Inhaltszusammenfassung:
Der ungerichtete Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin ist eine treibende Kraft hinter der Entstehung und weltweit zunehmenden Verbreitung von Antibiotikaresistenzen. Infektionen mit resistenten Erregern bedeuten ein schlechteres klinisches Outcome für betroffene Patienten und verursachen immense zusätzliche Kosten. Parallel dazu stagniert die Entwicklung neuer Antibiotika, viele Pharmaunternehmen steigen aus dem mittlerweile unrentablen Geschäft aus. Als Reaktion auf öffentliche Bemühungen der WHO und der Europäischen Union veröffentlichte die DGI eine Leitlinie zur Erstellung von ABS-Programmen. Diese Programme sollen über Optimierung der klinischen Verschreibungspraxis einen Beitrag zur Resistenzbekämpfung leisten und darüber hinaus Therapieoutcomes verbessern, Kosten reduzieren sowie eine höhere Patientensicherheit gewährleisten. ABS-Programme sind in der Pädiatrie bisher ungenügend untersucht.
In der vorliegenden Arbeit sollte das ABS-Programm der Kinderklinik München Schwabing in einer nicht-kontrollierten Interventionsstudie evaluiert werden.
Dazu wurden Daten von Patienten mit Antibiotikatherapien aus zwei jeweils 4-monatigen Zeiträumen der Jahre 2016 und 2017 erhoben. Zwischen den beiden Erhebungen wurde das ABS-Programm mit einer Informationsveranstaltung, einer wöchentlichen infektiologischen Visite und der Erstellung von SOPs, zusammengefasst auf Pocket Cards, als Interventionen etabliert. Die Hauptzielgröße der Studie war die Veränderung der Leitlinienadhärenz der verordneten Antibiotikatherapien bei den Diagnosen Pneumonie, Pyelonephritis und Neugeboreneninfektion. Nebenzielgrößen waren Antibiotikaeinsatz anhand von DoT und LoT, Homogenität der Studienpopulation, gestellte Diagnosen und Trimethoprimresistenzen nachgewiesener Erreger bei den Diagnosen Zystitis und Pyelonephritis. Die nominalskalierten Variablen wurden mittels Chi-Quadrat-Test auf signifikante Unterschiede getestet, die kontinuierlichen Variablen mittels Mann-Whitney-U-Test.
Zwei Fallkollektive der Prä- und Postinterventionsphase von 175 und 194 Fällen wurden in dieser Arbeit gegenübergestellt. Es konnte eine signifikante Steigerung der Hauptzielgröße Leitlinienadhärenz aller geprüften Fälle von 54% auf 75% (p=0,003) erreicht werden. Unter den untersuchten Therapien stieg die Leitlinienadhärenz signifikant bei den Diagnosen Neugeboreneninfektion (p=0,023) und Pyelonephritis (p=0,043). Bei der Diagnose Pneumonie konnte hingegen kein signifikanter Effekt nachgewiesen werden. Des Weiteren konnte ein signifikanter Rückgang der Gruppe der Cephalosporine von 120,6 auf 89,2 DoT/1000PD (p=0,006) beobachtet werden. Die DoT der Substanzen Benzylpenicillin & Phenoxymethylpenicillin erhöhten sich signifikant von 1,6 auf 7,7 DoT/1000 PD (p=0,0018), ebenso zeigten Ampicillin & Amoxicillin + β-Lactamase-Inhibitor eine signifikante Zunahme von 24,1 auf 33,8 DoT/1000 PD (p=0,043). Die Nebenzielgröße LoT, DoT gesamt und Anzahl verordneter Antibiotika blieben ohne signifikante Veränderung. 24 % der nachgewiesenen Erreger bei der Diagnose Harnwegsinfektion waren gegen das Antibiotikum Trimethoprim resistent.
In der vorliegenden Studie konnte belegt werden, dass mit einem ABS-Programm in einer tertiären Versorgungseinrichtung in der Pädiatrie die Leitlinienadhärenz verbessert und die Verschreibung von Breitspektrumantibiotika reduziert und auf penicillinbasierte Antibiotika umgelenkt werden kann. Zukünftige Arbeiten zu ABS-Programmen sollten sich in längeren Untersuchungszeiträumen mit größeren Studienpopulationen unter anderem der Analyse von Ärztezufriedenheit, Kosten, potenziellen Risiken und vor allem Resistenzentwicklung im Rahmen von ABS-Programmen widmen.