Inhaltszusammenfassung:
Die Stentbehandlung von Stenosen hat sich in den vergangenen zwei Jahr-zehnten auch in der Kinderkardiologie zur Behandlung von angeborenen kar-diovaskulären Fehlbildungen als komplikationsarme und sichere Therapie etabliert. Dies betrifft insbesondere die Behandlung von Schulkindern, Ju-gendlichen und jungen Erwachsenen, bei denen die Größe der anatomischen Strukturen und der verfügbaren vaskulären Zugangswege die Behandlung mit großlumigen Stents ermöglicht, die eine definitive Behandlung der Stenosen in dieser Patientengruppe erlaubt. Spezielle Probleme ergeben sich in der Stent-Behandlung von Gefäßstenosen bei Säuglingen und Kleinkindern. In der Neonatalperiode kommen entsprechend des kleinen Lumens der Gefäße sehr häufig Koronarstents zur Anwendung, die überwiegend palliativ einge-setzt werden in Behandlungssituationen, die eine Entfernung des Stents bei einem vorausgeplanten weiteren Eingriff beinhalten. Eine auch weiterhin problematische Gruppe bilden Säuglinge und Kleinkinder, bei denen die Ge-fäßpathologie prinzipiell eine Stenttherapie mit längerfristigem und nachhalti-gem Erfolg zulassen würde, sofern es möglich wäre den Stent durch Nachdila-tation an das Größenwachstum des Kindes anzupassen. Die vorliegende Stu-die befasst sich mit den Möglichkeiten der Therapie durch Implantation mittel-großer vormontierter Stents.
Erfasst wurden in dieser retrospektiven Single-Center Studie alle Patienten, bei denen im Zeitraum von 1/2002 bis 6/2016 vormontierte mittelgroße Stents mit einem Durchmesser von 5 – 8 mm in der Abteilung für Kinderkardiologie am Universitätsklinikum Tübingen implantiert worden waren. Der Nachbe-obachtungszeitraum endete am 31.12.2021.
Eingeschlossen wurden 41 Patienten, bei denen 47 Herzkatheteruntersu-chungen zur Behandlung von Stenosen oder Pathologien an 53 Lokalisatio-nen erfolgten. Dabei wurden insgesamt 58 Stents implantiert.
Zum Zeitpunkt der Intervention waren die Patienten im Median 1,94 Jahre alt, das mediane Gewicht betrug 10,3 kg. 27 der 41 Patienten (66 %) wiesen einen biventrikulären Herzfehler auf. In der Mehrzahl der Fälle (19 Patienten) han-delte es sich dabei um Konotrunkusmalformationen wie Pulmonalatresie mit VSD (10 Patienten), Truncus arteriosus communis (5 Patienten) sowie Fallot Tetralogie (4 Patienten). Eine weitere große Patientengruppe waren komplexe Herzfehler bei funktionell univentrikulärem Herzen (14 Patienten, 34 %). In dieser Gruppe dominierten Kinder mit hypoplastischem Linksherz-Syndrom (9 Patienten).
Zum Zeitpunkt der Intervention mit Stentimplantation waren die Patienten in 52 von 53 Fällen bereits operativ oder interventionell vorbehandelt. In 15/53 Fäl-len waren bei den Patienten zuvor operative Eingriffe und in 36 Fällen opera-tive und interventionelle Maßnahmen durchgeführt worden. Ein weiterer Pati-ent war zuvor ausschließlich interventionell behandelt worden. Nur in einem Fall war weder eine vorangehende operative noch eine interventionelle Be-handlung zu verzeichnen.
Unter den Indikationen zur Stentimplantation dominierten Stenosen im Be-reich der Pulmonalarterien mit 40/53 (75 %) der behandelten Pathologien. Zweithäufigste Indikation waren Stenosen im Bereich der Hohlvenen (13 %). In der Regel erfolgte die Behandlung durch Implantation eines einzelnen Stents (49 von 53 Behandlungen, 92 %), in 3 Fällen wurde die Implantation von 2, in einem Fall die Implantation von 3 Stents erforderlich.
Verwendet wurden in dieser retrospektiven Studie zwei unterschiedliche vor-montierte Stents aus Edelstahl bzw. aus einer Kobalt-Chrom-Legierung. Die Durchmesser der implantierten Stents lagen zwischen 5 und 8 mm.
Komplikationen waren in der Behandlung von 5 Stenosen zu verzeichnen (9 %). In 3 Fällen handelte es sich um eine Dislokation des Stents. In zwei wei-teren Fällen kam es zu einer Lungenblutung bzw. zu einem transienten AV-Block Grad III. Keine der Komplikationen führte zu einer anhaltenden Beein-trächtigung oder einem dauerhaften Schaden für die Patienten.
In einem medianen Follow-up Zeitraum von 8,3 Jahren zeigten sich in 8/53 Fällen (15 %) Brüche der implantierten Stents mit Restenosierung in 7/8 Fäl-len. Dies betraf jeweils Behandlungen mit Stents aus Edelstahl, die im Bereich der linken Pulmonalarterie implantiert worden waren. In dieser Lokalisation waren die betroffenen Stents erheblichen externen Kompressionskräften aus-gesetzt. Reinterventionen im Bereich der implantierten Stents wurden in 39 Fällen mit einem medianen Abstand von 4,5 Jahren zur Primärbehandlung erforderlich. Zum Ende des Beobachtungszeitraumes befanden sich die Stents bei 44/53 der behandelten Pathologien (83 %) noch in situ. In 9 Fällen waren die Stents im Rahmen chirurgischer Folgeeingriffe entfernt worden. Im Beobachtungszeitraum verstarben 9/41 behandelten Patienten (22 %). In kei-nem Fall stand der Todesfall in Beziehung zu der interventionellen Stent-Behandlung.
Die Daten der vorliegenden Studie belegen, dass die Implantation mittelgroßer ballonexpandierbarer Stents eine zusätzliche Behandlungsoption darstellt für Säuglinge und Kleinkinder mit komplexen biventrikulären oder univentrikulä-ren Herzfehlern. Die Stentbehandlung war in diesem Patientenkollektiv ein-gebettet in ein Behandlungskonzept, welches primär die Abfolge von mehre-ren aufeinanderfolgenden Behandlungsschritten erfordert. Die interventionel-le Stentimplantation ersetzte häufig andernfalls erforderliche Eingriffe unter Verwendung der Herz-Lungen-Maschine. Ein geringerer Anteil dieser Inter-ventionen, wie z. B. die Beseitigung peripherer Pulmonalstenosen, entzieht sich vollständig den derzeitigen Möglichkeiten einer operativen Therapie. Die Komplexität des behandelten Krankengutes zeigte sich an der hohen Sterb-lichkeit von 22 % im mittelfristigen Verlauf.
Ein Problem, welches in der zukünftigen Verbesserung mittelgroßer Stents berücksichtigt werden sollte, sind die in der vorliegenden Studie beobachteten relativ häufigen Frakturen von Stents aus Edelstahl. Da sich diese Frakturen durch externe Kompression erklären lassen, sollten zukünftige Modifikationen der bestehenden Stents oder Neuentwicklungen darauf abzielen, eine besse-re radiäre Stabilität der Stents zu erreichen. Diese würde die Notwendigkeit durch Stentfraktur bedingter Folgeeingriffe deutlich reduzieren und das Be-handlungskonzept von Patienten mit komplexen biventrikulären und uni-ventrikulären angeborenen Herzfehler erheblich verbessern.