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Transporte über die Plasmamembran durch Pumpen, Transporter und Ionenkanäle
schaffen und nutzen chemische und elektrische Gradienten zur pH-Homöostase,
Substratversorgung und Kataboliten-Entsorgung einer jeden Zelle. Zudem
kontrollieren sie das Zellvolumen und sind deswegen übergeordnete Regulatoren
von Zellproliferation, Zellmigration und Zelltod. Ionenkanäle erzeugen in
erregbaren Zellen elektrische Signale. Sie steuern aber als integrale Module auch
biochemische Signaltransduktionsketten, indem sie zum Beispiel in
Proteinkomplexen mit Membranrezeptoren und „downstream“ Effektor-Proteinen
physisch interagieren oder Ca2+-Signale und Ca2+-Effektorproteine regulieren. Tumorzellen zeichnen sich durch eine aberrante Expression von Ionenkanälen/Transportern aus, welche spezifische Funktionen in der
Tumorbiologie ausüben, die sich häufig von ihren ursprünglichen Funktionen in
nicht-transformierten Zellen unterschieden. Ein plakatives Beispiel dazu sind
spannungsaktivierte Natrium-Kanäle, die in normalen erregbaren Zellen
Aktionspotentiale aufbauen und in metastasierenden Karzinomzellen die
Gewebeinvasion steuern.
Ziel der vorliegenden Promotionsarbeit war, in Tumorzellen die Modulation von
Ionenkanälen/Transportern in der Plasmamembran durch therapeutisch relevante
Dosen von ionisierender Strahlung zu beschreiben. Hierzu wurden in Zelllinien
unterschiedlicher humaner Tumorentitäten (chronische myeloische Leukämie
(CML), T-Zell akute lymphatischer Leukämie (T-ALL), Lungen-Adenokarzinom,
Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinom und Glioblastom) nach Bestrahlung mit 0 Gy
bzw. 2-10 Gy Photonen mit der Patch-Clamp-Methode elektrophysiologisch
abgeleitet und in der Spannungsklemme Ganzzell- bzw. makroskopische Cell attached-Ströme sowie in der 0 pA-Stromklemme das Membranpotential
gemessen.
Dabei zeigte sich, dass innerhalb wenigen Stunden nach Bestrahlung Ca2+
-permeable nichtselektive Kationenkanäle (nicht näher definiert in CML-Zellen,
TRPM2 in T-ALL-Zellen), K+-Kanäle (Kv3.4 und hERG1 in CML-Zellen, IKCa in T-ALL- und Glioblastomzellen, BKCa in Glioblastomzellen,) sowie Cl--Kanäle (Clc-3-
ähnliche Kanäle in Glioblastomzellen) aktivieren. Die radiogene Indukton der Cl-Kanal-Aktivierung in den Glioblastomzellen benötigte die Aktivität der BKCa-Kanäle,
wodurch die bereits bekannte Signaling-Funktion der BKCa-Kanäle bestätigt wurde.
Die Membranpotential-Ableitungen in den Lungenadenokarzinom-Zellen zeigten
eine strahleninduzierte transiente Hyperpolarisation, gefolgt von einer länger anhaltenden Depolarisation des Membranpotentials, die 3 h nach Bestrahlung maximal war. Wegnahme der extrazellulären Glukose revertierte die radiogene Depolarisation, der Glukose-Transport-Hemmer Phlorizin und der EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor Erlotinib hemmten sie. Dies lässt auf eine radiogene, EGFR-Tyrosinkinase vermittelte Aktivierung einer Phlorizin-sensitiven Na+-gekoppelten Glukose-Aufnahme über SGLT-Transporter schließen. Eine radiogene SGLT-Aktivierung wurde auch in den Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinom-Zellen beobachtet.
Begleitende Experimente des Labors Experimentelle Radioonkologie und der
Sektion für Strahlenbiologie und Molekulare Umweltforschung, Klinik für
Radioonkologie in Tübingen, demonstrierten, dass die radiogene Aktivierung der
Ionenkanäle/Transporter zum klonogenen Überleben der Tumorzellen beitragen.
Pharmakologische Hemmung oder Knockdown der Ionenkanäle/Transporter
radiosensibilisiert die Tumorzellen und zeigt damit deren funktionelle Relevanz für
die DNA-Schadensantwort. Als Mechanismen konnte dabei Ionenkanal-reguliertes
radiogenes Ca2+-Signaling identifiziert werden, das in CML-, T-ALL- und Glioblastom-Zellen nachgeschaltet Isoformen von CaMKII aktiviert, wodurch über Inhibition von Cdc-25 und Cdc-2 der Zellzyklus in den bestrahlten Zellen an den Fortschritt der DNA-Reparatur angepasst wird. In den Glioblastomzellen trägt zudem die radiogene Aktivierung der BKCa- und Cl--Kanäle zur verstärkten Migration und Gehirninfiltration der Zellen bei, was möglicherweise auch zum Therapieversagen beitragen kann. Mithilfe erhöhter SGLT-Aktivität erhöhen bestrahlte Karzinomzellen ihre Glukoseaufnahme, um so den durch DNA-Reparatur erhöhten Energieverbrauch ausgleichen zu können. |
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