dc.contributor.advisor |
Scholl, Annika (PD Dr.) |
|
dc.contributor.author |
Brand, Ann-Kathrin |
|
dc.date.accessioned |
2023-06-26T10:10:09Z |
|
dc.date.available |
2023-06-26T10:10:09Z |
|
dc.date.issued |
2023-06-26 |
|
dc.identifier.uri |
http://hdl.handle.net/10900/142575 |
|
dc.identifier.uri |
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-1425754 |
de_DE |
dc.identifier.uri |
http://dx.doi.org/10.15496/publikation-83921 |
|
dc.description.abstract |
Über moderne Medien können Nachrichten in Sekundenschnelle geteilt werden, oftmals noch bevor ihr Inhalt ausreichend bestätigt ist. Diese Tendenz kann sich verstärken, wenn die Nachfrage nach Informationen groß ist, wie im Falle unerwarteter Katastrophen oder neuer Krankheiten, die sich pandemisch ausbreiten. Doch selbst wenn spekulative Inhalte durch Unsicherheitsausdrücke (z. B. „könnte“) in den Nachrichten offengelegt werden, bleiben ihre Erinnerungskonsequenzen unklar. In dieser Arbeit wurde untersucht, wie Rezipienten subtile, aber entscheidende Unterschiede in der Wortwahl berücksichtigen und reproduzieren, die anzeigen, ob der Inhalt eines Artikels lediglich spekulativ und noch unbestätigt oder durch Untersuchungen bestätigt ist. 13 Experimente liefern hierfür die empirische Grundlage.
Psychologische Modelle zur mentalen Verarbeitung und Erinnerung spekulativer Sprache (z.B. „Brandstiftung könnte das Feuer verursacht haben“) sind bisher kaum vorhanden. Erkenntnisse aus angrenzenden Bereichen könnten jedoch zu ersten Hypothesen anregen, die in ihrer Richtung gegensätzlich sind. Einerseits deuten einige Studien darauf hin, dass Menschen dazu neigen, Ausdrücke von Unsicherheit und Spekulation zu vergessen, während sich die Erinnerung an faktische Formulierungen als vergleichsweise robust und wenig fehleranfällig erweisen sollte. Diese Perspektive stützt sich auf Modelle und Erkenntnisse des verwandten Feldes der Negationsforschung. Diese Modelle konzeptualisieren jedoch die einzelne spekulative Formulierung als Untersuchungseinheit und vernachlässigen somit, dass der Bericht von Spekulationen auch weiterreichende Effekte nach sich ziehen könnte. Auf dieser potenziellen Einschränkung baut eine zweite Perspektive auf, die in dieser Arbeit eingenommen wird. Aus dieser Perspektive wird Unsicherheit nicht notwendigerweise (nur) auf der Ebene einer einzelnen Aussage oder Schlagzeile erinnert, sondern kann auch artikelübergreifende Effekte hervorrufen – das heißt, sie kann die Rezeption und Erinnerung an inhaltlich unzusammenhängende Nachrichten beeinflussen. Könnte die gemischte Präsentation von Spekulationen und Fakten die erinnerte Sicherheit letzterer verringern?
