Inhaltszusammenfassung:
Das Verständnis der Prinzipien, die menschlichen Bewegungen zugrunde liegen, ist die Basis für die Untersuchung der Entstehung gesunder Bewegungen und, was noch wichtiger ist, der Entstehung motorischer Störungen aufgrund neurodegenerativer Erkrankungen oder anderer pathologischer Zustände.
Dieses Verständnis zu erlangen ist jedoch herausfordernd, da menschliche Bewegung das Ergebnis eines komplexen, dynamischen Zusammenspiels von biochemischen und biophysikalischen Prozessen im Bewegungsapparat und den hierarchisch organisierten neuronalen Kontrollstrukturen ist.
Um die Wechselwirkungen dieser Strukturen zu untersuchen, bieten Computersimulationen, die mathematische Modelle des muskuloskelettalen Systems mit Modellen seiner neuronalen Kontrolle kombinieren, ein nützliches Werkzeug.
In diesen Simulationen können einzelne Prozesse oder ganze Funktionseinheiten deaktiviert oder gestört werden, um die Auswirkungen dieser Veränderungen auf die vorhergesagten Bewegungen zu untersuchen.
Die Plausibilität der zugrundeliegenden Modelle kann durch den Vergleich der Simulationen mit Daten aus Humanexperimenten und biologisch inspirierten Robotermodellen beurteilt werden.
Das Ziel dieser Arbeit war es, neuro-muskuloskelettale Modelle als Hilfsmittel zur Untersuchung von Konzepten der biologischen Bewegungskontrolle zu verwenden.
Von besonderem Interesse war der Beitrag der Muskeldynamik zur Kontrolle, d.h. wie die intrinsischen muskuloskelettalen Eigenschaften die motorische Kontrolle vereinfachen, ohne die motorische Genauigkeit zu beeinträchtigen.
Zusätzlich wurde der Einfluss propriozeptiver Reflexmechanismen in verschiedenen Szenarien getestet.
Die verwendeten neuro-muskuloskelettalen Modelle sind eine Kombination von Mehrkörpermodellen der Muskel-Skelett-Struktur des Armes oder des ganzen Körpers mit einem biologisch inspirierten hybriden Gleichgewichtspunkt-Kontrollmodell.
In einer Simulationsstudie stellten wir fest, dass unser Armmodell realistische Reaktionen auf externe mechanische Störungen für zielgerichtete Bewegungen mit einem Freiheitsgrad vorhersagt.
Auf dieser Grundlage simulierten wir die Anwendung von tragbaren Assistenzgeräten zur Kompensation unerwünschter Hypermetrie, d.h. einer überschießenden Reaktion bei zielgerichteten Bewegungen im Zusammenhang mit zerebellärer Ataxie und anderen neurodegenerativen Erkrankungen.
Wir fanden heraus, dass einfache mechanische Hilfsmittel ausreichend sein können, um die Hypermetrien auf ein normales Niveau zu reduzieren.
Wir stellten jedoch auch fest, dass die Größe des Drehmoments und der Kraft, die zur Kompensation der Störung erforderlich sind, möglicherweise deutlich unterschätzt wird, wenn die Muskel-Sehnen-Eigenschaften im Modell nicht berücksichtigt werden.
Die Ergebnisse dieser beiden Studien bestätigten die Hypothese aus der Literatur, dass die Morphologie des Muskel-Skelett-Systems signifikant zur Bewegung beiträgt und somit deren Kontrolle vereinfacht.
Deshalb haben wir einen informationstheoretischen Ansatz verwendet, um diesen Beitrag für zielgerichtete und oszillatorische Armbewegungen mit zwei Freiheitsgraden zu charakterisieren.
Die Ergebnisse bestätigten, dass die unteren Kontrollebenen, einschließlich der Muskeln und ihrer Aktivierungsdynamik, wichtige Beiträge zur gesamten Kontrollhierarchie leisten.
Beispielsweise führt ein einfaches, stückweise konstantes Muskelstimulationssignal, das nur wenig Information enthält, zu einer geschmeidigen Bewegung.
Der physiologische Detailgrad, der in unseren Muskel-Skelett-Modellen enthalten ist, ermöglicht nicht nur die Untersuchung von Theorien zur motorischen Kontrolle, sondern auch die Untersuchung von Größen wie inneren Kräften in Muskeln und Gelenken, die experimentell normalerweise nicht zugänglich sind.
Diese Größen sind zum Beispiel in der Ergonomie und für die Entwicklung von Assistenzgeräten von Bedeutung.
