Inhaltszusammenfassung:
Das Verständnis und die Fähigkeit mit Brüchen umzugehen, ist eine essenzielle Voraussetzung für die kognitive und vor allem numerische Entwicklung von Individuen. Allerdings stellen Brüche aufgrund ihrer besonderen bipartiten Struktur, die das relative Verhältnis von Zähler und Nenner widerspiegelt, und ihren im Vergleich zu natürlichen Zahlen unterschiedlichen Eigenschaften, eine große Herausforderung für Kinder und Erwachsene dar. Derzeit ist die sogenannte integrierte Theorie der numerischen Entwicklung (integrated theory of numerical development, ITND) eine der wenigen Theorien, die sich mit der Rolle von Brüchen in der numerischen Entwicklung von Kindern befasst. Darüber hinaus postuliert die ITND, dass die numerische Größe einer Zahl der gemeinsame Faktor ist, der alle Zahlentypen verbindet. Deshalb ist das Verständnis von numerischer Größe der Schlüsselmechanismus, der den Umgang mit Zahlen und das konzeptuelle Verständnis von Zahlen erleichtert. Demzufolge ist das Verständnis von numerischer Größe auch für den Umgang mit Brüchen entscheidend.
Die Verarbeitung von Brüchen ist jedoch ein komplexer Mechanismus, der viele verschiedene und nicht vollständig erforschte Prozesse beinhaltet. Eine ausschließliche Fokussierung auf die Rolle der numerischen Größen bei der Bruchverarbeitung liefert daher möglicherweise kein vollständiges Bild aller beteiligten Prozesse beim Umgang mit Brüchen. Die vorliegende Arbeit widmet sich diesem Problem in fünf Studien. Dabei wurde insbesondere die Kernannahme des ITND evaluiert und die ITND um zusätzliche kognitive und nicht-kognitive Prädiktoren, die für die Bruchverarbeitung relevant sind, erweitert. Studie 1 bestätigte die Annahmen des ITND bezüglich der zentralen Rolle der (Bruch-) Größenverarbeitung für das Bruchverständnis und konnte diese Annahme auf Erwachsene, komplexe Brüche und ungeübte (neue) Brüche erweitern. Studie 2 untermauerte die Bedeutung verschiedener numerischer Basisfähigkeiten für die Bruchverarbeitung. Diese unterschieden sich darin ob für eine Anwendung der entsprechenden Basisfähigkeit Größenverarbeitung benötigt wurde oder nicht. Studie 3 verdeutlichte die Rolle von Strategien für die Bruchverarbeitung, wobei auch hier wieder der Fokus auf Strategien lag, die auf Größenverarbeitung zurückgreifen oder diese zum Lösen der Aufgabe nicht benötigen. Studie 4 zeigte, dass Motivation ein relevanter Prädiktor für die Bruchverarbeitung sein kann, aber das Motivation allein nicht immer ausreicht, um die Bruchverarbeitung zu verbessern. Studie 5 schließlich untermauerte die Bedeutung von negativen Emotionen und Emotionsregulation für die Bruchverarbeitung. Nachfolgend wird ein umfassender theoretischer Rahmen der Bruchverarbeitung vorgeschlagen und diskutiert, der kognitive und nicht-kognitive Prädiktoren integriert, um ein vollständigeres Bild darüber zu erhalten, was relevante Prädiktoren für die Bruchverarbeitung sein könnten. Dieser theoretische Rahmen ist zwar nur ein erster Ansatz, um die komplexen Prozesse, die am Bruchverständnis und -lernen beteiligt sind, umfassend zu beschreiben, aber er könnte die Grundlage für zukünftige Forschung und Interventionen bilden, die ein umfassendes Bruchverständnis und damit verbundene Prozesse fördern.
Abstract:
The understanding and mastery of fractions provides a critical requirement for individuals cognitive and especially numerical development. However, because of their bipartite structure reflecting the relative relation of numerator and denominator and their different properties compared to natural numbers, fractions can be a particularly challenging learning content for children and even adults. Currently, the integrated theory of numerical development (ITND) is one of the few theories that directly addresses the role of fractions in numerical development. Moreover, the ITND highlights magnitude knowledge as the key mechanism that integrates all numbers and facilitates their handling and, accordingly, their conceptual understanding. Therefore, magnitude knowledge also plays a crucial role for fraction understanding.
However, fraction processing is a complex mechanism that involves many different and not fully understood processes. Therefore, focusing only on the role of magnitude knowledge for fraction processing might not provide a complete picture of all involved processes while dealing with fractions. The present thesis addresses this issue in five studies by employing different methodologies, using different experimental approaches, and testing different age groups to investigate potential predictors of fraction processing. In particular, the core assumption of the ITND was evaluated and extended with additional cognitive and non-cognitive predictors that are relevant for fraction processing. Study 1 confirmed the assumption of the ITND regarding the prominent role of (fraction) magnitude processing for fraction understanding and extended this assumption to numerate adults, complex fractions, and untrained (novel) fractions. Study 2 substantiated the importance of different magnitude-related and unrelated basic numerical skills for fraction processing. Study 3 highlighted the role of magnitude-related and unrelated strategies for fraction processing. Study 4 revealed that motivation might be a relevant predictor of fraction processing but that not all children profit from it. Finally, Study 5 underpinned the importance of negative emotions and emotion regulation for fraction processing. Subsequently, a comprehensive framework of fraction processing is proposed and discussed, integrating cognitive and non-cognitive predictors to provide a fuller picture of what might be relevant predictors for fraction processing. While this framework is only a first approach to comprehensively describe the complex processes involved in fraction understanding and learning, it might provide the basis for future research and interventions that foster comprehensive fraction understanding and related processes.