Inhaltszusammenfassung:
In den kommenden Jahrzehnten werden auf lokaler Ebene Flächennutzungskonkurrenzen und Interessenskonflikte um eine nachhaltige Agrarflächennutzung zunehmen. Steigender Nahrungsmittelbedarf steht einer weltweit sinkenden intakten Agrarflächenverfügbarkeit gegenüber. Gleichzeitig beanspruchen der Siedlungsflächenanstieg (Ausweisung neuer Industrie- und Wohngebiete, Verkehrsinfrastruktur) sowie der für den Klimaschutz notwendige Ausbau von herkömmlichen Photovoltaik-Freiflächenanlagen weitere landwirtschaftliche Nutzflächen. Die Agri-Photovoltaik kann diese Interessenkonflikte zwar teilweise entschärfen, indem sie eine landwirtschaftliche Tätigkeit mit der Solarstromproduktion auf einer Agrarfläche kombiniert.
Doch welches Ressort ist in Deutschland zu welcher Phase im Agri-PV-Innovationsprozess zuständig? Welche Gesetzgebungen wirken innovationshemmend zur Agri-PV-Markteinführung? Wie werden Ambivalenz (Konfliktniveau) und Ambiguität (Unsicherheiten) gegenüber Agri-PV in der Ministerialverwaltung des Bundes bewertet? Welchen Beitrag kann die Agri-PV für den Erhalt von Agrarflächen in Deutschland leisten? Wie müsste eine Agri-PV-Politik aus einem Guss koordiniert sein, damit die Agri-PV-Diffusion gelingt?
Im Arbeitsschwerpunkt Wirtschaft und Politik des inter- und transdisziplinären APV-RESOLA-Projektes wurde eine Policy-Analyse durchgeführt. Hierbei wurden Barrieren der gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Agri-PV-Markteinführung in Deutschland identifiziert. Indem eine Agri-PV-Pilotanlage im realen Umfeld umgesetzt wurde, konnten durch das Baugenehmigungsverfahren kommunalpolitische Widerstände erfasst werden. Auf Landes- und Bundesebene wurden Experteninterviews und Gruppenfachgespräche mit der Ministerialverwaltung, Parlamentariern sowie Vertretenden von Industrie und Interessensverbänden aus Agrar- und Solarwirtschaft geführt. Der Agrarflächenerhalt durch die Substitution von PV-Freiflächenanlagen durch Agri-PV wurde für Deutschland bis 2045 simuliert und Methoden entwickelt, wie im Agrarsektor gemäß Diffusionstheorie die Agri-PV-Innovatoren und Frühen Übernehmer ermittelt werden können.
Insgesamt gingen aus dem Promotionsvorhaben vierzehn Publikationsbeteiligungen hervor. Neun wissenschaftliche Artikel wurden verfasst oder mitverfasst und in begutachteten, international anerkannten Fachzeitschriften publiziert. Vier wissenschaftliche Artikel, die in den Jahren 2020 und 2021 in Fachzeitschriften publiziert wurden, sind Leistungen aus den politikwissenschaftlichen Forschungsarbeiten im APV-RESOLA-Projekt und bieten den roten Faden für die vorliegende kumulative Dissertation.
Sollte der PV-Zubau, wie aktuell im EEG 2023 vorgesehen, auf 475 GWp bis 2045 ansteigen und wie angestrebt 50 % dieser PV-Leistung als PV-FFA auf Agrarflächen umgesetzt werden, würden 208.000 Hektar bzw. durchschnittlich 23,73 Hektar – umgerechnet 33 Fußballplätze – Agrarfläche am Tag für 24 aufeinanderfolgende Jahre durch den PV-FFA-Ausbau beansprucht. Die Simulationsergebnisse zur Agri-PV-Markteinführung ab 2021 zeigen, dass in den kommenden Jahrzehnten über 108.000 Hektar Agrarfläche in Deutschland erhalten bleiben, wenn eine Agri-PV-Diffusion ermöglicht wird, indem sich die politischen Rahmenbedingungen anpassen und Innovationshemmende Politikeigenschaften abgebaut werden.