In einer Ganzkörpersimulationsstudie untersuchten wir den Beitrag des Dehnungsreflexes zu den resultierenden Muskelkräften bei einer aktiven externen Repositionierung des Hüftgelenkes für einen großen Bereich von Bewegungsgeschwindigkeiten.
Wir fanden heraus, dass der relative Kraftbeitrag des Feedback-Mechanismus vom modellierten kognitiven Zustand abhängig ist und einen nicht vernachlässigbaren Beitrag leistet, insbesondere bei hohen Repositionsgeschwindigkeiten.
Die Gesamtheit unserer Ergebnisse zeigt, dass die Eigenschaften des Bewegungsapparates signifikant zur Erzeugung und Kontrolle von Bewegung beitragen und es daher wichtig ist, sie bei der Modellierung der menschlichen Bewegung zu berücksichtigen.
Daher sprechen die Ergebnisse für die Kombination eines physiologisch fundierten biomechanischen und biochemischen Modells des Bewegungsapparates mit biologisch inspirierten Konzepten der motorischen Kontrolle.
Diese Computersimulationen haben sich als ein nützliches Werkzeug zum Verständnis der Prozesse erwiesen, die der Erzeugung gesunder und pathologisch beeinträchtigter menschlicher Bewegungen zugrunde liegen.
Abstract:
Understanding the principles underlying human movement is the basis for investigating the generation of healthy movements and, more importantly, the origins of motor disorders due to neurodegenerative diseases or other pathological conditions.
However, gaining this understanding is challenging since human motion is the result of a complex, dynamic interplay of biochemical and biophysical processes in the musculoskeletal system and the hierarchically organized neuronal control structures.
To study the interactions of these structures, computer simulations that combine mathematical models of the musculoskeletal system with models of its neuronal control provide a useful tool.
In these simulations, single processes or whole functional units can be disabled or perturbed to study the effects of these changes on the predicted movements.
The plausibility of the underlying models can be assessed by comparing the simulations with data from human experiments and biologically inspired robotic models.
The purpose of this work was to use neuro-musculoskeletal models as tools to study concepts of biological motor control.
Of particular interest was the contribution of muscle dynamics to the control, i.e. how the intrinsic musculoskeletal properties simplify motor control without compromising motor accuracy.
Additionally, the influence of proprioceptive reflex mechanisms was tested in different scenarios.
The neuro-musculoskeletal models that were used are a combination of multibody musculoskeletal models of the arm or the whole body with a biologically inspired hybrid equilibrium-point controller.
In a simulation study, we found that our arm model predicts realistic reactions to external mechanical perturbations while performing one-degree-of-freedom goal-directed movements.
Based on this, we simulated the application of wearable assistive devices to compensate for unwanted hypermetria, i.e. an overshooting response in goal-directed movements associated with cerebellar ataxia and other neurodegenerative disorders.
We found that simple mechanical devices may be sufficient to reduce the hypermetria to a normal level.
However, we also observed that the magnitude of torque and power that is required to compensate for the disorder may be significantly underestimated if muscle-tendon characteristics are not considered in the computational model.
The results of these two studies confirmed the hypothesis from literature that the morphology of musculoskeletal systems significantly contributes to the movement and thus simplifies its control.
Therefore, we made use of the information-theoretic approach of quantifying morphological computation to characterize this contribution for goal-directed and oscillatory arm movements with two degrees of freedom.
The results asserted that the lower levels of control, including the muscles and their activation dynamics, make important contributions to the overall control hierarchy.
For example, a simple piecewise constant muscle stimulation signal that contains only little information results in a smooth movement.
The level of physiological detail that is included in our musculoskeletal models does not only allow for the examination of motor control theories but also makes it possible to study quantities like internal forces in muscles and joints, usually not experimentally accessible.
These quantities are relevant, for example, in ergonomics and for the development of assistive devices.
In a whole-body simulation study, we investigated the contribution of the stretch reflex to the resulting muscle forces during active external repositioning of the hip joint for a large range of movement velocities.
We found that, depending on the modeled cognitive state, the relative force contribution of the feedback mechanism is not negligible, especially for high repositioning velocities.
The entirety of our results shows that the properties of the musculoskeletal system significantly contribute to the generation and control of movement and, thus, it is important to take them into account when modeling human movement.
Therefore, the results advocate the combination of a physiologically well-founded biomechanical and biochemical model of the musculoskeletal system with biologically inspired concepts of motor control.
These computer simulations have proven to be a useful tool towards the comprehension of the processes underlying the generation of healthy and pathologically impaired human movements.