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Die Binge-Eating-Störung (BES) ist eine Essstörung, die durch wiederholte Essattacken begleitet von einem Kontrollverlust definiert ist. Im Gegensatz zur Bulimia Nervosa werden diese Essattacken nicht kompensiert. PatientInnen mit BES haben einen hohen Leidensdruck und die Komorbiditäten, gegeben durch die Essstörung als solche und das oft vorliegende Übergewicht, stellen für die PatientInnen, wie auch für das Gesundheitssystem eine hohe Belastung dar. Die aktuell empfohlene Standardtherapie bei BES ist die kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Impulsivität wird häufig als möglicher Risikofaktor für die Entstehung und Aufrechterhaltung der BES diskutiert. Dabei scheinen insbesondere Belohnungssensitivität und reizkontrolliertes Essen eine große Rolle zu spielen. Daher gibt es aktuell einige Ansätze, die Impulsivität bei der Behandlung der BES stärker einbeziehen und die Wirksamkeit dieser Behandlungsprogramme untersuchen. Die IMPULS-Studie (Schag et al., 2019) beinhaltet ein solches, speziell auf impulsives Essverhalten fokussiertes Programm, welches verschiedene Interventionen der KVT enthält und insbesondere Reaktions- und Stimuluskontrolle und Nahrungskonfrontation mit Reaktionsverhinderung kombiniert. In der Studie zur Wirksamkeit der IMPULS-Behandlung von Schag und KollegInnen (2019) wurden vielversprechende Ergebnisse bezüglich des Erfolgs des Programms präsentiert. So zeigte sich insbesondere bei der 3-Monats-Katamnese eine Überlegenheit der Experimentalgruppe (EG) bezüglich der Reduktion der Essanfälle gegenüber der Kontrollgruppe (KG), die keine Behandlung erhielt.
Die aktuell vorliegende Studie untersucht die ProbandInnen der IMPULS-Studie (Schag et al., 2019) 2,75 Jahre nach der Behandlung und vergleicht die ProbandInnen der EG mit denen der KG hinsichtlich der Essanfälle, der Essstörungspathologie, der Impulsivität als Persönlichkeitseigenschaft, der nahrungsbezogenen Impulsivität, des BMI und der depressiven Symptomatik. Dafür wurden erneut das Eating Disorder Examination als standardisiertes Interview sowie verschiedene Fragebögen eingesetzt. 54 % (n = 43) der Gesamtstichprobe (n = 80) nahmen an dieser Nachuntersuchung teil. Dabei waren 84 % der PatientInnen weiblich und das Durchschnittsalter lag bei 43.3 Jahren (SD = 12.8). 19 (44 %) PatientInnen nahmen nach der IMPULS-Studie an weiteren Behandlungen teil. Die Gruppen unterschieden sich dabei nicht signifikant voneinander. Entgegen der Hypothesen zeigte sich bei keiner der Variablen eine Überlegenheit der EG im Vergleich zu der KG zum Zeitpunkt der 2.75 Jahres-Katamnese im Vergleich zum Behandlungsbeginn. Erfreulicherweise konnte festgestellt werden, dass nach 2,75 Jahren 67 % der PatientInnen der EG und 75 % der KG in Voll- oder Teilremission waren und die Anzahl der Essanfälle in beiden Gruppen signifikant reduziert war. Dabei unterschied sich die KG jedoch nicht von der EG. Auch bei der Essstörungspathologie, der Impulsivität und dem BMI konnte eine Reduktion nach 2,75 Jahren gezeigt werden. Die Depressivitätswerte stiegen allerdings nach dem Ende des Behandlungszeitraums der IMPULS-Studie wieder leicht an. Bei diesen Ergebnissen bleibt bislang unklar, wodurch die KG vergleichbare Verbesserungen erzielen konnte wie die EG. Das achtwöchige IMPULS-Programm scheint nach 2,75 Jahren jedenfalls keinen Einfluss mehr auf den Verlauf der Essstörung zu haben. Als mögliche Erklärungen werden der natürliche Verlauf der Erkrankung über die Zeit, Einflüsse weiterführender Behandlungen und Einflüsse durch die Corona-Pandemie diskutiert. Im Zusammenhang mit den steigenden Depressivitätswerten wird außerdem die Möglichkeit diskutiert, dass die Hoffnung einiger PatientInnen durch die Stagnation der BES-Pathologie und durch weiter bestehendes Übergewicht enttäuscht wurde. Die Ergebnisse weißen außerdem darauf hin, dass Impulsivität verändert werden kann, auch wenn dies eine üblicherweise stabile Persönlichkeitseigenschaft darstellt. Dies gibt Hoffnung, dass Störungen, bei denen Impulsivität als möglicher Mechanismus bei der Entstehung und Aufrechterhaltung zugrunde liegt, effektiv und nachhaltig behandelt werden können. Weitere Studien über den natürlichen Verlauf der BES und mehr Studien über die Behandlung der Impulsivität bei PatientInnen mit BES werden jedoch benötigt, um eine bessere Aussage darüber machen zu können, welche Faktoren eine Behandlung der BES erfolgreich machen könnten, um somit PatientInnen, wie auch das Gesundheitssystem entlasten zu können. |
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