Inhaltszusammenfassung:
Gegenstand dieser Arbeit waren insgesamt 125 Untersuchungseinheiten – Fundstellen und Einzelfunde aus dem Freiland Baden-Württembergs – die entweder in der Literatur oder durch eigene Sammlungssichtung als zum Mittelpaläolithikum gehörend angesprochen wurden. Dabei wurde sich dem Material mit einer elementaren Methodik, die auf techno-typologischen Beobachtungen, Überlegungen zum Rohmaterial und ausgedehnten Literaturrecherchen beruht, genähert.
Die Daten aller erfassten Fundpunkte wurden zunächst mit der jeweils verfügbaren maximalen Menge an Informationen, getrennt nach den naturräumlichen Einheiten Baden-Württembergs, vorgelegt und anschließend einer kritischen Betrachtung unterzogen. In insgesamt 32 Fällen konnte aufgrund fehlender Informationen, unsicherer oder falscher typologischer Ansprachen, verschollener Funde oder nicht zugänglichen Sammlungen – entsprechende Arbeiten waren ursprünglich während der Hochphase der Corona-Pandemie geplant – ein mittelpaläolithischer Kontext entweder nicht zweifelsfrei bestätigt oder ausgeschlossen werden. Somit verbleiben insgesamt 93 Fundstellen und Einzelfunde in Baden-Württemberg, die entweder mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit oder sicher dem Mittelpaläolithikum zuzuordnen sind.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass für das Mittelpaläolithikum im Freiland Baden-Württembergs anhand der aktuellen Datenlage eine verstärkte Begehung des östlichen Teils des Bundeslandes zu belegen ist. Die Auswahl der Siedlungsplätze ist dabei an mittlere Höhenlagen mit hervorgehobener Position in der umgebenden Landschaft, der Nähe zu Fließgewässern und Rohmaterialquellen geknüpft. Letzterer Faktor sorgt für eine äußerst lokal geprägte Beschaffung lithischer Rohmaterialien mit wenigen, aber dennoch nachgewiesenen Ferntransporten. In chronologischer Hinsicht können die allermeisten Fundstellen nicht näher eingegliedert werden. Die ältesten sicher datierbaren Freilandfundstellen liegen in den Stuttgarter Travertinen vor und korrespondieren mit dem Riss-Würm-Interglazial (MIS 5e). Der Großteil der Fundstellen, die anhand techno-typologischer Kriterien eingeordnet werden, sind mit den Keilmessergruppen zu verknüpfen.
Wie in dieser Arbeit gezeigt werden konnte, existieren trotz widriger Umstände in Baden-Württemberg einige Freilandfundstellen, die ein hohes Potenzial für zukünftige Feldarbeit aufweisen. Es wäre wünschenswert, dass das vorliegende Werk dazu beiträgt, zu einer neuen Wertschätzung gegenüber paläolithischen Fundstellen und Funden außerhalb von Höhlen zu gelangen. Ebenso wäre es erstrebenswert zu neuen Forschungsimpulsen anzuregen, um die Kenntnis über Gemeinsamkeiten oder Unterschiede von Freiland- und Höhlenstationen umfangreich zu erweitern. Die hier zum ersten Mal unternommene Vorlage der mittelpaläolithischen Funde und Fundstellen aus dem Freiland Baden-Württembergs ist ein bislang einzigartiges Unterfangen. Die Arbeit stellt somit hoffentlich ein wichtiges Desiderat und eine wertvolle Grundlage für zukünftige Forschungsarbeiten in der paläolithischen Archäologie Baden-Württembergs dar.