Inhaltszusammenfassung:
Dank der im Vergleich zu konventionellen Herstellungsmethoden einzigartigen
Möglichkeit, komplexe dreidimensionale Objekte an einem Stück zu fertigen, erfuhr der
3D-Druck in den letzten Jahren einen regelrechten Hype und viele Produktdesigns
wurden neu durchdacht, um die dazugekommenen Designfreiheiten nutzen zu können.
Dieser Trend findet dabei in nahezu allen Bereichen statt, von Modellbau über
Prototypenanfertigung bis hin zur Luftfahrt und betrifft alle Materialgruppen, von
Kunststoffen über Metalle, Keramiken und Gläser. Bei der Herstellung von Funktionsbauteilen, welche nicht nur optischen Ansprüchen genügen, sondern tatsächlichen
mechanischen Belastungen standhalten müssen, zeigen sich aufgrund der Herstellung
Ebene um Ebene schnell gravierende Nachteile der additiven Fertigung, beispielsweise
die Anisotropie der mechanischen Eigenschaften.
Im Rahmen dieser, durch das BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie)
im Zuge eines ZIM-Kooperationsprojektes zusammen mit der Meister
Strömungstechnik GmbH geförderten Arbeit, sollte daher überprüft werden, inwieweit
sich die Prüfnormen, welche zur Prüfung konventionell hergestellter Kunststoffe
entwickelt wurden, sich auch auf additiv gefertigte Proben übertragen lassen. Dies war
nötig, da es zum Zeitpunkt der Arbeit keine Prüfnormen gab, welche sich explizit auf
additiv gefertigte Materialien beziehen. Dabei zeigte sich, dass eine Charakterisierung
3D-gedruckter Bauteile auf der Basis vorhandener Prüfnormen für konventionell
hergestellte Materialien nur unter zusätzlicher Berücksichtigung der herstellungsbedingten anisotropen Materialeigenschaften als Folge der Prozessparameter während
des Druckvorganges sinnvoll ist. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass Begriffe,
welche zur Definition von Materialeigenschaften in den Datenblättern verwendet
werden, zum Teil missverständlich formuliert sind und sich erst durch eine genaue
Analyse der zugrundeliegenden Norm erklären. Zudem konnte gezeigt werden, dass
gewisse Normen zur Bestimmung von Materialeigenschaften keine Werte für eine an
Realbedingungen orientierte Materialcharakterisierung ergaben und es möglich ist, auf
einfachem Wege mittels mechanischer Prüfung hierzu geeignetere Werte zu erhalten.
Für die konkret getesteten Materialien wurden dabei die herstellungsabhängigen
Einflussprozesse auf die mechanischen Eigenschaften sowie der Einfluss von
Umwelteinwirkungen wie beispielsweise UV-Strahlung oder Wasser auf das fertige
Bauteil untersucht. Hiermit sollte festgestellt werden, ob additiv gefertigte Bauteile sich
für den Kooperationspartner Meister Strömungstechnik GmbH dafür eignen, ein für
und von den Kunden individualisierbares und transparentes Durchflussmessgerät
herzustellen. Die bisher fertigungs- und montagetechnisch aufwendig hergestellten
Messsysteme aus Glas sollten hierdurch ergänzt beziehungsweise ersetzt werden.
Für die Materialauswahl zur Herstellung des Durchflussmesssystems wurden dabei
additiv gefertigte Proben unterschiedlichster 3D-Druckverfahren mit den im Rahmen
der Arbeit angepassten Prüfverfahren auf ihre Eigenschaften untersucht und
miteinander verglichen.
Dabei erwiesen sich zwei der ausgewählten Photopolymere (FotoMed®LED.A,
Accura® ClearVue™) als nicht geeignet, da sich während der Evaluierungsphase zeigte,
dass diese Materialien zum einen die im Datenblatt angegebenen mechanischen
Kenndaten um bis zu 50 % unterschritten, zum anderen eine vorher nicht bekannte
Löslichkeit in Wasser aufwiesen. Mit VeroClear™, dem dritten getesteten Polymer,
wurde anschließend ein Material gewählt, welches alle Anforderungen zu erfüllen
schien.
Bei den folgenden Charakterisierungen der mechanischen Eigenschaften gedruckter
VeroClear™-Versuchskörper über Biege- und Zugversuchen zeigte sich die erwartete
Abhängigkeit von der Orientierung des Bauteiles zur Druckrichtung auf die
mechanischen Eigenschaften. Den Folgen des anisotropen Verhaltens auf die
Belastbarkeit eines fertigen Bauteils konnte durch eine belastungsorientierte und damit
spezifische Ausrichtung während dem Druckvorgang entgegengewirkt werden. Im
Rahmen der umfänglichen Charakterisierung der mechanischen Eigenschaften der
Versuchskörper zeigte sich auch, dass die verwendeten Normen für die
unterschiedlichen Prüfverfahren für additiv gefertigte Bauteile keine vollumfängliche
Information über deren mechanische Eigenschaften liefern. Daher wurden im Rahmen
der vorliegenden Arbeit Anpassungen und Ergänzungen der Prüfnormen erarbeitet,
welche die Komplexität der 3D-gedruckten Werkstoffe berücksichtigen.
Ergänzende Untersuchungen des Einflusses eines Multimaterial-Drucks, also des
Drucks eines Körpers aus zwei unterschiedlich gefärbten Polymeren der gleichen
Materialgruppe mit theoretisch vergleichbaren mechanischen Eigenschaften, zeigte,
dass auch hierdurch die mechanischen Eigenschaften des Probenkörpers beeinflusst
wurden. Dieses Verhalten konnte in klassischen mechanischen Testverfahren, wie Biege- und Zugversuchen, sowie über ein polarisationsoptisches Verfahren zur Sichtbarmachung der internen Spannungen direkt während des Zugversuchs im Detail
untersucht und visualisiert werden. So konnten Lösungsansätze entwickelt werden, um
reale Bauteile zu konzipieren.
Im weiteren Verlauf zeigte sich, dass Versuchskörper aus VeroClear™, das als
sogenanntes Duroplast beworben wurde, bereits bei Temperaturen unterhalb der im
Datenblatt angegebenen Wärmeformbeständigkeit von 50 °C anfingen zu kriechen.
Daher wurde eine Modifikation der DIN-ISO-Norm zur Bestimmung der Wärmeform beständigkeit erarbeitet, die für den realen Einsatz verlässliche Werte und Parameter
liefert.
Über weiterführende Langzeitexperimente ließ sich belegen, dass auch bei diesem
Material der Kontakt mit Wasser die mechanischen Eigenschaften deutlich
verschlechterte. Zukünftige Prüfnormen sollten daher unbedingt darauf hinweisen, dass
ein solcher Effekt zu berücksichtigen ist.
Damit ergab sich letztendlich eine vollständige Abkehr von der ursprünglichen Idee,
aus einem transparenten Kunststoff ein additiv gefertigtes Durchflussmessgerät
herzustellen. Diese konnte zum einen mit den Ergebnissen der konkreten Material charakterisierungen begründet werden, zum anderen zeigte sich, dass die für den 3D Druck postulierte Reproduzierbarkeit der mechanischen Eigenschaften zur Zeit nicht zu
gewährleisten ist. So zeigten gleiche Probengeometrien aus identischen Materialien bei
der Herstellung mit gleichen Prozessparametern durch unterschiedliche Druckdienst leister teilweise signifikante Unterschiede in ihren Eigenschaften