Inhaltszusammenfassung:
Seit Jahrzehnten steigen die Inzidenzraten des malignen Melanoms (MM) weltweit rasant an, während sich die Mortalitätsraten zu stabilisieren scheinen. Durch die vermehrte Implementierung von Früherkennungsuntersuchungen und Screeningprogrammen sind heute etwa 70% aller diagnostizierten MM ≤ 1 mm. Charakteristisch für das MM ist die Fähigkeit bereits mit geringer Tu-mordicke zu metastasieren, woraus eine deutlich schlechtere Prognose für die Patienten resultiert. Die vorliegende Arbeit soll Unterschiede und Gemein-samkeiten von Patienten mit dünnen MM (≤ 1mm) und Patienten mit dicken MM (> 1mm), mit besonderem Fokus auf die Metastasierung, herausarbeiten und die Überlebenswahrscheinlichkeiten aufzeigen.
Die Auswertungen fanden an 8.375 Patienten statt, die sich im Zeitraum von Januar 1981 bis Dezember 2010 in der Universitäts-Hautklinik Tübingen auf-grund eines primären Melanoms in Behandlung bzw. Nachbeobachtung be-fanden. Bei Erstdiagnose hatten die Patienten maximal ein Tumorstadium 3A und wiesen mindestens ein Clark-Level ll auf. Die Nachbeobachtungszeit be-trug drei Monate oder länger.
In den Auswertungen wurde deutlich, dass unter den Patienten mit dünnen MM mehr Frauen sind (55,3%), welche mit 51 Jahren (Median) durchschnitt-lich jünger sind als Patienten mit dicken MM (Altersmedian 58 Jahre). Unter Patienten mit dicken MM ist die Geschlechtsverteilung ausgeglichen (Frauen: 50,9%; Männer: 49,1%). Der häufigste histologische Subtyp bei Patienten mit dünnem MM ist eindeutig das SSM (82,2%), gefolgt vom LMM (10,4%). Bei Patienten mit dicken MM ist der relative Anteil an NM (24,5%) und ALM (6,4%) viel höher als bei den dünnen MM (1,2% und 1,5%). Bei dünnen MM treten kaum Ulzerationen auf (1,4%) im Vergleich zu dicken MM (17,7%). Während die dünnen MM meist am Stamm vorkommen (42,7%), sind die dicken MM gleichmäßig an Stamm und unterer Extremität lokalisiert (33,4% und 32,4%). Rezidive kamen deutlich häufiger bei Patienten mit dicken MM (34%) als bei Patienten mit dünnen MM (6,4%) vor, wobei der Anteil an Fernmetastasen auch bei Patienten mit dicken MM mit 70,1 % etwas höher als bei Patienten mit dünnem MM (63,2 %) lag.
Die Überlebenszeitanalysen nach Kaplan-Meier spiegeln dies wider: Nach zehn Jahren sind unter den Patienten mit dünnen MM 91,6 % rezidivfrei, aber nur 61,8 % der Patienten mit dickem MM. Für das fernmetastasenfreie Über-leben zeichnet sich ein ähnlicher, insgesamt etwas besserer Trend ab (dünne MM: 94,6%; dicke MM: 72,1%). Auch beim melanomspezifischen Gesamtüber-leben sind Patienten mit dünnen MM deutlich im Vorteil: Sie überleben zu 95,3 % zehn Jahre nach Erstdiagnose (dicke MM: 74,5%). Im Unterkollektiv der me-tastasierten Patienten (n=1.402) war das Überleben erwartungsgemäß schlechter, jedoch wurde an dieser Stelle das erste Mal deutlich, dass es ab einer Tumordicke von 0,5 mm rapide abnimmt (≤ 0,5mm: 52 – 63,3%; > 0,5mm: 25,6 – 36,1%).
Die Grenze von 0,5 mm bestätigt sich auch in den darauffolgenden Cox-Regressionsanalysen. Einen signifikant unabhängigen Einfluss auf das re-zidivfreie und melanomspezifische Überleben haben im multivariaten Modell die Parameter Tumordicke, Körperlokalisation, histologischer Subtyp und Ul-zeration, während die Ergebnisse für Geschlecht und Alter nicht immer signifi-kant ausfielen. Bei den metastasierten Patienten haben im Gegensatz nur noch das Geschlecht und die Körperlokalisation einen unabhängigen Einfluss auf das Überleben. In den CART-Analysen konnten letztendlich prognostische Gruppen aus den signifikanten Ergebnissen der Cox-Regression abgeleitet werden. Ein ulzeriertes ALM mit einer Tumordicke > 1 mm wirkt sich negativ auf das rezidivfreie Überleben aus und Männer mit ulzeriertem dicken MM (> 1 mm) weisen ein schlechteres Gesamtüberleben auf. Auch unter den Patienten mit dünnen MM (> 0,5 – 1,0mm) senkt eine Ulzeration das rezidivfreie 10-Jahres-Überleben von 90,2 % auf 75 % herab. Interessanterweise spielt das sonst nicht signifikante Clark-Level bei Patienten mit dünnen MM (≤ 0,5 mm) doch eine Rolle in Bezug auf das rezidivfreie Überleben. Auch die Lokalisati-on des MM im Kopf-Hals-Bereich, sowie das männliche Geschlecht, ver-schlechtern die Prognose der Patienten mit dünnen MM (≤ 1 mm).
Die Verteilung der Patienten- und Tumorcharakteristika entspricht weitestge-hend den aktuellen Studienergebnissen. Patienten mit dicken MM sind ver-mehrt Männer im fortgeschrittenen Alter, deren MM an versteckten Körperloka-lisationen, wie dem Rücken oder der behaarten Kopfhaut, auftreten. Sie nei-gen eher zu den Subtypen NM bzw. ALM, welche eine schlechtere Prognose aufweisen. Tendenziell eine bessere Prognose haben Frauen, was an einem anderen Gesundheitsbewusstsein liegen kann, dass sie bei Auffälligkeiten frühzeitiger einen Arzt konsultieren, sodass sie häufiger mit geringerer Tumor-dicke vorstellig werden. Obwohl die Prognose der dünnen MM allgemein sehr gut ist, treten dennoch immer wieder Metastasen auf. Besonders ab einer Tu-mordicke von 0,5 mm mit zusätzlicher Tumorulzeration ist eine sorgfältige Nachbeobachtung nötig, da, laut vorliegenden Ergebnissen, die Ulzeration, neben der Tumordicke, einen entscheidenden Einfluss auf die Rezidivbildung und das Überleben der Patienten hat. Vereinzelt treten auch bei MM ≤ 0,5 mm Metastasen auf, bei denen keine genaue Untergrenze der Metastasierung festzumachen ist. Es bleibt offen, zu erforschen, warum MM mit einer Tumordi-cke von < 0,5 mm bereits in der Lage sind Metastasen zu bilden und welche Faktoren darauf einen Einfluss haben.