Inhaltszusammenfassung:
Fragestellung
Zur operativen Therapie von Fingergrundgliedfrakturen sind geschlossene-(Kirschner- Draht-Osteosynthese) und offene-Verfahren (Schrauben- und/oder Plattenosteosynthese) gängige Behandlungsmethoden. Die perkutane antegrade K-Draht-Osteosynthese gilt als kosteneffiziente und komplikationsarme Methode. Zu ihren Vorteilen zählt, dass im Gegensatz zu offenen Verfahren keine Notwendigkeit zur relevanten Weichteildissektion besteht, wodurch die Gefahr von Adhäsionen und Narbenbildung mit der Folge von Bewegungseinschränkungen reduziert wird. Im Vergleich zu ORIF-Verfahren gilt jedoch die als obligatorisch erachtete postoperative Frakturruhigstellung als nachteilig für das funktionelle Ergebnis. Das Ziel dieser Studie lag in der Bewertung der perkutanen antegraden K-Draht-Osteosynthese als operatives Verfahren zur Versorgung von Fingergrundgliedfrakturen. Zudem wurden ein konventionell-statisches und ein frühfunktionelles Nachbehandlungsschema miteinander verglichen, von denen das frühfunktionelle keine postoperative Frakturruhigstellung mehr vorsieht.
Methoden
Eingeschlossen wurden n = 90 Patienten, die von 2010–2017 in der BG Unfallklinik Tübingen wegen einer Fingergrundgliedfraktur mittels perkutaner antegrader K-Draht- Osteosynthese versorgt und frühfunktionell oder konventionell-statisch nachbehandelt wurden. Ausgeschlossen wurden Patienten mit multiplen Frakturen oder Verletzungen von Sehnen, Gefäßen oder Nerven. Es wurden retrospektive Daten aus der Behandlungsdokumentation und prospektive Daten, deren Erhebung im Rahmen klinischer Nachuntersuchungen in der BG Unfallklinik Tübingen stattfand, analysiert. Hauptzielkriterien zur Evaluation der funktionellen Ergebnisse beider Nachbehandlungsschemata waren die relative Total Active Motion als objektiver Parameter und der DASH-Score als subjektiver Parameter, der die Patientensicht auf den Funktionszustand der Hand berücksichtigt.
Ergebnisse
In der prospektiven Datenerhebung zeigten sich hinsichtlich der Hauptzielkriterien (DASH-Score, TAMrel) entgegen der Erwartungen keine signifikanten Gruppenunterschiede. Die Beweglichkeit (TAMrel) der ehemals frakturierten Finger (im Verhältnis zur gesunden Gegenseite) lag bei im Median 90,3 %, was objektiv gute funktionelle Ergebnisse in beiden Nachbehandlungsgruppen zeigte. Der mediane DASH- Score lag bei 1,7, somit lag auch aus subjektiver Patientensicht in beiden Nachbehandlungsgruppen ein insgesamt hohes Funktionsniveau vor. Die retrospektive Auswertung zeigte komplikationslose Behandlungsverläufe in 94,9 % der Fälle. Komplikationen, die sekundäre Operationen notwendig machten, traten in etwa 5 % der Fälle in Form von Pseudarthrosenbildung, Sehnenadhäsionen und Frakturdislokationen auf. Obgleich alle Komplikationen nach konventionell-statischer Nachbehandlung auftraten, zeigten die Gruppenunterschiede keine Signifikanz. In beiden Gruppen kamen Rotationsfehlstellungen vor, die in der Tendenz gehäuft nach Mehrfragment- bzw. Trümmerfrakturen auftraten. Hinsichtlich der postoperativen Arbeitsunfähigkeitsdauer zeigte sich ein Unterschied zwischen den Nachbehandlungsgruppen. Während frühfunktionell nachbehandelte Patienten im Median 2,5 Wochen lang nicht arbeitsfähig waren, war dies bei konventionell-statisch nachbehandelten Patienten im Median 9,0 Wochen und damit signifikant länger der Fall.
Diskussion und Schlussfolgerung
Die perkutane antegrade K-Draht-Osteosynthese mit frühfunktioneller Nachbehandlung ist ein suffizientes und den Erkenntnissen dieser Studie nach sicheres Verfahren bei Fingergrundgliedfrakturen. Sie eignet sich zur Therapie von Patienten jeden Alters mit und ohne Vorerkrankungen sowie eines breiten Spektrums an Fingergrundgliedfrakturen, zu denen auch Frakturen mit Gelenkbeteiligung und offenen Wunden gehören. Grundlegend sollte die Verwendung von zwei K-Drähten angestrebt werden. In der Zusammenschau bestehen Vorteile für die frühfunktionelle Nachbehandlung gegenüber dem konventionell-statischen Nachbehandlungsschema. Bei gleichwertigen funktionellen Ergebnissen, geringerem materiellen Aufwand durch den Verzicht auf die Schienenanpassung, tendenziell höherer Patientenzufriedenheit und signifikant kürzerer Arbeitsunfähigkeit stimmen die Erkenntnisse dieser Studie zuversichtlich, dass sich die perkutane antegrade K-Draht-Osteosynthese mit frühfunktioneller Nachbehandlung als Verfahren zur Therapie von Fingergrundgliedfrakturen weiter etabliert und auch in anderen Traumazentren Deutschlands und darüber hinaus zunehmend Anwendung findet.