Inhaltszusammenfassung:
Nosokomiale Infektionen stellen eine in vielen Fällen vermeidbare Komplikation einer stationären Behandlung dar. Insbesondere Infektionen, die durch multiresistente Erreger hervorgerufen werden, erfordern den vermehrten Einsatz von Reserveantibiotika sowie aufwändige Isolationsmaßnahmen, wodurch Belastungen sowohl für Patienten als auch das Gesundheitssystem entstehen. Neben der Verlängerung des Krankenhausaufenthalts bedingen Infektionen mit resistenten Erregern zusätzlich eine erhöhte Morbidität und Mortalität (Neidell et al. 2012). Die Aufdeckung von Erregerreservoiren sowie Übertragungswegen stellt ein wichtiges Element der Infektionsprävention dar. Um Transmissionen in einem nutzbaren Zeitrahmen zu überwachen, bedarf es allerdings eines effizienten Surveillance-Systems. Dafür ist neben der Kenntnis epidemiologischer Daten ein schnelles und zuverlässiges Typisierungsverfahren notwendig. Whole Genome Sequencing (WGS) gilt mittlerweile aufgrund des hohen Auflösungsvermögens als Goldstandard zur Typisierung bakterieller Erreger. Der hohe Zeit- und Kostenfaktor dieser Methodik schränkt den Einsatz für Echtzeit-Untersuchungen derzeit noch ein (Salipante et al. 2015; Sabat et al. 2013). In der Vergangenheit wurde bereits in mehreren Studien die Anwendbarkeit der Fourier-Transform-Infrarot (FTIR) Spektroskopie zur Typisierung von Erregern belegt (Dinkelacker et al. 2018; Novais et al. 2019; Vogt et al. 2019; Martak et al. 2019). Die Spektren eines bakteriellen Isolats ergeben sich aus der chemischen Zusammensetzung der bakteriellen Zelle und ermöglichen so im besten Fall den Rückschluss auf genetische Verwandtschaft. Durch die Einfachheit und Schnelligkeit stellt die FTIR Spektroskopie eine attraktive Methode für eine Echtzeit-Surveillance dar.
Ziel dieser Arbeit war es, die Praktikabilität sowie die Ergebnisqualität der FTIR Spektroskopie im Vergleich mit WGS zu evaluieren. In einem ersten Versuch wurde die Reproduzierbarkeit der Spektren anhand von 115 Bakterienstämmen untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass die Kultivierung unter Standardbedingungen die Reproduzierbarkeit der Spektren erhöht. Bei der Simulation einer Transmissionssurveillance wurden 1543 Bakterienisolate (45 Spezies) aus der mikrobiologischen Routinediagnostik gesammelt. Davon
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erfüllten 103 Isolate die epidemiologischen Kriterien einer möglichen Transmission und wurden jeweils mittels FTIR Spektroskopie sowie SNP-Phylogenie analysiert. Zusätzlich wurden die Informationen für konventionelle genetische Typisierungsverfahren (MLST, Kapseleigenschaften bzw. spa-Typisierung) aus den sequenzierten Genomen extrahiert.
Beim Vergleich der FTIR Spektroskopie mit dem Goldstandard WGS konnte gezeigt werden, dass die Aussagekraft bezüglich des Vorliegens einer Transmission von der Spezies abhängig ist. So wurde bei den Spezies Klebsiella pneumoniae (n = 12, 17 potentielle Transmissionen), Enterobacter cloacae Komplex (n = 24, 30 potentielle Transmissionen), Acinetobacter baumannii Komplex (n = 4, 4 potentielle Transmissionen) und Stenotrophomonas spp. (n = 2, 1 potentielle Transmission) beim Vergleich der beiden Methoden eine Sensitivität von 77 - 100 % (richtig positive Ergebnisse) erreicht. Die Übereinstimmung des Clusterings anhand der FTIR Spektren verglichen dem Clustering durch Genomanalysen war ebenfalls speziesabhängig. Bei allen Spezies zeigten sich Diskrepanzen zwischen spektralen und phylogenetischen Ähnlichkeiten von Isolaten. Es wurden sowohl genetisch verwandte Isolate aufgrund unterschiedlicher Spektren nicht als solche erkannt, wie auch genetisch unterschiedliche Isolate fälschlicherweise einem Cluster zugeordnet. So war bei der Spezies Pseudomonas aeruginosa (n = 26, 14 potentielle Transmissionen) zwar der Ausschluss von Übertragungen stimmig, jedoch zeigten sich anhand FTIR Spektroskopie Ähnlichkeiten, welche WGS nicht belegen konnte. Dies war auch bei Staphylococcus aureus (n = 35, 28 potentielle Transmissionen) der Fall, wodurch 15 % falsch positive Ergebnisse erzielt wurden.
Zusammenfassend konnte durch diese Arbeit gezeigt werden, dass der Einsatz der FTIR Spektroskopie zur Transmissionssurveillance nicht bei allen bakteriellen Spezies ein befriedigendes Ergebnis erzielt, was das Potenzial der Methode als universelles Typisierungs-Werkzeug einschränkt.