Inhaltszusammenfassung:
Die ausbleibende Knochenbruchheilung und damit Pseudarthrosen stellen trotz des zunehmenden Verständnisses der Knochenheilung und verbesserten Osteosynthesemöglichkeiten weiterhin eine seltene aber medizinisch und sozioökonomisch große Herausforderung für die Betroffenen dar. Einerseits erfordert die Therapie eine besondere Expertise des behandelnden Chirurgen, andererseits ist der betroffene Patient selbst durch einen langen Leidensweg mit möglicherweise mehrfachen Revisionsoperationen und stationären Krankenhausaufenthalten beeinträchtigt, was wiederum das Gesundheitssystem belastet.
Klassische Einteilungen nach Weber und Cech und Übersichten wie das „Diamond Concept“ [8, 38] bieten zwar Anhaltspunkte für die durchzuführende Therapie einer Pseudarthrose, allerdings ohne Berücksichtigung von Risikofaktoren. Bisherige Therapieverfahren sind sehr therapeutenindividuell, wenig objektiv und kaum standardisiert.
Das von Calori et al. vorgeschlagene Non Union Scoring System (NUSS) versucht eine objektive pseudarthrosen- und patientenindividuelle Therapiestandardisierung unter Berücksichtigung von Risikofaktoren des Knochens, des Weichteilgewebes sowie des Patienten selbst wie Vorerkrankungen, Medikamente und Laborparameter zu etablieren. Aber auch hier werden verschiedene Pseudarthrosenlokalisationen und daraus resultierende spezifische Probleme und Therapiemöglichkeiten nicht berücksichtigt.
Zielsetzung unserer Arbeit war die vollständige Analyse der Therapie und des Outcomes von proximalen Femurpseudarthrosen, beginnend vom initialen Trauma über die Primärosteosynthese und mögliche Folgeoperationen bis hin zur spezifischen Pseudarthrosentherapie. Dabei wurden mögliche Risikofaktoren für eine schlechtere Pseudarthrosenausheilung und verlängerte Ausheilungszeit analysiert.
Spezifisch untersucht wurde die operative Pseudarthrosentherapie mit besonderem Fokus auf die unterschiedlich angewendeten Osteosyntheseverfahren und das operative Repositionsergebnis.
Darüber hinaus war es Ziel der Studie, das von Calori et al. vorgeschlagene NUSS zu evaluieren. Dafür wurde der Score für die klinische Anwendung und spezifisch für proximale Femurpseudarthrosen modifiziert und dessen Therapieempfehlung mit der tatsächlich durchgeführten Therapie, die aufgrund des retrospektiven Charakters der Studie erfasst werden konnte, verglichen. Somit wurde der Vorschlag des modifizierten NUSS zur individuellen risikostratifizierten Therapieplanung bei proximalen Femurpseudarthrosen erarbeitet.
Als signifikante Risikofaktoren für eine schlechtere Pseudarthrosenausheilung ließen sich das weibliche Geschlecht, ein hohes Alter, eine Diuretikatherapie, ein niedriger Hämoglobinwert sowie eine niedrige Erythrozytenzahl identifizieren. Die signifikant beste Ausheilungsrate im Vergleich der Osteosyntheseverfahren wurde mit dem intramedullärem Nagel erreicht.
Einen definitiven Einfluss auf die Ausheilungszeit hatte nur der BMI. So war bei einem BMI von über 25 kg/cm2 die Ausheilungszeit signifikant verlängert.
Für einige weitere Parameter ließ sich ein Einfluss auf die Ausheilungsrate bzw. -zeit erkennen, der aber ohne statistische Signifikanz blieben. So waren bei einer geringeren Anzahl an Vorerkrankungen, einem niedrigen ASA-Score, einer geringen Anzahl an knöchernen Voroperationen und einer Valgisierung des CCD-Winkels zur Wiederherstellung der Anatomie der Trend zur besseren Ausheilung zu erkennen. Ebenso waren viele knöcherne Voroperationen, viele Vorerkrankungen, ein hoher ASA-Score, atrophe und septische Pseudarthrosen und eine nicht durchgeführte Spongiosaplastik tendenziell mit einer längeren Ausheilungszeit assoziiert. Da hier eine statistische Signifikanz aufgrund kleiner Fallzahl nicht nachgewiesen werden konnte, sind weitere Analyse in zukünftigen Studien mit größeren Fallzahlen erforderlich.
Das von Calori et al. vorgeschlagene NUSS wurde modifiziert. In der Analyse zeigte sich mit steigender Punktzahl und höherer Risikogruppe eine tendenziell schlechtere Ausheilungsrate, jedoch ohne statistische Signifikanz.
Bei den einzelnen NUSS-Parametern war eine höhere Punktzahl beim
ASA-Score und dem Weichteilstatus mit einer signifikant verlängerten Ausheilungszeit verbunden.
Im Vergleich der Empfehlung des modifizierten NUSS und der erfolgten Tübinger Therapie zeigte sich kein Unterschied in der Ausheilungsrate, jedoch der Trend zu einer verlängerten Ausheilungszeit, wenn invasiver therapiert wurde als das NUSS vorgeschlagen hätte. Auch hier konnten bei der geringen Fallzahl nur limitiert Signifikanzen erreicht werden. Das von uns vorgestellte modifizierte NUSS für das proximale Femur sollte in zukünftigen Studien weiter evaluiert werden, z.B. auch auf die verwendete Gradzahl der Valgisierung.
Zusammenfassend konnten das NUSS als gutes Klassifikationstool für Pseudarthrosen bestätigt werden. Jedoch zeigte sich auch die Notwendigkeit einer Modifikation für den klinischen Alltag. Des Weiteren scheint es sinnvoll, das NUSS für spezifische Pseudarthrosenlokalisationen bei den erhobenen Parametern und der Therapieempfehlung zu spezifizieren. Für proximale Femurpseudarthrosen schlagen wir das hier beschriebene modifizierte NUSS vor.
Damit ließen sich typische Risikopatienten bei der Therapie von proximalen Femurpseudarthrosen identifizieren. In unserer Arbeit präsentierte sich dieser typische Risikopatient als ältere, adipöse Frau mit einer leichten Anämie, die Diuretika einnimmt.