Anforderungen, psychische Belastung sowie Ressourcen von Sozialarbeiter:innen in der Arbeit mit IS-traumatisierten Frauen und Kindern. Eine Erhebung im Rahmen des Sonderkontingents für besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak der Landesregierung Baden-Württemberg

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Zitierfähiger Link (URI): http://hdl.handle.net/10900/119564
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-1195645
http://dx.doi.org/10.15496/publikation-60937
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2021-10-12
Sprache: Deutsch
Fakultät: 4 Medizinische Fakultät
Fachbereich: Medizin
Gutachter: Junne, Florian (PD Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2021-08-26
Schlagworte: Psychosomatik , Sozialarbeiter , Flucht , Posttraumatisches Stresssyndrom
Freie Schlagwörter: Trauma, Flucht, Soziale Arbeit, Belastungen, Ressourcen
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Flucht und Migration gehen mit großen psychischen Belastungen einher. Sowohl vor, während als auch nach der Migration können belastende Situationen oder Lebensumstände auftreten, was dazu führt, dass viele Geflüchtete unter massiven psychischen Problemen leiden. Die Arbeit mit Geflüchteten stellt Leistungserbringer:innen vor große Herausforderungen. Es wurde bereits von mehreren Autor:innen darauf hingewiesen, dass die Belastungen der Helfenden, die mit Geflüchteten arbeiten, in den Fokus gerückt werden sollten. Die Truppen des sogenannten „Islamischen Staats“ überfielen im August 2014 Siedlungsgebiete im Nordirak, um die dort ansässige jesidische Minderheit auszulöschen. In der Folge kam es zu Hinrichtungen von Männern, Verschleppung und Versklavung von Frauen und Kindern. Diese erlebten in der Gefangenschaft - teilweise über einen längeren Zeitraum - massive (sexualisierte) Gewalt, was häufig zu schwerer Traumatisierung führte. Im Rahmen des von der Landesregierung Baden-Württemberg initiierten Sonderkontingents für besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak wurden 2015 und 2016 ca. 1100 Frauen und Kinder an 24 Standorten in Baden-Württemberg untergebracht. Die Sozialarbeiter:innen stellten die zahlenmäßig größte Berufsgruppe im Sonderkontingent. Gleichzeitig handelte es sich um die Berufsgruppe mit den längsten wöchentlichen Kontaktzeiten in der direkten Betreuung der Betroffenen. Ziel dieser explorativen Studie war es, das Ausmaß der Belastungen von Sozialarbeiter:innen zu ermitteln, die mit traumatisierten Geflüchteten arbeiteten. Darüber hinaus sollten Ressourcen und hilfreiche Faktoren identifiziert und beschrieben werden. Die querschnittliche Studie erfolgte anhand eines gemischtmethodischen Designs und enthielt qualitative und quantitative Anteile. Aufgrund der deutlich komplexeren Auswertung stand der qualitative Ansatz hierbei im Vordergrund. Der quantitative Teil umfasste den Perceived Stress Questionnaire (PSQ) und einen eigens für diese Studie entwickelten, siebenstufigen likert-skalierten Fragebogen (1 = sehr gering, 7 = sehr hoch). Es erfolgten deskriptive Auswertungen inklusive Streuungsmaßen. Für den PSQ wurden zusätzlich Subskalen berechnet und Vergleiche mit etablierten Normwerten durchgeführt. Der qualitative Teil enthielt 5 Fokusgruppendiskussionen und 16 Einzelinterviews, bei denen Sozialarbeiter:innen des Projekts zu ihren Belastungen und Ressourcen in Bezug auf ihre Arbeit befragt wurden. Die Auswertung erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring einschließlich Queranalyse entlang der Subskalen des PSQ. Dabei wurden 775 Textabschnitte, die auch Kodiereinheiten genannt werden, in mehreren Analyseschleifen relevanten Themenkomplexen zugeordnet. Die Ergebnisse der einzelnen Analyseschritte wurden regelmäßig im gesamten Forschungsteam diskutiert. Die Ergebnisse der quantitativen Daten zeigten, dass die wahrgenommene Belastung von Sozialarbeiter:innen, die mit Geflüchteten arbeiten, hoch zu sein scheint. In der Analyse der qualitativen Daten wurden 6 Hauptkategorien gefunden. Davon erwiesen sich die Kategorien „Beziehung zu den Betroffenen“, „Zusammenarbeit“ und „Fachliche Aspekte“ als besonders relevant, da ihnen 528 der insgesamt 775 Textstellen zugeordnet werden konnten. In der Queranalyse zeigte sich, dass Anforderungen wie die Sprachbarriere, Inkongruenz mit dem eigenen Wertesystem, die Konfrontation mit Traumainhalten oder fehlende Supervision zum Stresserleben beitragen. Als hilfreich im Umgang mit den beruflichen Anforderungen wurden von den Befragten spezifisches Wissen über die Kultur der Betroffenen, Zeit für Supervision sowie Vernetzung mit Mitarbeiter:innen innerhalb des Projekts benannt. Die Befragten gaben an, dass Wertschätzung von Seiten der Betroffenen, persönliche und fachliche Weiterentwicklung sowie ein starkes Teamgefühl zum Erleben von Freude im beruflichen Kontext beitragen. Daraus lässt sich ableiten, dass der Umgang mit belastenden Faktoren durch Weiterbildung und Supervision erleichtert werden könnte. Da das Ausmaß der Belastung der einzelnen Personen stark von den persönlichen Erfahrungen und Ressourcen abzuhängen schien, sollte das individuelle Ausmaß psychischer Belastungen regelmäßig mit Instrumenten wie beispielsweise dem PSQ erhoben und evaluiert werden, um frühe Anzeichen einer Überlastung nicht zu übersehen. Anhand der Ergebnisse und aktueller Literatur konnte ein Maßnahmenkatalog entwickelt werden, der dazu dienen soll, Belastungen zu reduzieren, Ressourcen zu fördern und besonders belastete Mitarbeiter:innen frühzeitig zu identifizieren, um ihnen zusätzliche Unterstützungsangebote anbieten zu können. Zudem sind die Ergebnisse relevant für ressourcenstärkende Supervisionsarbeit sowie für die Entwicklung von Ausbildungskurrikula für die Arbeit mit traumatisierten Geflüchteten.

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