Der Einsatz eines Druckverbandes zur Vermeidung postoperativer Komplikationen nach elektiver Kraniotomie: Eine prospektive randomisierte Studie

DSpace Repositorium (Manakin basiert)


Dateien:

Zitierfähiger Link (URI): http://hdl.handle.net/10900/143606
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-1436064
http://dx.doi.org/10.15496/publikation-84950
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2023-07-24
Sprache: Deutsch
Fakultät: 4 Medizinische Fakultät
Fachbereich: Medizin
Gutachter: Ebner, Florian (Prof. Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2023-05-26
Freie Schlagwörter: Kopfverband
Druckverband
Kraniotomie
Liquorfistel
Komplikationen
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=en
Zur Langanzeige

Inhaltszusammenfassung:

Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, welche klinische Relevanz ein Druckverband nach einer elektiven Kraniotomie in Bezug auf die Entstehung postoperativer Komplikationen, insbesondere der Liquorfistel, hat. Seit Beginn der Durchführung moderner therapeutischer Kraniotomien erfolgt postoperativ die Anlage eines Druckverbands um den Kopf zur Wundbedeckung. Dies wird in den letzten Jahren aus unterschiedlichen Gründen (nicht belegter medizinischer Nutzen, Wirtschaftlichkeit, verschiedene Möglichkeiten der Wundbedeckung) in Frage gestellt, sodass derzeit aufgrund fehlender wissenschaftlicher Kenntnisse die Wundbedeckung einer Kraniotomie in jeder neurochirurgischen Klinik und sogar von jedem Operateur unterschiedlich gehandhabt wird. Daher wird eine prospektive randomisierte Studie an der Universitätsklinik Tübingen in der Klinik für Neurochirurgie durchgeführt mit der Hypothese: Die Anlage eines Druckverbands für drei Tage nach elektiver Kraniotomie verringert die Rate an postoperativen Komplikationen. Dem gegenüber steht die Nullhypothese, dass die Rate an postoperativen Komplikationen sich nicht zwischen Anlage eines Druckverbandes oder eines selbstklebenden Pflasterverbands unterscheidet. Die durchgeführte Studie ist die erste dieser Art, welche die beiden Gruppen Patientinnen und Patienten mit Druckverband und Patientinnen und Patienten mit ausschließlich Pflasterverband direkt miteinander vergleicht. Diese Arbeit stellt eine Zwischenauswertung der Studie nach Rekrutierung von 118 Probandinnen und Probanden, von denen 103 in die Auswertung eingeschlossen werden können, dar. Darunter befinden sich 56 Frauen und 47 Männer im Alter über 18 Jahre. Nach Einwilligung in die Teilnahme der Studie werden die Patientinnen und Patienten wie geplant an der jeweils vorliegenden Pathologie mittels einer Kraniotomie operiert. Nach Verschluss der Wunde wird ein Briefumschlag, der präoperativ in die Patientenakte gelegt worden ist, geöffnet. Dieser enthält einen Zettel mit der Angabe zur Art der Wundbedeckung (Druckverband vs. Pflasterverband), welche daraufhin angelegt wird. In den ersten drei Tagen werden die Patientinnen und Patienten mittels eines Fragebogens nach der Intensität ihrer Kopfschmerzen und ihrer Zufriedenheit mit der angelegten Kopfbedeckung gefragt. Zudem erfolgt täglich eine Wundkontrolle, um gegebenenfalls aufgetretene Komplikationen festzustellen. Drei Monate nach der Operation werden alle Patientinnen und Patienten zu einer ambulanten Nachkontrolle einbestellt, sodass bis dahin aufgetretene Komplikationen erfasst werden können. Neben diesen Ergebnissen werden die jeweilige Aufenthaltsdauer und der operative Zugangsweg zur statistischen Auswertung erfasst. Insgesamt sind die Daten von 103 Probandinnen und Probanden statistisch ausgewertet. Die Haupthypothese, dass durch die Anlage eines Druckverbandes an den ersten drei postoperativen Tagen nach einer elektiven Kraniotomie