Inhaltszusammenfassung:
Die Technologie der Zellkultivierung hat durch die Etablierung dreidimensionaler Zellkulturen große Fortschritte gemacht. Die sogenannten Organoide entstehen u.a. aus Stammzellen und können durch die Kultivierung in spezifischen Nährmedien Gewebe aller drei Keimblätter modellieren. Diese Organoide sollen die Verhältnisse in vivo exakter abbilden als herkömmliche 2D-Kulturen, sodass die Anwendung dieser Technik für zahlreiche Bereiche, wie z.B. Modellierung von Erkrankungen oder Arzneimitteltests, großen Anklang findet.
Ziel dieser Arbeit war es die beschriebene Technik der Organoid-Zellkultivierung auf Zellen des Endometriums verschiedener Grunderkrankungen bzw. Indikationen zur operativen Therapie anzuwenden. Die dabei generierten Endometrium-Organoide wurden charakterisiert und auf Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten untersucht. Dazu wurde ein Kollektiv bestehend aus 47 Patientinnen mit folgenden Diagnosen aufgebaut: Abort, Adenomyose, Deszensus uteri, Endometriose, Endometriumkarzinom, Interruptio und Uterus myomatosus. Zunächst wurden Gewebeproben benigner Veränderungen des Endometriums (Abort, Adenomyose, Deszensus uteri, Interruptio, Uterusmyomatosus) kultiviert. Anschließend wurde versucht pathologisch verändertes Endometrium (Endometriose, Endometriumkarzinom) anzusetzen.
Die Kultivierung von benignem Endometrium gelang über mehrere Monate mit einer Gesamterfolgsrate von 88%. Auftretende Schwierigkeiten wie das Wachstum von Fibroblasten oder das Wachstum der Organoide am Boden konnten durch die Anpassung des Passagierens, als auch durch die Optimierung des Nährmediums minimiert werden. Im Rahmen durchgeführter Nährmediumversuche wurde festgestellt, dass fetales Kälberserum (FCS) einen negativen Einfluss auf Endometrium-Organoide aufweisen könnte. Gemäß dieser Vermutung, welche bereits Kopper et al. 2019 beschrieben, wurde FCS im Verlauf aus dem Nährmedium entfernt.
Die lichtmikroskopischen, als auch histologischen Untersuchungen ergaben eine Übereinstimmung des Phänotyps und des zellulären Aufbaus der benignen Organoide untereinander. Unabhängig von Zyklusphase, Menopausenstatus, als auch der Grunderkrankung, bildeten die Organoide zystische Strukturen mit einem zentralen Lumen. Die verschiedenen Entitäten konnten mit den verwendeten Untersuchungsmethoden nicht voneinander differenziert werden.
Die Kultivierung von pathologisch verändertem Endometrium erwies sich problematischer als Endometrium benigner Herkunft. Es gelang Gewebeproben von Karzinomzellen aus Endometriumkarzinomen anzusetzen, wobei die Erfolgsrate mit 50% deutlich geringer als bei benignem Endometrium ausfiel. Für Endometriose-Organoide wurden Douglas-Spülzytologien gesammelt, pelletiert und angesetzt. Mithilfe dieser Methode gelang es endometriumähnliche Organoide zu kultivieren, jedoch konnte diesen keine eindeutige Entität zugeordnet werden. Es ist daher unklar, ob es sich um Endometriose-Organoide handelte. Dahingehend wird von der Verwendung von Spülzytologien abgeraten und stattdessen Gewebeproben gesicherter Endometrioseherde empfohlen, welche ebenfalls exemplarisch kultiviert wurden.
Die vorgestellten Ergebnisse als auch die verwendete Zellkultivierungstechnik wurden im Kontext des aktuellen Forschungstandes betrachtet und anhand ausgewählter Gesichtspunkte (u.a. das Patientenkollektiv, die Gewebeproben, das Nährmedium, die Extrazellulärmatrizen, das Einfriermedium) kritisch erörtert. Überdies wurde diskutiert, ob Organoide ein geeignetes Modell für maligne veränderte Entitäten darstellen.
Dennoch ist dieses Modell nicht frei von Unzulänglichkeiten und eröffnet interessante Möglichkeiten zur Optimierung. Dazu gehört die Verwendung von Ko-Kulturen wie z.B. Stromazellen. Dadurch könnten Organoide die Architektur ihrer Herkunftsorgane individueller nachbilden. Es würde zudem die Zellkultur um weitere Zellpopulationen erweitern und so dem Modell eine verbesserte Mikroumgebung schaffen. Da Matrizen tierischen Ursprungs problematisch sein könnten, ist die Verwendung von synthetischen Hydrogelen ebenfalls ein wichtiger Schritt, um das Organoidmodell langfristig für den klinischen Einsatz tauglich zu machen. Des Weiteren sollte zusätzlich zu den genannten Aspekten das vorgestellte Modell in Folgestudien mit größeren Stichproben weiterentwickelt werden, sodass die gewonnenen Ergebnisse eine größere Aussagekraft erreichen.
Zusammenfassend bietet das Tübinger Modell bereits in seiner aktuellen Form einen Beitrag zum umfassenden Forschungsfeld der Organoide, der Erforschung des Endometriums in seinen vielfältigen Ausprägungsformen und seinen malignen Veränderungen. Aufbauend auf diese Arbeit, sollte dieses Modell optimiert und weiterentwickelt werden, um langfristig einen Einzug in die translationale Forschung zu ermöglichen.