Inhaltszusammenfassung:
Seneszenz und Apoptose sind zwei parallel im menschlichen Körper existierende Zellschicksale, mit denen dieser unter anderem auf Stress reagieren und sich vor in ihrem Wachstumsverhalten veränderten Zellen und damit vor der Entstehung eines Tumors schützen kann. Während die Apoptose als Form des programmierten Zelltods zur Elimination der veränderten Zelle führt, ist Seneszenz jedoch lediglich ein Wachstumsstillstand, in dem die Zelle weiterhin die Umgebung beeinflussen und potenziell negative Effekte ausüben kann. Apoptose und Seneszenz scheinen zwei konkurrierende Alternativen zu sein, da sie durch die gleichen Stressoren ausgelöst werden können und beide dem Ziel der Proliferationshemmung von geschädigten Zellen dienen. Wie in der Zelle eine „Entscheidung“ zwischen den beiden Wegen gefällt wird und wie diese möglicherweise auch medikamentös beeinflusst werden kann, ist in den vergangenen Jahren vermehrt Gegenstand der Forschung gewesen.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob eine Behinderung der Apoptose durch das Fehlen der pro-apoptotischen Proteine Bax bzw. Bak zu einer alternativen Seneszenzinduktion als Reaktion auf apoptogene Stimuli führt. Dazu wurden humane Darmkrebszellen der Linie HCT-116 verwendet, die entweder kein Bax (Bax-/-), kein Bax und kein Bak (DKO) oder beide Proteine normal exprimieren (WT). Die Zellen wurden zum einen mit den Zytokinen IFN-gamma und TNF-alpha behandelt, um eventuelle Unterschiede in der Zytokin-induzierten Seneszenz zu untersuchen; zum anderen mit dem in der Tumortherapie bewährten, DNA-schädigenden Chemotherapeutikum Doxorubicin.
Durch IFN-gamma und TNF-alpha konnte in den HCT-116-Zellen kein für die Seneszenz charakteristischer Wachstumsstillstand hervorgerufen werden, möglicherweise aufgrund eines funktionellen Defizits des CDK-Inhibitors p16INK4A in HCT-116-Zellen, der für die Einleitung der Zytokin-induzierten Seneszenz eine zentrale Rolle zu spielen scheint. Eine Behandlung mit Doxorubicin konnte in den HCT-116-Zellen allerdings eine Seneszenz induzieren, wahrscheinlich wie in der Literatur beschrieben über DNA-Schädigung und den p53-p21-Signalweg. Unter Behandlung mit Doxorubicin zeigte sich in Bax-/--Zellen weniger Apoptose als in WT-Zellen, dafür gingen signifikant mehr Bax-/-- als WT-Zellen in Seneszenz. Ein zusätzliches Fehlen von Bak in den DKO-Zellen zeigte weder auf die Apoptosehemmung noch auf die Seneszenzinduktion additive Effekte im Vergleich zu den einfach Bax-defizienten Zellen.
Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, wie bereits einzelne andere Studien, dass eine Manipulation der Apoptose-regulierenden Proteine der BCL-2-Familie neben der Apoptose auch die Seneszenz in Zellen beeinflussen kann. Zwar sind die Mechanismen der Interaktion dieser beiden Wege noch nicht bis ins Detail verstanden, jedoch werden sogar bereits die ersten Medikamente entwickelt, die durch Verschiebung des Gleichgewichts der pro- und anti-apoptotischen Proteine der BCL-2-Familie seneszente Zellen eliminieren können und die ein breites Anwendungspotenzial von altersbedingten, degenerativen Erkrankungen bis hin zur Krebstherapie versprechen.