Inhaltszusammenfassung:
Die Nierentransplantation stellt für Patienten mit terminaler Nierenerkrankung die
Therapie der Wahl dar. Allerdings gibt es nach wie vor einen bedeutenden
Mangel an Organen. Die Anzahl verfügbarer Spender wurde in der
Vergangenheit daher bereits durch die Vergrößerung des Spenderpools durch
„erweiterte Spenderkriterien“ erhöht. Es zeigt sich auch ein klarer Trend, dass
zunehmend sogenannte marginale Organe älterer Menschen mit erweiterten
Spenderkriterien transplantiert werden. Um die Organqualität einzuschätzen,
wurden verschiedene Scores etabliert, die dazu beitragen sollen die Qualität der
Organe abzuschätzen. Die makroskopische Beurteilung der Verstorbenenniere
zum Zeitpunkt der Entnahme durch den Explanteur und der Einfluss auf das
Transplantatoutcome haben bisher kaum Beachtung gefunden.
Für die vorliegende Dissertation wurden alle Verstorbenennieren-Transplantationen (n=410), welche im Zeitraum März 2008 bis März 2018 am
Klinikum Stuttgart durchgeführt wurden, retrospektiv untersucht. Der Fokus der
Arbeit lag dabei insbesondere auf den Angaben des Explanteurs hinsichtlich der
makroskopischen Organqualität (OQ) und Arteriosklerose (AS). Darüber hinaus wurden Spender- und Empfängereigenschaften sowie die Funktionsparameter des Transplantats in der Frühphase nach Transplantation und im 1-Jahres Follow-up erhoben.
Am Gesamtkollektiv konnte gezeigt werden, dass bei einer „moderaten/schweren“ AS nach drei und nach 12 Monaten eine signifikant schlechtere Transplantatfunktion vorliegt. Das Kollektiv der ≥65 Jahre alten Spender wies nach drei Monaten weiterhin eine signifikant schlechtere Transplantatfunktion auf. Dieser Trend blieb auch nach einem Jahr bestehen. Zusätzlich zeigte sich, anders als beim Gesamtkollektiv, ein statistisch häufigeres Auftreten einer verzögerten Funktionsaufnahme in der „moderaten/schweren“
AS-Gruppe (14% vs. 40%; p=0.04).
Die klinisch/histologischen Scores, die zur Einschätzung der Qualität einer
Verstorbenenniere bisher herangezogen werden können, basieren in der Regel
auf mehr als einer klinischen oder histologischen Variablen. Ein direkter Vergleich
der einzelnen Parameter mit dem makroskopischen Phänotyp bzw. dem Ausmaß
der Arteriosklerose fällt daher schwer. Im Vergleich zur histologischen
Untersuchung ist die rein makroskopische Beurteilung des Organs in der
klinischen Praxis deutlich einfacher und schneller. Auch bei nicht-transplantierten
Patienten finden sich Hinweise darauf, dass eine makroskopische
Arteriosklerose der Nierenarterie mit mikrovaskulären Veränderungen einhergeht
und zu einer chronischen Nierenerkrankung führen kann. Bisherige Studien
haben zeigen können, dass das Vorliegen einer Nierenarterienarteriosklerose mit
einer Verschlechterung der Nierenfunktion und mit dem Auftreten einer
Mikroalbuminurie assoziiert ist. Die Ergebnisse dieser Dissertation zeigen, dass
es bei der Transplantation älterer Organe mit moderater/schwerer
Arteriosklerose zu einer schlechteren Transplantatfunktion und häufiger zu einer
verzögerten Funktionsaufnahme kommt. Die makroskopische Beurteilung der
Spenderniere durch den Explanteur sollte daher als nützliche Ergänzung zu den
bisherigen Instrumenten und etablierten Risikofaktoren angesehen werden.