In drei Experimentalreihen, die die Kapitel dieser Dissertation bilden, habe ich beide Effekte getestet, indem ich untersuchte, ob Unsicherheit nach einer Weile vergessen wird (Kapitel 2) oder sich über Erinnerungen hinweg ausbreitet (Kapitel 3). Meine dritte Experimentalreihe (Kapitel 4) kombiniert die verschiedenen Perspektiven der vorangegangenen Kapitel, indem sie potenzielle Ausbreitungseffekte – ausgelöst durch das Untermischen von Spekulationen – mit denen von Negationen vergleicht. Letztere bildeten den theoretischen Ausgangspunkt dieser Arbeit. Alle Experimente hatten ein ähnliches Design: Die Teilnehmer lasen eine Mischung aus verschiedenen Kurznachrichten, die teils faktische, teils spekulative und teils negierte Erklärungen berichteten. Nach einer kurzen Ablenkungsphase mussten diese Artikel mit Hilfe verschiedener Gedächtnismaße (Wiedererkennung und hinweisbasierte Wiedergabe) erinnert oder ihre subjektive Richtigkeit beurteilt werden. Im Unterschied zu früheren Arbeiten, die ein Vergessen von Unsicherheitshinweisen nahelegen, stützen meine Ergebnisse durchweg die alternative Sichtweise einer Ausbreitung von Unsicherheit. Sie zeigen, dass ein Untermischen von Spekulationen dazu führen kann, dass auch Fakten zu einem späteren Zeitpunkt als reine Spekulation erinnert werden. Darüber hinaus konnte ich zeigen, dass sich Spekulationen in Bezug auf artikelübergreifende Effekte grundlegend von Negationen unterscheiden.
Im Detail prüfte meine erste Experimentalreihe (Kapitel 2), ob Unsicherheit vernachlässigt wird und im Gedächtnis mit der Zeit abnimmt. Meine ersten beiden Experimente zeigten, dass sowohl spekulative als auch faktische Formulierungen den Glauben der Teilnehmer an die Richtigkeit der präsentierten Erklärungen in ähnlichem Maße verstärkten (verglichen mit dem Erhalt keinerlei Erklärungen). Entscheidend ist jedoch, dass diese ähnlichen Effekte nicht in erster Linie durch eine Tendenz zur Vernachlässigung von Unsicherheitshinweisen (wie sie bei Spekulationen gegeben sind) hervorgerufen wurden. Stattdessen deuteten vier zusätzliche Gedächtnisexperimente (Wiedererkennung und hinweisbasierte Wiedergabe) auf eine umgekehrte Verzerrung hin, als sie von Modellen der Negationsforschung nahegelegt wird. Die Teilnehmer neigten dazu, eine zuvor gelesene „Tatsache“ später fälschlicherweise als bloße Spekulation zu behandeln, zu erinnern und zu reproduzieren (statt den umgekehrten Fehler zu machen). Könnte das Vorhandensein von Spekulationen die erinnerte Sicherheit faktisch formulierter Nachrichten verringert haben?
Meine zweite Experimentalreihe (Kapitel 3) untersuchte dies, indem die Zusammensetzung der präsentierten Nachrichten manipuliert wurde. In allen vier Experimenten und für verschiedene Erinnerungsmaße (Wiedererkennung und hinweisbasierte Wiedergabe) fand ich konsistente Belege für die Hypothese, dass sich Unsicherheit ausbreitet. So verringerte das Lesen von Spekulationen die erinnerte Sicherheit von gemeinsam präsentierten Fakten, während der Effekt des Lesens von Fakten auf die Erinnerung von Spekulationen weniger ausgeprägt war. Eine derartige Ausbreitung von Unsicherheit trat auch dann auf, wenn die Teilnehmer beide Arten von Nachrichten in separaten Blöcken lasen (z. B. wenn alle faktischen Nachrichten zuerst präsentiert wurden). Dies lässt Rückschlüsse auf die zugrunde liegenden kognitiven Prozesse zu: Spekulationen in Nachrichten scheinen nicht spezifisch die Enkodierung anderer Nachrichten zu beeinflussen, sondern vielmehr bereits gespeicherte Erinnerungen zu überschatten, indem sie zum Beispiel die Art und Weise verändern, wie diese Erinnerungen abgerufen werden.
Meine dritte Experimentalreihe (Kapitel 4) zeigte, dass der negative Einfluss von Spekulationen auf das Erinnern von Faktizität besonders ist und sich von dem Einfluss von Negationen grundlegend unterscheidet. Sie verband damit beide Perspektiven meiner vorherigen Studien. In drei Experimenten fand ich heraus, dass Negationen im Gegensatz zu spekulativen Nachrichten keine Ausbreitungseffekte hervorriefen, d.h., weder dazu führten, dass Fakten als negiert noch als unsicher erinnert wurden (oder nur in vernachlässigbarem Ausmaß). Diese Diskrepanz könnte dadurch erklärt werden, dass die geistigen Repräsentationen von Negationen und faktischen Formulierungen unterschiedlicher sind als die von Vermutungen und faktischen Formulierungen. Zudem scheint weniger Erinnerungsevidenz erforderlich, um faktische Formulierungen als solche zu erinnern, wenn sie zuvor gemeinsam mit Negationen statt mit Spekulationen gelesen wurden.
Ausgehend von diesen Ergebnissen schlage ich vor, dass nicht die Gemeinsamkeiten, sondern die Unterschiede zwischen Negationen und Spekulationen entscheidend für die Entwicklung von Theorien darüber sind, wie Menschen unsichere Informationen geistig repräsentieren und erinnern. Außerdem komme ich zu dem Schluss, dass Erinnerungen an faktische Formulierungen weniger robust sind, als in klassischen Sprachverarbeitungsmodellen angenommen wird. Stattdessen scheinen Gedächtnisverzerrungen in Bezug auf faktische Formulierungen kontextabhängig zu sein, da sie von der Mischung der präsentierten Nachrichten abhängen und insbesondere dann auftreten, wenn auch Spekulationen berichtet wurden. Auf diese Weise stellen meine Ergebnisse bestehende Modelle in Frage, die sich bisher nur auf eine binäre Unterscheidung zwischen wahr und falsch konzentrieren und erweitern sie. Aus praktischer Sicht stellt die Ausbreitung von Unsicherheit eine Herausforderung bei der Vermittlung von bestätigten Nachrichten dar. Spekulationen sollten daher mit Bedacht berichtet werden. |
de_DE |
dc.description.abstract |
Via modern media, news can be shared in a matter of seconds, often even before its contents are sufficiently confirmed. This tendency might be amplified if the demand for information is high, such as in the case of unexpected disasters or new diseases that pandemically spread. Yet, even if speculative contents are disclosed by uncertainty expressions (e.g., “might”) in the news, it remains unclear what memory consequences their presence could hold. This thesis addressed how recipients consider and reproduce subtle but critical differences in wording, indicating whether an articles’ content is merely speculative and yet unconfirmed or confirmed through investigations. 13 Experiments provide the empirical basis for this. Thus far, psychological models on the mental processing and memory of speculative language (e.g., “Arson might have caused the fire”) are scarce. Yet, findings from adjoining fields could inspire initial hypotheses that are contradictory in direction. On the one hand, some research suggests that people may tend to forget uncertainty expressions, whereas the memory of facticity should prove robust and less prone to error. This perspective draws on models and findings from the related case of negation. However, these models conceptualize the uncertain statement as the unit of inquiry and thus neglect that speculations could also evoke more far-reaching effects. A second perspective taken in this thesis builds upon this potential constraint. From this perspective, uncertainty is not necessarily (only) remembered at the level of an individual statement or headline but can also elicit cross-item effects – that is, it can affect the reception and memory of unrelated pieces of news. Could intermingling speculations decrease the remembered certainty of jointly reported facts? Across three manuscripts that comprise the chapters of this dissertation, I tested both proposed effects by investigating whether uncertainty might be forgotten after a while (Chapter 2) or spreads across memories (Chapter 3). My third manuscript (Chapter 4) combines the different perspectives of the previous chapters by testing how potential spreading effects – triggered by intermingling speculations – compare with those of negations, which formed the starting point of this work. All experiments had a similar design: The participants read a mixture of different short news articles, some of them reporting factual, some speculative, and some negated explanations. After a brief distraction phase, these articles had to be remembered using different memory measures (recognition and cued recall), or their subjective accuracy was assessed. Opposing the work in harmony with the first perspective (i.e., a forgetting of uncertainty cues), my results consistently support the latter view, showing that intermingling speculations can lead facts to be remembered as mere speculation at a later point in time. Furthermore, I showed that in terms of cross-item effects, speculations differ from negations fundamentally. In detail, my first series of experiments (Chapter 2) aimed to test whether uncertainty is neglected and tends to decay in memory over time. Addressing this question, my first two experiments indicated that both speculative, and factual formulations enhanced the participants’ belief in the correctness of the presented explanations to a similar degree (compared with receiving no explanations at all). Crucially, however, these similar effects were not primarily provoked by a tendency to neglect uncertainty cues (as given in speculations). Instead, four additional memory experiments (recognition and cued recall) indicated an inverse distortion than was predicted by negation models. Participants tended to falsely treat, remember and reproduce a previously read “fact” as mere speculation later on (more so than falling for the reverse mistake). Could the presence of speculation have decreased the remembered certainty of factual news presented among them? My second experimental series (Chapter 3) tested this by manipulating the composition of presented news. I found consistent evidence supporting the hypothesis that uncertainty spreads across all four experiments and different memory measures (recognition and cued recall). In detail, having read speculations lead the participants to remember facts as speculations, whereas the effect of having read facts on the memory of speculations was less pronounced. An uncertainty spreading emerged even when the participants encountered both types of news in a bock-wise manner (e.g., when all factual pieces of news were presented first). This allows conclusions on the underlying cognitive processes: Speculations in the news seem to not specifically alter the encoding of other messages but can overshadow memories that had been already stored, for instance, by changing how these memories are retrieved. My third experimental series (Chapter 4) showed that the detrimental influence of speculations on remembering facticity is unique and different from that of negations, and thereby connected both perspectives of my previous studies. Across three experiments, I found that, unlike speculative news, negations did not provoke any spreading effects, neither causing facts to be remembered as negated nor as uncertain (or did so only at a negligible level). This difference could be explained by more distinct mental representations of negations and facts and a lower memory strength needed to remember facts as such if they were read among negations (instead of speculations) before. Following these results, I propose that not the commonalities but the differences between negations and speculations are crucial for theory development about how humans mentally represent and remember uncertain information. Further, I conclude that memories on facts are less robust than presumed in classical language processing models. Instead, memory biases concerning factual formulations seem to be context-driven, as they depend on the mixture of presented news and specifically emerge when speculations are present. In this way, my findings question and extend existing models that focus so far only on a binary distinction between true and false. From a practical perspective, uncertainty spreading poses a challenge in getting confirmed news across. Speculation should therefore be reported with caution. |
en |
dc.language.iso |
en |
de_DE |
dc.publisher |
Universität Tübingen |
de_DE |
dc.rights |
ubt-podok |
de_DE |
dc.rights.uri |
http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de |
de_DE |
dc.rights.uri |
http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en |
en |
dc.subject.classification |
Unsicherheit , Vermutung , Schlagzeile , Nachrichtensendung , Negation , Psycholinguistik , Verzerrung , Erinnerung , Gedächtnis , Vergessen |
de_DE |
dc.subject.ddc |
150 |
de_DE |
dc.subject.other |
uncertainty |
en |
dc.subject.other |
speculation |
en |
dc.subject.other |
negation |
en |
dc.subject.other |
news |
en |
dc.subject.other |
headlines |
en |
dc.subject.other |
memory biases |
en |
dc.title |
Beyond Reasonable Doubt? When Uncertainty Spreads Across Pieces of News |
en |
dc.type |
PhDThesis |
de_DE |
dcterms.dateAccepted |
2022-06-20 |
|
utue.publikation.fachbereich |
Psychologie |
de_DE |
utue.publikation.fakultaet |
7 Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät |
de_DE |
utue.publikation.noppn |
yes |
de_DE |