Ökologen, die an modernen Ökosystemen arbeiten, angewendet wurden. Ein Beispiel dafür ist die Bewertung der Dynamik des Konkurrenzpotenzials in den Anthracotheriidae aus der Pondaung Fm. Die Arbeit an den Mikroläsionen (dental microwear) der Selenka-Orang-Utans war eine weitere Möglichkeit, eine Brücke zwischen der Paläontologie einerseits und Ökologie und Biologie andererseits zu schlagen. Der daraus hervorgegangene Datensatz eröffnet neue Forschungsmöglichkeiten in beiden Disziplinen, besonders im Hinblick auf den Arterhalt der Orang-Utans.