Inhaltszusammenfassung:
Mit dieser Doktorarbeit habe ich die Zufuhr von Cholin, ARA und DHA über die MM und die Korrelation dieser Werte mit deren Konzentration im Plasma Frühgeborener untersucht. Ziel war, herauszufinden welchen Stellenwert Muttermilch als Lieferant dieser, für Frühgeborene essenziellen, Nährstoffe hat und das Verständnis über die Variationen im Gehalt dieser Nährstoffe, ihrer Metabolite sowie die Interaktion mit anderen Fettsäuren zu erweitern. Ausgehend für diese Untersuchungen ist die Hypothese, dass sich die Entwicklung von FG durch eine höhere Zufuhr der kritischen essenziellen Nährstoffe Cholin und der mehrfach ungesättigten Fettsäuren ARA und DHA verbessert.
In diese Studie wurden 24 FG mit einem Gestationsalter unter 32W eingeschlossen. Die Behandlungen bestanden aus 4 Behandlungsarmen. Eine Gruppe erhielt 30mg/kg/d Cholin, eine 60mg/kg/d DHA eine weitere Cholin + DHA für jeweils 10 Tage vs. standardernährte Kontrollgruppe. Außerdem wurden täglich MM-Proben entnommen und an drei Tagen Plasmaproben der FG. Die Ernährung der FG mit MM, Formula, weiteren Nahrungsergänzungen und dem Studiensupplement sowie das Tagesgewicht und postnatale Alter wurden ermittelt. Somit konnte, neben der Zufuhr über die MM, auch die Zufuhr über die gesamte Nahrung berechnet werden. Cholin, seine Derivate und die Phospholipide in der MM wurden mittels Flüssigkeitschromatgraphie und tandem-massenspektrometrischer Analyse untersucht, die Neutrallipid-Fettsäuren mittels Gaschromatographie der Fettsäuremethylester.
Insgesamt wurden 432 MM-Proben und 72 Plasmaproben analysiert. Die Zusammensetzung der Cholinkomponenten in der MM zeigte, dass Phosphocholin und Glycerophosphocholin die am stärksten vertretenen Komponenten sind. Ölsäure, Palmitinsäure und Linolsäure sind die mengenmäßig vorherrschenden Fettsäuren der Muttermilchlipide. 150ml Muttermilch enthalten 20,8 (16,9-24,7) mg Gesamtcholin, 22,7 (17,1-27,6) mg ARA und 16,3 (10,7-21,5) mg DHA. Die Muttermilchproben unterlagen in Ihrer Zusammensetzung hohen intra- und interindividuellen Schwankungen. Die Korrelation des Gesamtcholins mit dem postnatalen Alter belegt eine sinkende Gesamtcholinkonzentration der MM (p<0,01). Cholin- und Betainkonzentrationen im Plasma der FG korrelieren (1) mit der Konzentration des Gesamtcholins in der gefütterten MM (p<0,000 und p<0,012) sowie (2) mit der über die Gesamtnahrung aufgenommenen Menge an Gesamtcholin (p<0,000). Im Plasma der Kinder, die kein DHA bekamen, korrelierte der DHA Anteil (-PC oder -NL) mit dem Anteil von DHA in der MM (p<0,000). Gleiches gilt für die Korrelation von ARA im Plasma mit ARA in der MM (p<0,046 für ARA-PC und p<0,039 für ARA-NL). DHA (-PC oder -NL) im Plasma der Kinder aller Gruppen korreliert mit der DHA-Zufuhr über die Gesamtnahrung (p<0,000). Der Anteil an ARA-PC im Plasma der Kinder ohne DHA-Supplementierung korreliert mit der ARA-Zufuhr über die Gesamtnahrung (p<0,016).
Die Werte der einzelnen Cholinkomponenten und Fettsäureprofile sind im Einklang mit anderen Studien. Unterschiede zu den Medianen analoger Studien sowie inter- und intraindividuelle Konzentrationsschwankungen erklären sich durch Unterschiede im untersuchten postnatalen Alter der Kinder, Laktationsstadium, durch genetische und alimentäre Unterschiede von Populationen sowie vorangegangenen Schwangerschaften. Postnatal sinkt generell die Cholinkonzentration der MM linear ab.
Vor der 24.-32. SSW findet der physiologische Wachstumsschub des Feten statt, sodass der steigende Cholinbedarf Frühgeborener durch den sinkenden Cholingehalt in der MM noch weniger gedeckt wird, als es generell gilt, wenn MM gefüttert wird, die für Reifgeborene mit 3-4fach niedrigerer Wachstumsrate konzipiert ist. Durch Supplementation erhielten die FG 61,6 (60,5-66,5) mg/kg/d Gesamtcholin über die komplette Nahrung. Hiermit wurden Durchschnittswerte erreicht, die nahe an den fetalen Werten liegen. Durch die Supplementierung von DHA lässt sich deren Konzentration in den Plasma-Lipiden bei FG steigern. Gleichzeitige Supplementation von Cholin steigert diesen Effekt. Dies untermauert die Bedeutung von Cholin für den Metabolismus von DHA, die vorwiegend via PC transportiert wird. Durch Supplementierung mit 60mg/kg/d ist DHA-PC im Plasma dennoch nur gering gestiegen. Ursache scheint zu sein, dass insbesondere Linolsäure mit dem Stoffwechsel von DHA (und ARA) konkurriert. Der Anteil an Linolsäure ist in der postnatalen Ernährung Frühgeborener unphysiologisch hoch. Eine ausschließliche DHA Supplementation führt langfristig zur Verdrängung von ARA. Studien und aktuelle Leitlinien weisen darauf hin, dass ein ARA:DHA Verhältnis in der Supplementierung von >1:1 angestrebt werden sollte.
Bislang nicht geklärt sind die Fragen nach der optimalen Zusammensetzung sowie der adäquaten Tagesdosis der zuzuführenden Cholinkomponenten und Fettsäuren bei Frühgeborenen. Zudem ist es notwendig herauszufinden, ob eine ausreichende, d.h. höhere Zufuhr allein zu einem verbesserten Parenchymwachstum sowie kognitiven und allgemeinen Outcome führt.
Schlussfolgernd gilt, dass unsupplementierte Muttermilch nicht zur adäquaten Versorgung von Frühgeborenen mit Cholin, ARA und DHA hinreichend ist. Eine Cholinsupplementierung von 30mg/kg/d zusätzlich erhöht die Cholin-Plasmakonzentration auf annähernd fetale Werte. Durch die DHA-Zufuhr mit 60mg/kg/d werden keine fetalen DHA-PC Plasmawerte erreicht. Eine physiologischere Fettsäurebilanz bei der Ernährung von FG sollte angestrebt werden.