Inhaltszusammenfassung:
Bei dem Vorliegen eines Vestibularisschwannoms als gutartigen Tumor ist den Betroffenen
bisher nicht im gleichen Maße wie den Patienten mit malignen Hirntumoren psychosoziale
Unterstützung, sozialrechtliche Beratung und rehabilitative Maßnahmen zuteilgeworden.
Diese Studie wurde angelegt, um die psychosozialen Beeinträchtigungen und die klinischen
Einflussfaktoren auf das physische und psychische Befinden von mikrochirurgisch
behandelten Patienten mit VS im Langzeitverlauf (>10 Jahre nach OP) zu untersuchen und so
Verbesserungsmöglichkeiten der Lebensqualität zu ermitteln.
Hierzu wurden standardisiert krankheitsspezifische Daten (ClinROs) bezogen auf krankheits-
und therapietypische Beeinträchtigungen erhoben und anhand von allgemeinen (SF-36) und
krankheitsspezifischen (PANQOL) Fragebögen zur Lebensqualität erhoben. Zudem
beurteilten die Patienten die empfundene schwindelbedingte Behinderung mit dem DHI und
psychische Belastungen im Hinblick auf eine Depression mittels des BDI. Mit statistischen
Tests (Mann-Whitney-U-Test, Korrelation nach Spearman, z-Test, Wilcoxon-Rang Test)
erfolgte eine Analyse hinsichtlich klinischer und psychosozialer Faktoren auf die HRQOL.
Insgesamt konnten die prospektiven Daten von 67 Patienten ausgewertet werden. Das
Geschlechterverhältnis war m: w = 29:38. Das mittlere Alter der Patienten zum Zeitpunkt der
Operation war 49 Jahre (Bereich 32-79J.). Die Nachbeobachtungszeit war 11,8 Jahre
(Bereich 10-15J.). Das Verhältnis von großen (T3 und T4 nach Hannover-Klassifikation) zu
kleinen Tumoren (T1 und T2 nach Hannover-Klassifikation) entsprach 47:20.
Es ergibt sich hinsichtlich der allgemeinen HRQOL erhoben mit dem SF-36 kein
signifikanter Unterschied zwischen der Studienpopulation und der Normalbevölkerung. Das
gilt sowohl für die gesamte Studienpopulation als auch für die Patienten mit großen Tumoren
(T3 und T4).
Schwindel hat einen signifikanten Einfluss auf alle Kategorien des SF-36 und auf alle
Bereiche des PANQOL bis auf die HN7 Funktion und die “General Health”.
Das Hörvermögen beeinflusst die allgemeine Lebensqualität (SF-36) signifikant für die
Kategorien Vitalität und allgemeine Gesundheitswahrnehmung. Im PANQOL haben die
Patienten mit guter Hörfunktion einen signifikanten Vorteil in der HRQOL bezogen auf die
Kategorien “Facial” und “Hearing”.
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Die HN7 Funktion hat keinen relevanten Einfluss auf die allgemeine Lebensqualität (SF-36).
Im krankheitsspezifischen Messinstrument ergaben sich signifikante Unterschiede für
Balance, Facial, Anxiety und Total score.
Beim Vorliegen eines Rest- bzw. Rezidivtumors war die HRQOL bzgl. emotionaler
Rollenfunktion (EMRO) im SF-36 am stärksten betroffen, jedoch ohne Signifikanz. Im
PANQOL ergaben sich signifikante Unterschiede für “Anxiety” und “General Health”.
In der Korrelation nach Spearman von BDI und SF-36 zeigt sich eine moderate negative
Korrelation für die Bereiche „soziale Funktionsfähigkeit“, „psychisches Wohlbefinden“,
„Vitalität“ und „emotionale Rollenfunktion“, d.h. eine depressive Grundstimmung korreliert
mit einer reduzierten sozialen Funktionsfähigkeit.
Ein BDI Score korrelierte mit einer reduzierten krankheitsspezifischen HRQOL bezogen auf
die Kategorien Schwindel, Angst, Energie und die Gesamtpunktzahl des PANQOL.
Beim Vergleich der Subgruppe von 15 Patienten, welche 1 Jahr postoperativ in unsere Klinik
mit psychometrischen Instrumenten untersucht worden waren und in der vorliegenden Arbeit
aktuell 13 Jahre postoperativ abermals verlaufskontrolliert worden sind, war zu beiden
Zeitpunkten im alterskorrelierten Vergleich kein signifikanter Unterschied zur
Allgemeinbevölkerung hinsichtlich HRQOL vorhanden.
Schwindel ist der größte klinische Einflussfaktor sowohl auf die allgemeine als auch die
krankheitsspezifische HRQOL. Auch ein Hörverlust hat signifikante Nachteile in den
Kategorien Vitalität und der allgemeinen Gesundheitswahrnehmung im allgemeinen
Messinstrument. Es zeigten sich in der Erhebung jedoch spezifischere Ergebnisse mit dem
PANQOL. Eine Erhebung der HRQOL sollte bei Patienten mit VS daher immer mit einem
krankheitsspezifischen Instrument erfolgen.
Resektionen von größeren Tumoren (T3 und T4) gehen trotz objektiv schlechterer HN7 und 8
Funktion nicht mit einer schlechteren Langzeitlebensqualität einher. Das Belassen eines
Resttumors liefert keine besseren Ergebnisse hinsichtlich der HN7 Funktion. Patienten mit
guter HN7 Funktion scheinen mit Resttumor allerdings eine schlechtere HRQOL gegenüber
denen mit tumorfreiem Befund zu haben. Die Relevanz eines moderaten Schadens der HN
Funktionen zugunsten der Radikalität bezogen auf die Lebensqualität sollte weiter untersucht
und diskutiert werden.
Der 1/6 der Studienpopulation betreffende psychische Einflussfaktor Depression hat den
stärksten negativen Effekt auf die HRQOL. Deshalb ist ein Screening zur psychosozialen
Belastung unabdingbar, um eine optimale Weiterbehandlung von VS-Patienten in enger
interdisziplinärer Zusammenarbeit zu ermöglichen.