weniger Komplikationen auftreten als bei einem alleinigen Pflasterverband, lässt sich statistisch nicht bestätigen. Es zeigt sich, dass es keinen signifikanten Unterschied für das Risiko von Komplikationen bei den beiden überprüften Wundbedeckungsarten sowohl an den ersten drei postoperativen Tagen als auch in den ersten drei Monaten nach der Operation gibt. Die am häufigsten aufgetretene Komplikation ist das Monokelhämatom unabhängig von der Art der Wundbedeckung. Dieses tritt meist in den ersten drei postoperativen Tagen und meist nur bei Kraniotomien mit Zugängen zur vorderen Schädelgrube auf. Wundinfektionen oder Liquorfisteln entwickeln sich erst im späteren postoperativen Verlauf. Als sekundäre Endpunkte finden die Erhebung der Kopfschmerzintensität mittels der Numerischen Rating Skala und die Erhebung des Komforts der jeweiligen Wundbedeckung anhand einer Likert-Skala sowie die Dokumentation der Aufenthaltsdauer statt. Die Kopfschmerzintensität nimmt unabhängig von der Wundbedeckung vom ersten bis zum dritten postoperativen Tag gleichermaßen ab. Ein signifikanter Unterschied zwischen den Kopfschmerzintensitäten zum selben Zeitpunkt in den beiden Randomisierungsarmen lässt sich statistisch nicht beweisen. Ebenso differiert die Aufenthaltsdauer der beiden Gruppen nicht. Probandinnen und Probanden, die einen alleinigen Pflasterverband erhalten haben, sind überwiegend zufrieden mit dem Komfort und geben das Item „stört nicht“ auf der vorgelegten Likert-Skala an. Dagegen gibt es einige der Probandinnen und Probanden mit Druckverband, die aufgrund der Schmerzen durch den Verband diesen beinahe komplett entfernt bekommen und somit keine weiteren Ergebnisse für unsere Studie geliefert hätten. Dieses Ergebnis bestätigt auch die statistische Auswertung. Auch konnten Komplikationen, die durch die Anlage des Druckverbandes hervorgerufen wurden, dokumentiert werden. Bei der Berechnung der Materialkosten des alleinigen Pflasterverbands im Vergleich zu einem Druckverband zeigen sich große Unterschiede. Zusammenfassend kann nach dieser Studie festgestellt werden, dass die bisher ausgewerteten Fälle keinen statistisch signifikanten Unterschied in Bezug auf die Anzahl und Art der Komplikationen, die Kopfschmerzintensität und auch die Aufenthaltsdauer im Vergleich der beiden Wundbedeckungsarten zeigen. Signifikant unterscheidet sich der Komfort der Wundbedeckungen zugunsten des alleinigen Pflasterverbandes. Ähnliche Ergebnisse konnten in Studien anderer Fachdisziplinen, wie der Orthopädie, festgestellt werden. Um eine allgemeingültigere Aussage machen zu können, ist die Fortführung dieser Studie gegebenenfalls auch an mehreren Kliniken mit größerem Stichprobenumfang und erweitertem Probandenkollektiv notwendig. Sollte sich das Ergebnis in weiteren Studien bestätigen, wäre es sinnvoll, nach Abwägen aller Risiken die Anlage eines Pflasterverbands zu bevorzugen. Denn hierunter zeigte sich eine deutlich höhere Patientenzufriedenheit in Bezug auf den Komfort. Auch ist ein Pflasterverband mit niedrigeren Kosten und geringerem personellem Aufwand verbunden und es können Ressourcen in Anschaffung, Lagerung und Entsorgung eingespart werden. Gegebenenfalls lässt sich auch ein psychologischer, gesundheitsfördernder Effekt erzielen, da die durch einen Pflasterverband bedeckte Fläche des Kopfes kleiner ist als die Fläche, welche durch einen Druckverband bedeckt wird. Auch wenn der Druckverband dem Pflasterverband in wirtschaftlicher, psychologischer und den Komfort betreffender Sicht unterlegen ist, stellt er eine wirksame therapeutischen Maßnahme bei einigen Komplikationen nach Kraniotomien dar und sollte daher keinesfalls in Vergessenheit geraten.

Das Dokument erscheint in: