Inhaltszusammenfassung:
In Deutschland ist ein mindestens zweiwöchiges Blockpraktikum als klinisch-praktische Komponente des allgemeinmedizinischen Curriculums vorgeschrieben. Dieses findet in von den Universitäten akkreditierten Lehrpraxen statt. Den einzigen Einblick für die Fakultät in das Geschehen in den Lehrpraxen bieten in der Regel studentische Evaluationen und Einzelrückmeldungen der beteiligten Studierenden bzw. ärztlichen Lehrpersonen. Ziel der vorliegenden Studie ist es, das Blockpraktikum aus studentischer, lehrärztlicher und organisatorischer Perspektive zu beleuchten und Probleme zu identifizieren. Es wurde leitfadengestützte Interviews mit den drei am Blockpraktikum Allgemeinmedizin beteiligten Personengruppen durchgeführt (N=15 Studierende (Universität Tübingen), N=13 Lehrärztinnen/-ärzte (Universität Tübingen), N=12 Expertinnen/Experten (mit der Organisation des Blockpraktikums betraute Personen, deutschlandweit)). Transkripte der Interviews wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Das entstandene Kategoriensystem bietet einen Überblick über die in den Interviews angesprochenen Themen und Inhalte und erlaubt damit eine perspektivübergreifende Gesamtbetrachtung. Die Ergebnisse zeigen, dass es im Blockpraktikum große Unterschiede bei den angewandten Lehrmethoden gibt und dass Feedbackmangel auf dezentraler wie zentraler Ebene ein Problem darstellt. Zur Entstehung von Schwierigkeiten im Blockpraktikum trägt problematisches Verhalten von Studierenden (z.B. mangelndes Engagement) und Lehrärztinnen/-ärzten (z.B. Bloßstellung) bei. Problematisches Verhalten von Lehrärztinnen/-ärzten ist selten, kann im Einzelfall jedoch gravierend sein (z.B. sexuelle Belästigung). Im Umgang mit auftretenden Problemen kommt den allgemeinmedizinischen Instituten eine wichtige Rolle als Mediator bzw. Organisator zu. Der multiperspektivische Blick auf das Blockpraktikum zeigt, dass die 1:1- Betreuung im Blockpraktikum eine Chance für die persönliche und professionelle Weiterentwicklung der Studierenden darstellen kann. Auf der anderen Seite birgt die dezentrale Lehrsituation aber auch Risiken. Hierbei spielen im Blockpraktikum, neben den aus anderen Lehrkontexten bekannten Formen schlechter Behandlung („student abuse“), auch suboptimale Lernbedingungen und ein schlechtes Vorbild durch die Lehrenden eine Rolle. Die Herausforderungen der dezentralen Lehre erfordern eine bessere Vernetzung innerhalb und zwischen den beteiligten Personengruppen. Dazu gehört eine klare Kommunikation von Anforderungen und Erwartungen sowie eine Sensibilisierung aller Beteiligter dafür, dass sie eine Mitverantwortung für das Gelingen der Lehre in Lehrpraxen tragen. Die verschiedenen Universitätsstandorte in Deutschland stehen weitgehend vor den gleichen Herausforderungen (z.B. Problemmanagement, Evaluation). Es ist daher wünschenswert, dass Lösungen gemeinschaftlich auf empirischer Grundlage erarbeitet werden.