Inhaltszusammenfassung:
Die Typ A Aortendissektion (TAD) ist ein kardiochirurgischer Notfall mit hoher Mortalität und Morbidität. Eine effiziente Prophylaxe der Erkrankung im Sinne einer Früherkennung von Risikopatienten und einer prophylaktischen Operation ist erstrebenswert. Der momentan einzige akzeptierte morphologische Prädiktor der TAD ist der Aorta ascendens Durchmesser, die Leitlinien beziffern einen Referenzwert von 55 mm für die Indikation zur prophylaktischen Operation. Es herrscht jedoch wissenschaftlicher Konsens darüber, dass auf Basis dieses Diameters keine suffiziente Prophylaxe möglich ist, da die weitaus meisten TAD unterhalb des Diameters von 55 mm geschehen, in unseren Daten betrug die Sensitivität zur Erkennung von Risikopatienten lediglich 6%. In voran- gegangenen Arbeiten konnte die Länge der Aorta ascendens als potenzieller, zusätzlicher Prädiktor identifiziert werden. Bislang wurden alle Aortenparameter als starre Absolutwerte und ohne Bezugnahme auf Geschlecht, Patientenalter und Körperbau untersucht. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, den Zusammenhang der normalen Aortenmorphologie mit den genannten demographischen und anthropometrischen Parametern zu untersuchen. Zudem sollten patientenadaptierte Normal- und Referenzwerte generiert werden, die eine zukünftig bessere Identifikation von TAD Risikopatienten und damit eine bessere Prophylaxe ermöglichen. Zu diesem Zwecke analysierten wir in retrospektiver Weise vorliegende computertomographische Datensätze von insgesamt 1061 Patienten. Hierbei entfielen 510 Patienten auf eine Kontrollgruppe ohne bekannte Aortenpathologien, an welcher die Regressionsanalysen vorgenommen wurden. 143 weitere Patienten ohne bekannte Aortenerkrankungen wurden zur Validierung der Daten untersucht. 125 Patienten mit bekannten Aortenektasien (45-54 mm) und 58 Patienten mit bekannten Aortenaneurysmen (≥55 mm) wurden ebenso analysiert wie 206 Patienten mit manifester TAD und 19 Patienten, von denen eine Bildgebung vor dem Entstehen einer TAD vorlag (präTAD). Die Computertomographien wurden nach der „curved-multiplanar-reformats-Methode“ rekonstruiert und für die Studie ausgewertet. Der Aortendiameter und die Länge der Aorta ascendens, gemessen von der Aortenklappenebene bis zum Abgang des Truncus brachiocephalicus
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waren in der Kontrollgruppe normalverteilt und betrugen 33,8 mm (SD ±5,2 mm) und 91,9 mm (SD ±12,2 mm). Beide Werte waren signifikant jeweils mit Alter und Geschlecht korreliert, auch fanden sich signifikante, aber schwache Korrelationen mit Parametern der Anthropometrie. In der multivariablen Regressionsanalyse konnten signifikante Modelle für die abhängigen Variablen Aorta ascendens Diameter und -Länge generiert werden. Die erklärenden unabhängigen Variablen waren jeweils Alter und Geschlecht und im Falle des Aortendurchmessers die Körperoberfläche, im Falle der Aortenlänge die Körpergröße. Die Referenzwerte bildeten wir durch Addition der doppelten Standardabweichungen aus der Grundgesamtheit. Wir validierten die genannten Regressionsgleichung intern (fünffache Kreuzvalidierung) und extern. Der aus der Regressionsanalyse resultierende Algorithmus vermochte zwischen Kontrollgruppenpatienten und solchen vor einer TAD (präTAD) zu unterscheiden: Der Diameter-Algorithmus bewertete 42% der präTAD-Patienten, der Längen- Algorithmus 18% der präTAD-Patienten als auffällig. Bei kombinierter, und damit denkbar konservativer Anwendung beider Algorithmen zur Indikationsstellung einer prophylaktischen Operation ergäbe dies in unseren retrospektiven Daten eine Sensitivität von 16%, immerhin dreimal höher als mit dem etablierten 55 mm Grenzwert, bei identischer Spezifität von >99%. Hieraus schließen wir, dass die Bewertung der Aortenmorphologie und ihre Beurteilung hinsichtlich pathologischer Werte und des daraus resultierenden Risikos immer unter Einbeziehung des Alters, des Geschlechtes und der Körperoberfläche bzw. der Größe des jeweiligen Patienten erfolgen sollte. Die Länge der Aorta ascendens stellt darüber hinaus einen weiteren Parameter dar, der eine Risikoabschätzung hinsichtlich einer TAD insbesondere in jenen Patienten mit nur ektatischer Aorta erlaubt. Zukünftige Studien, möglichst multizentrisch und populationsbasiert, müssen die hier gefundenen Algorithmen evaluieren, ggf. optimieren und klären, ob durch sie eine bessere Prophylaxe der TAD möglich ist. Weiter muss zukünftig geprüft werden, inwiefern andere Parameter in die multivariate Risikovorhersage integriert werden können, um eine möglichst präzise Vorhersage und damit wirkungsvolle TAD Prophylaxe zu ermöglichen.