Training des Raumrichtungshörens bei Patienten mit Cochlea-Implantat – eine hochauflösende EEG Studie

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Zitierfähiger Link (URI): http://hdl.handle.net/10900/126069
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-1260692
http://dx.doi.org/10.15496/publikation-67432
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2022-04-07
Sprache: Deutsch
Fakultät: 4 Medizinische Fakultät
Fachbereich: Medizin
Gutachter: Braun, Christoph (Prof. Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2021-06-29
DDC-Klassifikation: 610 - Medizin, Gesundheit
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung, ob sich das Raumrichtungshören von CI-Trägern durch Training verbessern kann und wie sich Training des Raumrichtungshörens auf die Hirnaktivität von CI-Trägern auswirkt. Außerdem war es Ziel, das von Schäfer entwickelte MMRS auf Anwendbarkeit im Training des Raumrichtungshörens und das MMRS-Signal als Biomarker in diesem Zusammenhang zu prüfen. Zu diesem Zweck wurde eine Pilotstudie mit 3 Probanden durchgeführt, 2 davon CI-Träger, einer normal hörend. Einer der beiden CI-Träger trug ein Implantat der Firma Cochlear (Cochlear Corporation, Lane Cove, Australia) auf der rechten Seite, das Implantat des anderen CI-Trägers befand sich links und war von der Firma MED-EL (MED-El GmbH, Innsbruck, Austria). Der Proband mit CI links nutzte zusätzlich ein Hörgerät auf der kontralateralen Seite. Alle Probanden absolvierten 10 Trainingssitzungen für das Raumrichtungshören innerhalb von etwa 4 Wochen. Für das Training befand sich der Proband jeweils allein in einem schallgeschützten Raum. 7 Lautsprecher waren so an einem halbkreisförmig aufgebauten Gerüst mit 1,25m Radius befestigt, dass die Bogenlänge zwischen zwei benachbarten Lautsprechern 0,49m betrug. Der Proband war sitzend im Raum positioniert, sodass sein Blick geradeaus auf den mittleren Lautsprecher gerichtet war und sich die Lautsprecher etwa auf Höhe seiner Ohren befanden. In jedem von insgesamt 600 Durchgängen einer Trainingssitzung wurden zunächst 4 akustische Reize begleitet von je einem visuellen Feedbackreiz zufällig über einen der mittleren 5 Lautsprecher präsentiert. Diese Reize kamen alle aus der gleichen Richtung. Anschließend folgte ein fünfter als Testreiz dienender akustischer Reiz ohne begleitenden Lichtreiz. Er wurde entweder über den gleichen oder einen direkt benachbarten Lautsprecher abgespielt. Der Proband sollte mit dem an seinem Stuhl befestigten Zeiger angeben, aus welcher Richtung ihm der Testreiz präsentiert wurde. Für den normal hörenden Kontrollprobanden wurden durch ein zusätzliches Maskierungssignal in Form von weißem Rauschen erschwerte Bedingungen geschaffen. Die Koordination aller Experimente und die Aufzeichnung, sowie die Auswertung der Ergebnisse erfolgten über MATLAB (Mathworks Inc., Sherborn, Massachusetts). Um die Hirnaktivität beurteilen zu können wurde für jeden Probanden einmalig über Polhemus (Isotrack, Polhemus, Colchester, Vermont, USA) die Kopfform erfasst, zusätzlich wurde während jeder Trainingssitzung ein EEG mittels eines 256-Kanal High-Density Systems der Firma EGI (Electrical Geodesics Inc., Eugene, Oregon, USA) aufgezeichnet. Für die Auswertung der EEG-Daten wurde die MATLAB Software-Toolbox FieldTrip (Radboud University Nijmegen, Nijmegen, Netherlands) genutzt. Die beiden CI-Träger konnten sich im Laufe des Trainings signifikant verbessern. Diese Verbesserung schlug sich auch auf Sensorebene in den EEG-Daten nieder. Bezogen auf die Bedingungen „Same“ und „Diff“ entwickeln sich die beiden Probanden unterschiedlich. Der Proband mit Hörgerät