Inhaltszusammenfassung:
Das Rhabdomyosarkom ist der häufigste solide Weichteiltumor im Kindesalter. Für pädiatrische urogenitale und perianale Rhabdomyosarkome stehen verschiedene Behandlungskonzepte zur Verfügung. Eines davon beinhaltet die chemotherapeutische Therapie mit anschließender operativer Resektion und High-dose-rate Brachytherapie. Um die Sicherheit der Brachytherapiesonden zu gewährleisten, erhalten die Patienten während der Brachytherapieperiode von 10 Tagen eine tiefe Analgosedierung mit neuromuskulärer Blockade. Die benötigten hohen Opiat- und Benzodiazepindosen wiederum stellen ein Risiko für verlängerte mechanische Ventilation, Beatmungsprobleme, Entzug, Delirium und längere Kinderintensiv- und Krankenhaus-aufenthalte dar. Ziele dieser Studie waren eine zeitnahe Entlassung der Kinder nach Hause (für den termingerechten Beginn der adjuvanten Chemotherapie 3 Wochen nach der Brachytherapie) und die Verringerung der Medikamentendosierungen, sowie der Komplikationen. Das Analgosedierungsprotokoll beinhaltete eine Pflegenden-gesteuerte Analgosedierung mit Monitoring von Schmerz- und Sedierungstiefe, Prävention und Überwachung von Entzug und Delir und einen temporären Wechsel des Opiats Fentanyl auf Ketamin am 6. postoperativen Tag. Die Rückumstellung auf Fentanyl erfolgte kurz vor der Extubation.
Diese retrospektive Studie wurde auf der Kinderintensivstation der Universitätsklinik Tübingen durchgeführt. Kinder mit urogenitalem oder perianalem Rhabdomyosarkom, die sich einer Tumorresektion mit anschließender Brachytherapie unterzogen, wurden anhand des standardisierten Protokolls behandelt. Die Dosierungen von Fentanyl, Midazolam und Clonidin, sowie die Zeit bis zur Extubation, die Länge des Aufenthaltes auf der Kinderintensiv- und auf Normalstation, sowie das Auftreten von Entzugssymptomen und Delir wurden evaluiert.
Es wurden 22 Kinder, die zwischen Januar 2012 und Juli 2019 behandelt wurden, in diese Studie eingeschlossen. Bei allen Kindern wurde die Rotation des Fentanyls mit Ketamin durchgeführt. Die benötigten Fentanyldosierungen waren nach der Rotation signifikant geringer als davor (1,5 ± 0,5µg/kg/h versus 3,4 ± 0,8µg/kg/h; p <0,001). Mittels des Monitorings konnten adäquate Analgosedierungstiefen festgestellt werden. Die Extubation erfolgte 21,6 ± 13,5 Stunden nach der letzten Brachytherapiesitzung. Die Patienten konnten 58,4 ± 30,3 Stunden nach Extubation von der Kinderintensivstation auf Normalstation entlassen werden. Es vergingen 16,4 ± 5,9 Tage nach der letzten Brachytherapie bis zur Entlassung der Kinder nach Hause. 86,4% der Kinder konnten im angestrebten Zeitraum von 3 Wochen nach Hause entlassen werden. Bei 9 Patienten (41%) traten Entzugssymptome auf und bei 13 Patienten (59%) ein Delir.
Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass ein standardisiertes Analgosedierungsprotokoll mit Opiatpause, Scoring-Systemen zur Überwachung der Analgosedierung sowie Entzug und Delir, einem Medikationsreduktionsplan und Präventionsmaßnahmen des Delirs durchführbar und zielführend ist. In unserer Studie war eine zeitnahe Extubation der Patienten nach Beendigung der Brachytherapie und anschließende Verlegung der Kinder auf Normalstation möglich. Die große Mehrheit der Kinder konnte innerhalb des angestrebten Zeitraumes nach Hause entlassen werden. Wir sind überzeugt, dass dieses Therapiekonzept zu einer Verringerung der mit einer langfristigen tiefen Sedierung verknüpften Komplikationen, zur erfolgreichen früheren Extubation und Entlassung von der Kinderintensivstation und damit zur zeitgerechten Fortführung der adjuvanten Chemotherapie in diesem komplexen Patientenkollektiv beitragen kann.