Inhaltszusammenfassung:
Ein Posttransplantationsdiabetes mellitus (PTDM) ist eine häufige Komplikation nach solider Organtransplantation, so auch nach Lebertransplantation (LTX). Ein PTDM birgt Komplikationen, die weitreichende Auswirkungen auf Ergebnis und Überleben der Patienten haben. Die literarischen Angaben bezüglich der Epidemiologie von PTDM und Prädiabetes streuen stark, zudem sind meist Punktprävalenzen oder kumulative Inzidenzen angegeben. Bezüglich der Angaben zu Prädiabetes liegen insgesamt nur wenige Daten vor. Das Ziel dieser Arbeit war es daher, eine longitudinale Beobachtung aller erwachsenen Patienten durchzuführen, die zwischen 2007 und 2017 eine LTX am Universitätsklinikum Tübingen erhielten, um die Dynamik des Glukosemetabolismus im Langzeitverlauf zu entschlüsseln, sowie dessen Einflussfaktoren und Auswirkungen zu identifizieren. Hierfür wurden die Patienten anhand von HbA1c-Wert und Nüchternblutglukose in normale Glukosetoleranz (NGT), Prädiabetes und PTDM eingeteilt, jeweils in definierten Zeitintervallen im Langzeitverlauf nach LTX. Weiterhin wurden verschiedene Basis- und Verlaufsparameter erfasst. Es wurden 102 Patienten mit vorbestehendem Diabetes mellitus (DM) sowie 327 Patienten ohne vorbestehenden DM in die Studie eingeschlossen. Letztere wurden in die Langzeitanalyse des Glukosemetabolismus einbezogen. Die mediane Nachbeobachtungszeit dieser Patienten betrug 37 [9 – 64] Monate. Die mediane Prävalenz von Prädiabetes betrug 39 [37 – 39] %, die von PTDM 21 [17 – 22] %. Beide Prävalenzen blieben während der gesamten Nachbeobachtungszeit bis zu 10 Jahren sehr hoch. Nur 68 Patienten (21%) wiesen während des gesamten Beobachtungszeitraums einen NGT auf. Es konnte zudem erstmals dargestellt werden, dass ein hoher intraindividueller und kontinuierlicher Wechsel zwischen den verschiedenen Stoffwechselzuständen über die gesamte Nachbeobachtungszeit stattfindet. Einen signifikanten Einfluss auf HbA1c und Nüchternblutglukose hatten Patientenalter, Body Mass Index (BMI), Tage nach LTX und ein immunsuppressives Regime mit Prednisolon und Calcineurininhibitoren. Zudem konnten wir zeigen, dass der Glukosestoffwechsel sowohl Nierenfunktion als auch Gesamtüberleben signifikant beeinflusste. Interessanterweise stellte sich der Prädiabetes hier als ein Risikozustand dar, der selbst noch nicht mit eingeschränkter Prognose einherging und somit die Möglichkeit für gerzielte Interventionen bietet, um das Voranschreiten zu einem manifestem PTDM zu verhindern. Modifizierbare Risikofaktoren wie BMI und immunsuppressive Therapie bilden mögliche Ansatzpunkte. Weitere Forschungsprojekte müssen zeigen, ob dies letztendlich auch zu einem besseren Patientenüberleben führt. Einem gestörten Glukosemetabolismus sollte in der Nachsorge nach LTX unbedingt regelmäßig Beachtung gewidmet werden, um mit fortlaufendem und regelmäßigem Screening, frühzeitiger Intervention und ggf. zeitgerechter Therapie das Ergebnis und Überleben der Patienten zu verbessern.