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Sowohl klinische als auch präklinische Studien belegen die Bedeutung des Endocannabinoidsystems für die gesamtorganismische Stressverarbeitung und die Aufrechterhaltung der Homöostase. Besonders die endogenen Liganden 2-AG und AEA nehmen bei der kurzfristigen und langfristigen Regulierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse eine essentielle Rolle ein. Sie fungieren vorwiegend als retrograde Messenger und binden an den CB1-Rezeptor, um die Ausschüttung von exzitatorischen und inhibitorischen Neurotransmittern (z.B. Glutamat und GABA) zu hemmen. So ist der CB1-Rezeptor der Angriffspunkt für exogene Liganden wie das in dieser Studie verwendete THC, die Hauptkomponente der Cannabispflanze. Da eine Reihe von Studien einen Einfluss von THC sowohl auf die basale HHN-Achsenaktivität als auch auf die akute Stressantwort beschreiben, sollte in dieser Studie untersucht werden, ob sich die einmalige Gabe von THC auf die HHN-Achsenaktivität während des Nachtschlafs und die Stressreaktion am nachfolgenden Tag auswirkt.
Um diese Fragestellung zu untersuchen, wurden in einer doppelblind und balanciert durchgeführten Studie im Messwiederholungsdesign 20 gesunde männliche Probanden im Alter von 19-29 Jahren (MW ± SEM: 23,25 ± 3,16 Jahre) im Anschluss an eine Eingewöhnungsnacht zu zwei experimentellen Sitzungen eingeladen, die jeweils eine Schlafnacht und einen Stresstest am folgenden Nachmittag beinhalteten. Am Abend wurde den Probanden entweder 15 mg Dronabinol oder ein Placebo verabreicht und die Probanden verbrachten die folgende Nacht schlafend. Um die Auswirkung der THC-Gabe auf die basale Stressachsenaktivität in der Nacht und am Morgen zu untersuchen, wurden pro Proband 22 Blutentnahmen zur Bestimmung des Serumcortisols durchgeführt. Am folgenden Nachmittag wurde ein Stresstest durchgeführt, der Socially Evaluated Cold Pressure Test (SECPT), bei dem die Probanden physischen und psychischen Stimuli ausgesetzt wurden. Dabei tauchte der Versuchsteilnehmer den nicht-dominanten Arm für drei Minuten in Eiswasser, während er vom Studienleiter gefilmt wurde. Vor, während und nach Intervention des Stressors wurden zu mehreren Zeitpunkten Puls und Blutdruck gemessen sowie Speichelcortisol bestimmt. Dieser Versuchsablauf wurde in der zweiten Sitzung, mindestens acht Wochen später, wiederholt, wobei diesmal statt THC ein Placebo verabreicht wurde und umgekehrt.
Im Stresstest zeigte sich in der primären Auswertung kein Einfluss der THC-Gabe auf die Cortisolkonzentrationen; allerdings fiel ein allgemeiner Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Sitzung auf, insofern es unabhängig von der THC-Gabe in der zweiten im Vergleich zur ersten Versuchssitzung zu einer etwas schwächeren Cortisolausschüttung kam. Deshalb wurden die erste und die zweite Versuchssitzung einzelnen Analysen unterzogen. Dabei zeigte sich in der ersten Versuchssitzung während des SECPT eine signifikant geringere Cortisolausschüttung bei den Probanden, die am Vorabend THC bekommen hatten, im Vergleich zu den mit Placebo behandelten Probanden. Dieser Effekt war in der zweiten Versuchssitzung nicht zu sehen. Die Analyse von Puls und Blutdruck sowie des mehrdimensionalen Befindlichkeitsbogens ergab keine nennenswerten Wirkungen von THC. Für die schlafassoziierten Cortisolwerte konnte zwischen den Versuchsbedingungen insgesamt kein Unterschied festgestellt werden. Lediglich für die zweite Nachthälfte wurde eine signifikant höhere Cortisolausschüttung nach THC- im Vergleich zu Placebo-Gabe gemessen, wobei in diese Analyse aufgrund technischer Schwierigkeiten nur eine kleine Unterstichprobe einging.
Die Ergebnisse dieser Arbeit bestätigen den Einfluss von THC auf die HHN-Achsenaktivität. Ferner weisen sie darauf hin, dass eine einmalige THC-Einnahme eine schwächere Reaktion in einer Stresssituation am folgenden Tag bedingt und folglich die Langzeitplastizität ECB-abhängiger Prozesse beeinflussen könnte. Während diese Ergebnisse in größeren Stichproben und über längere Zeiträume weiter untersucht werden sollten, deuten sie insgesamt darauf hin, dass sich das ECS aufgrund seiner Relevanz für die Stressreaktion als möglicher Ansatzpunkt entsprechender klinischer Interventionen anbieten könnte. |
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