Inhaltszusammenfassung:
Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit: Medien der Erkenntnis – Experimentalsysteme in Wissenschaft und Kunst –, steht die Entwicklung und Anwendung eines Analyseschemas zur Untersuchung von Experimentalsystemen in Wissenschaft und Kunst und die daraus abgeleitete Explikation von Begriffen, bezogen auf die Bereiche Handeln, Medien und Erkenntnis. Die Symbol- und Erkenntnistheorie Nelson Goodmans bieten Grundlagen zur Entwicklung des Analyseschemas, darüber hinaus bilden zentrale Elemente von Goodmans Philosophie, etwa die Theorie der Bezugnahme und die der Notation, wichtige Elemente im Analyseschema. Für die Entwicklung des Leitgedankens des Analyseschemas spielt Goodmans Auffassung des Problems der Projektion eine grundlegende Rolle. Im Analyseschema nimmt Goodmans Begriff der Exemplifikation eine zentrale Position ein. Über die Exemplifikation erschließt sich unter anderem die Praxis der Probennahme in Wissenschaft und Kunst, über die metaphorische Exemplifikation das Phänomen des Ausdrucks. Die Theorie der Notation spielt auf der Ebene der Registrierung mit ihrer analog-digital Unterscheidung eine wichtige Rolle. Die Symptome des Ästhetischen bieten differenzierte Unterscheidungen zwischen der Bezugnahme in Kunst und Wissenschaft. Der Begriff des reflexiven Gleichgewichts fungiert gleichsam als Gravitationszentrum des Analyseschemas. Alle anderen Elemente sind um und auf diesen Kern ausgerichtet und formieren sich über ihn wechselwirksam. So gelingt etwa die Formierung eines Bezugnahmesystems durch die Etablierung eines reflexiven Gleichgewichts zwischen dessen Bestandteilen Bezugnahmeschema und Bezugnahmegebiet. Dabei spielen in einem Experimentalsystem alle anderen Elemente und Ebenen, wie der Rahmen, die Probennahme und die Registrierung, in ihrem dynamischen Wechselwirken eine konstituierende Rolle. Basis für den Vergleich zwischen dem Experimentieren in Wissenschaft und Kunst ist die Probennahme über die Exemplifikation. Unterschiede wiederum können differenziert erschlossen werden über die Begriffe Symptome des Ästhetischen, Denotation und metaphorische Exemplifikation. Die Anwendung des Analyseschemas erfolgt anhand von jeweils drei Fallstudien aus den Bereichen Wissenschaft und Kunst: Entwicklung des Thermometers, Elektrodynamik, Cloud Chamber, Constables Chiaroscuro, Gerhard Richter, Mel Bochners Wittgenstein Illustrations. Die Studien zur Cloud Chamber und zu Constables Chiaroscuro verbindet der geteilte Untersuchungsgegenstand des Phänomens Wolken. Die Fallstudien sind dabei immer gegliedert in drei Abschnitte: 1: Verortung und Verbindungen im Analyseschema, 2: Analyse, 3: Schlussbetrachtung – epistemologische Implikationen. Die Analysen zu den Fallstudien aus dem Bereich Wissenschaft basieren auf bereits vorliegenden Untersuchungen von Hasok Chang zum Thermometer, Friedrich Steinle zur Elektrodynamik, Peter Galison zur Cloud Chamber. Die Analysen der Fallstudien aus dem Bereich Kunst sind eigenständige Untersuchungen. Die sechs Fallstudien bieten ganz bewusst sehr unterschiedliche Ansätze zur Verortung und zum Verbindungsverlauf im Analyseschema. Mit der damit angestrebten großen Bandbreite an Ausrichtung und Gewichtung soll die weit gefasste Leistungsfähigkeit des Analyseschemas belegt werden. Die Studien aus dem Bereich Wissenschaft beginnen am Beispiel der Entwicklung des Thermometers vergleichsweise einfach ausgelegt, die Komplexität steigert sich über die Elektrodynamik bis zur Cloud Chamber. Die umfangreichste Untersuchung bietet als Kernstück die zu Constables Chiaroscuro. Sonderrollen nehmen die Studien zu Gerhard Richter und zu Mel Bochners Wittgenstein Illustrations ein. Die Analyse zu Gerhard Richter ist vergleichsweise kurz, wird aber ergänzt um Anmerkungen zu Hans-Jörg Rheinberger, Literatur zum Experiment und Ausführungen zu John Dewey. Die abschließende, ebenfalls umfangreichere Untersuchung zu Mel Bochner und Wittgenstein beleuchtet noch einmal eingehender das zentrale Problem der Projektion aus der Perspektive Wittgensteins, wobei signifikante Parallelen zu Goodman ausgewiesen werden und im Hintergrund immer gedanklich mitlaufen. Eine besondere Rolle spielen dabei neben dem Bezug zu Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen und Über Gewißheit, auf das sich Bochners Counting Alternatives beziehen, die Anmerkungen zum Experiment in Wittgensteins Bemerkungen über die Grundlagen der Mathematik. Es können noch einmal Rückbezüge hergestellt werden zur Entwicklung des Leitgedankens des Analyseschemas und zu den Fallstudien zum Thermometer und zur Elektrodynamik. Im Schlussteil wird aus den Analysen eine Explikation des Begriffs des kreativen Handelns abgeleitet. Dieser wird verortet in Bezug auf die Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas. Es wird dargelegt, in welcher Weise Experimentalsysteme in Wissenschaft und Kunst als Medien der Erkenntnis verstanden werden können und im Sinne Goodmans als Weisen der Welterzeugung.