Inhaltszusammenfassung:
Die Eryptose ist der suizidale Zelltod der Erythrozyten und ist charakterisiert durch Phosphatidylserin (PS)-Exposition und Zellschrumpfung. Zur Steuerung des Vorgangs dienen die intrazelluläre Calciumkonzentration, oxidativer Stress, Ceramid-Bildung und die Aktivität von Proteinkinasen.
Lapatinib, ein Tyrosinkinasen-Inhibitor, und Regorafenib, ein Multikinase-Inhibitor, werden zur Therapie von Karzinomen verwendet und verursachen Anämie als Nebenwirkung. Die Anämie kann theoretisch durch den Abbau PS-exponierender Erythrozyten zustande kommen. Teriflunomid wird bei Multipler Sklerose eingesetzt und wirkt immunmodulatorisch über die Blockade der mitochondrialen Dihydroorotat-Dehydrogenase (DHODH). Der Wirkmechanismus des Medikaments ist noch nicht vollständig verstanden.
Alle drei Substanzen verursachen oder beeinflussen den suizidalen Zelltod anderer Zelltypen, jedoch war vor dieser Arbeit nicht bekannt, wie sich die Medikamente direkt auf die Erythrozyten auswirken.
Das erste Ziel der Arbeit war es herauszufinden, ob und wie Lapatinib und Regorafenib die Eryptose verursachen. Dazu wurden die Testsubstanzen mit Erythrozyten von gesunden Spendern in vitro unter verschiedenen Bedingungen inkubiert und ausgewählte Eryptose-Parameter mit der Methode Durchflusszytometrie anhand des Streulichts und von Fluoreszenzmarkern gemessen.
Lapatinib und Regorafenib verursachen eine erhöhte Annexin-V-Bindung der Erythrozyten, was als Maß für PS-Exposition gilt. Auch bei einem Überangebot von intrazellulärem Calcium verstärken sie die Annexin-V-Bindung, ohne die Calciumkonzentration zu beeinflussen. Die PS-Exposition verändert sich zudem nicht in Abwesenheit von extrazellulärem Calcium. Dies deutet auf einen Mechanismus hin, der nicht von einem Calciumeinstrom abhängig ist. Oxidativer Stress, Ceramid und aktive Kinasen können Eryptose calciumunabhängig auslösen. Die Messung der reaktiven Sauerstoffspezies und der Ceramid-Bildung verdeutlicht jedoch, dass sie nicht die Wirkung von Lapatinib und Regorafenib vermitteln. Für Regorafenib kann zusätzlich die Beteiligung der Proteinkinase C und p38 MAPK ausgeschlossen werden, weil sich der Einsatz von Inhibitoren nicht auf die PS-Exposition auswirkt. Lapatinib und Regorafenib senken die intrazelluläre Calciumkonzentration, wobei Regorafenib möglicherweise die Messmethode für Calcium einschränkt. Die Substanzen lösen ferner Zellschrumpfung in An – und Abwesenheit von extrazellulärem Calcium aus, die ein weiteres Merkmal der Eryptose darstellt.
Mit den Ergebnissen konnten Lapatinib und Regorafenib als Verursacher der Eryptose identifiziert werden. Damit liefert diese Arbeit einen Hinweis auf die Eryptose als Ursache der Anämie, die als Nebenwirkung der Medikamente entsteht.
Als zweites Ziel der Arbeit wurde der Einfluss von Teriflunomid auf die Eryptose getestet. Auch hierfür wurden in vitro Experimente mit Erythrozyten von gesunden Spendern durchgeführt und die Ergebnisse mittels der Durchflusszytometrie gewonnen.
Teriflunomid schwächt die PS-Exposition bei Glukosemangel, erhöhter intrazellulärer Calciumkonzentration und oxidativem Stress ab. Gleichzeitig hemmt Teriflunomid den Calciumeinstrom bei Glukosemangel, aber nicht bei oxidativem Stress. Da Teriflunomid die PS-Exposition calciumüberfluteter Zellen abschwächt, scheint Teriflunomid flussabwärts der Calciumkaskade einzugreifen. Eine leichte Zellschrumpfung ist unter Kontrollbedingungen und oxidativem Stress detektierbar und paradoxerweise wird sie parallel dazu bei oxidativem Stress durch die Substanz abgeschwächt.
Für Teriflunomid wurde mit dieser Arbeit eine anti-eryptotische Eigenschaft entdeckt, die in Abwesenheit der mitochondrialen DHODH stattfindet. Damit kann Teriflunomid als anti-eryptotisches Medikament zur Therapie von Krankheiten mit erhöhter Eryptoserate in Betracht gezogen werden.