verbessert sich lediglich unter der Bedingung „Same“, während sich der Proband mit CI rechts unter beiden Bedingungen verbessert, jedoch stärker unter der Bedingung „Diff“. Das Niveau, das der normalhörende Proband unter erschwerten Bedingungen bereits in der ersten Sitzung zeigt, erreichen beide CI-Träger nicht, der Proband mit CI bleibt allerdings mit seinem Maximalwert lediglich 1,84% unter dem Ausgangswert des Kontrollprobanden. Der Kontrollproband erreicht bereits zu Beginn eine hohe Trefferquote, konnte sich allerdings nicht signifikant verbessern. Seine Hirnaktivität weist auf Sensorebene keine signifikanten Veränderungen im Laufe des Trainings auf. Da die Ergebnisse von Schäfers Studie darauf hinweisen, dass insbesondere das im temporo-parietal-okzipitalen Junktionskortex lokalisierte COI2 für das Raumrichtungshören bei CI-Trägern relevant ist (Schäfer, Vedoveli et al. 2021), wird auf Quellenebene das MMRS-Signal in diesem Cluster betrachtet. Die Hirnaktivität in diesem Cluster zeigte bei keinem der Probanden eine signifikante Änderung im Rahmen des Trainings. Einige Autoren befassten sich bereits mit dem Raumrichtungshören normalhörender Probanden oder nach asymmetrischem Hörverlust. Nisha und Kumar zum Beispiel untersuchten das Training des Raumrichtungshörens an normalhörenden Probanden im virtuellen Raum (Nisha and Kumar 2017). Firszt und Reeder führten ein Training des Raumrichtungshörens mit Menschen mit asymmetrischem Hörverlust durch (Firszt, Reeder et al. 2015). Die Teilnehmer beider Studien zeigten eine bemerkenswerte Verbesserung im Laufe des jeweiligen Trainings. Die Ergebnisse unserer Pilotstudie weisen darauf hin, dass ein Training des Raumrichtungshörens auch für CI-Träger sinnvoll ist. Schäfer führte eine Studie mit normalhörenden Probanden und CI-Trägern durch. Sie testete das Raumrichtungshören der Probanden mittels eines multimodalen Repetitions-Suppressions-Paradigmas. Auf vier von Lichtreizen begleitete akustische Reize folgte ein fünfter alleinstehender akustischer Testreiz. Bei der Auswertung der EEG-Daten wurde ein Mismatch-Signal in der temporo-parieto-okzipitalen Junktionszone in Verbindung mit diesem Testreiz beobachtet. Schäfer nennt dieses Mismatch-Signal MMRS-Signal und vermutet eine Anwendbarkeit dieses Signals zur Messung von Trainingserfolg (Schäfer, Vedoveli et al. 2021). Die Daten unserer Studie sprechen eher gegen diese Vermutung. Auf Sensorebene war zwar eine signifikante Veränderung der Hirnaktivität zu beobachten, nicht jedoch auf Quellenebene. Zu beachten ist hierbei, dass das CI-Signal in der Quellenbestimmung einen Störfaktor darstellen kann. Für das Verständnis des Trainingsprozesses ist das Wissen um die neuronalen Vorgänge von Bedeutung. Es werden genauere Untersuchungen der aufgezeichneten EEG-Daten erfolgen, um herauszufinden, wo Veränderungen der Hirnaktivität im Laufe des Trainings lokalisiert sind. Ich schlage vor, weitere Studien in größerem Umfang durchzuführen und die Eliminierung der Störung der evozierten Signale durch das Cochlea-Implantat zu verbessern, um Daten mit größerer Aussagekraft zu erhalten. In weiterführenden Studien sollte auch weiterhin ein Augenmerk auf die Entwicklung der Hirnaktivität gelegt werden. Fundiertes Wissen über die neuronalen Verarbeitungsprozesse könnte zur Entwicklung optimaler Trainingsprogramme zur Rehabilitation von CI tragenden Menschen beitragen. Kenntnis darüber zu haben, wo neuronale Vorgänge im Training des Raumrichtungshörens zu verorten sind, würde außerdem gegebenenfalls eine Messung des Trainingserfolges auf neuronaler Ebene ermöglichen.

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