Inhaltszusammenfassung:
Die akute Graft-Versus-Host Disease (aGVHD) ist eine der schwerwiegendsten Komplikationen der allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation, welche bei verschiedenen hämatologischen Krankheitsentitäten (bspw. Akute Myeloische Leukämie oder Myelodysplastische Syndrome) die einzige potenziell kurative Therapieoption darstellt.
Die Prävalenz der aGVHD wird nach Transplantation im MHC-Mismatch mit bis zu 80%
angegeben und tritt sogar im MHC-Match zu 35-45% auf. Dabei manifestiert sich die
Erkrankung insbesondere an Haut, Gastrointestinaltrakt und Leber und durchläuft pathophysiologisch drei Phasen. Hierbei kommt es unter anderem zu einer ausgeprägten Aktivierung, Differenzierung und Proliferation von T-Lymphozyten des Spenders,
insbesondere der Th1-Zellen und damit assoziierten proinflammatorischen Zytokinen wie
IFN-γ und TNFα. Klinisch lassen sich vier Schweregrade anhand der Organschädigung
bzw. betroffenen Körperoberfläche (Haut, Gastrointestinaltrakt, Leber) einteilen. Bei manifester aGVHD werden therapeutisch vor allem systemische Glukokortikoide wie bspw. Prednisolon (1-2 mg/kg/Tag) appliziert, wobei steroidrefraktäre Verläufe der aGVHD in bis zu 50% der Fälle angegeben werden. Zudem stellen unerwünschte Arzneimittelwirkungen bzw. Toxizität der Gabe hochdosierter systemischer Glukokortikoide (arterielle Hypertonie, Hyperglykämie, Immunsuppression) ein weiteres Problem dar. Die demnach wichtige Prophylaxe erfolgt aktuell medikamentös und umfasst die Applikation von Tacrolimus oder Ciclosporin A in Kombination mit Methotrexat oder Mycophenolat Mofetil. Einen weiteren prophylaktischen Therapieansatz stellt die Modifikation des
Transplantates, das sog. Graft Engineering, dar. Im Mausmodell zeigte sich, dass naive
CD45RA+ T-Lymphozyten eine schwerwiegendere aGVHD auslösen als CD45RAneg TGedächtniszellen (sog. Memory T-Zellen). Davon ausgehend konnten Bleakley et al.
nach Transplantation CD45RAneg T-Zellgrafts zeigen, dass die aGVHD einen milderen
Verlauf, keine Erhöhung der Rezidivrate und weiterhin Ansprechen auf Glukokortikoide
aufwies. Trotzdem konnte keine Reduktion der Inzidenz erreicht werden. Untersuchungen unserer Arbeitsgruppe konnten den Oberflächenmarker CD276 (Syn. B7-H3) als
Marker alloreaktiver CD4+ Th1-Zellen in CD45RAneg Zellgrafts identifizieren. Ziel
dieser Arbeit war die funktionelle und molekulare Charakterisierung der alloreaktiven TZellen im CD45RAneg antigenerfahrenen T-Zellkompartment nach zusätzlicher Depletion
CD276+ Zellen. Dafür wurden alloreaktive T-Zellen im transgenen NSG-Ab0 DR4 Mausmodell nach Transplantation unterschiedlicher T-Zellgrafts (CD4+ T-Zellen, CD4+CD45RAneg T-Zellen und CD4+CD45RAnegCD276neg T-Zellen), und in vitro in der unmatched unrelated Mixed Lymphocyte Culture (MLC) Transplantation nach einmaliger Depletion CD45RA+ und metronomischer Depletion CD276+ Zellen untersucht. Die Untersuchungen erfolgten histologisch (HE- und CD3-Färbung), mittels quantitativer real-time PCR (qPCR), Vβ-Spectratyping und Durchflusszytometrie (FACS).
In den histologisch bzw. immunhistochemisch untersuchten murinen Zielgeweben (Leber, Lunge, Kolon) der CD4+CD45RAnegCD276neg Transplantationskohorte konnte eine
deutliche Reduktion bzw. fast komplette Entfernung der Organinfiltration alloreaktiver
T-Zellen, verglichen mit Rezipienten CD4+ und ausschließlich CD4+CD45RAneg Transplantaten, nachgewiesen werden. Die Analyse der Diversität bzw. Komplexität der TCR Repertoires organständiger T-Zellen zeigte zunächst in allen Transplantationskohorten eine Abweichung von der Gauß’schen Normalverteilung (sog. Skewing), mit der größten Ausprägung bei CD4+CD45RAnegCD276neg Rezipienten im DR4-Mismatch Setting. Dafür kann die Depletion von T-Zellen, die DR4 als Fremdantigen erkennen und CD276 exprimieren – alloreaktiven T-Zellen, als ursächlich gesehen werden. Sowohl im murinen Hautgewebe, als auch in der MLC fiel ein Anstieg der GATA-3 und Reduktion der RORC-Genexpression nach CD276-Depletion auf. Dieser Vorgang könnte durch eine beschriebene partielle Hemmung der Th17-Differenzierung durch GATA-3 erklärt werden. Weiterhin konnte jedoch in vitro in der CD4+ Zellfraktion eine erhöhte Anzahl IL17A produzierender Zellen nachgewiesen werden, welche durch CD276-Depletion nicht reduziert werden konnten. Die metronomische Depletion CD276+ Zellen führte in der MLC nicht zu einer zusätzlichen Reduktion der inflammatorischen Antwort, insbesondere der proinflammatorischen Marker IFN-γ und TNFα. Auch die untersuchten Aktivierungsmarker wiesen keine signifikant veränderte Expression auf. Nach metronomischer CD276-Depletion konnte die Anzahl CD276+ Zellen zwar stark reduziert werden, jedoch kam es weiterhin zu deren Reexpression. Die Immunantwort gegenüber Viruspeptiden und Neo- bzw. Fremdantigenen blieb erhalten.
Schließlich konnten wir zeigen, dass durch CD45RA/CD276-Depletion im HLA DR4-
Mismatch eine Reduktion der Schwere der GVHD und Verbesserung des klinischen Outcomes erreicht werden kann. Zudem, dass die CD276-Depletion keine viralen Infektionen, de novo Tumoren oder Rezidive der Grunderkrankung begünstigt. Die praktische Anwendung der Graft-Modifikation stellt jedoch aufgrund von Spendersuche und schrittweiser Durchführung eine klinische Herausforderung dar. Eine mögliche Alternative könnte hier die in vivo Depletion CD276+ Zellen durch Applikation eines monoklonalen Antikörpers darstellen. Weitere Studien müssen zudem die Rolle von CD276 im Immunsystem und Gewebe untersuchen, um eine sichere und wirksame Prävention der GVHD in der Klinik zu ermöglichen.