Persistierender Tinnitus nach Vestibularisschwannom-Operationen: Klinische und bildgebende Hinweise auf Neuroplastizität

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Zitierfähiger Link (URI): http://hdl.handle.net/10900/107912
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-1079121
http://dx.doi.org/10.15496/publikation-49290
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2020-10-14
Sprache: Deutsch
Fakultät: 4 Medizinische Fakultät
Fachbereich: Medizin
Gutachter: Tatagiba, Marcos (Prof. Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2020-08-14
DDC-Klassifikation: 610 - Medizin, Gesundheit
Schlagworte: Maßanalyse , Ohrgeräusch , Hören ,Hirntumor , Neurochirurgie
Freie Schlagwörter: Vestibularisschwannoma
Tinnitus
Hörminderung
Volumetrie
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Tinnitus ist ein bisher häufig unterschätztes Symptom der Vestibularisschwannome, welche die Lebensqualität der Patienten vor und nach einer operativen Behandlung signifikant einschränkt. Das Wissen über die genaue Pathophysiologie und die Entwicklung des Tinnitus nach der operativen Tumorentfernung hätte daher direkten Einfluss auf die Therapieentscheidung. Die Pathophysiologie des Tinnitus ist allerdings bisher nicht gänzlich geklärt. Nach einer initial peripheren Entstehung des Tinnitus durch die tumorbedingte Reizung des N. cochlearis („periphere Phase“) soll es zu einer Chronifizierung der Beschwerden im Sinne einer zentralen Neuroplastizität kommen („zentrale Phase“), so dass sich der Sinneseindruck des Tinnitus vom peripheren Eingangssignal emanzipiert. Die Hypothese der vorliegenden Doktorarbeit war, dass für eine postoperative Sistierung des Tinnitus die Tumorresektion vor dem Einsetzen neuroplastischer Vorgänge erfolgen muss. In dieser „peripheren Phase“ des VS-assoziierten Tinnitus sollte eine Resektion ohne weitere Schädigung des Hörnervens (d.h. funktionserhaltend) oder die funktionelle Deafferenzierung zu einer Sistierung des Tinnitus führen. Nach dem Einsetzen der Neuroplastizität („zentrale Phase“) wird die Tumorentfernung keinen Einfluss auf den postoperativen Tinnitus haben. Zur Falsifizierung der Hypothese verfolgte Herr Trakolis zwei Ansätze: 1) Die retrospektive Analyse der klinischen Prädiktoren des postoperativen Tinnitus bei 208 Patienten nach retrosigmoidaler Resektion eines Vestibularisschwannoms. 2) Die prospektive Analyse präoperativer MRT-Daten von 46 Patienten mit einseitigem Vestibularisschwannom zur Detektion neuroplastischer Veränderungen. In der retrospektiven Analyse der klinischen Prädiktoren des postoperativen Tinnitus zeigte sich ein erhöhtes Risiko für einen postoperativen Tinnitus bei Verschlechterung eines präoperativ funktionellen Hörvermögens. Eine funktionelle Deafferenzierung bei präoperativ nicht-funktionellem Hörvermögen reduzierte hingegen das Risiko für einen Tinnitus nach VS-Operation. Während die Existenz eines präoperativen Tinnitus der stärkste Prädiktor für einen postoperativen Tinnitus war, hatten Patienten ohne präoperativen Tinnitus und mit bereits präoperativer funktioneller Deafferenzierung (d.h. einseitiger Taubheit) das geringste Risiko für einen postoperativen Tinnitus. Diese Ergebnisse zeigen einen Zusammenhang zwischen dem Funktionszustand des Hörnervens und dem Auftreten eines Tinnitus bei Patienten mit Vestibularisschwannomen, was für eine periphere Ursache spricht. Gleichzeitig präsentierte ein Großteil der Patienten einen postoperativen Tinnitus unabhängig des Funktionszustandes des Hörnervens, was wiederum auf eine zentrale Ursache hindeutet. Diese Befunde entsprechen der initialen Hypothese, können aber neuroplastische Vorgänge nicht direkt bestätigen. In der prospektiven Analyse konnte Herr Trakolis bei Patienten mit Tinnituspersistenz im Gegensatz zu Patienten ohne Tinnituspersistenz nach VS-Resektion volumetrische Veränderungen, als Hinweise auf Neuroplastizität, nachweisen. Diese Veränderungen betrafen die graue Substanz im Bereich des Frontal- und Temporallappens sowie in subkortikalen Regionen, insbesondere dem Ncl. caudatus. Besonders bemerkenswert ist hierbei, dass erstmalig Veränderungen im Ncl. caudatus nachgewiesen werden konnten, welche das striatale „gating“ Modell des Tinnitus unterstützen. Die vorliegende Dissertationsschrift liefert daher weitere Einblicke in die Pathophysiologie des VS-assoziierten Tinnitus und Daten zur besseren Patientenberatung bzgl. der Sistierung der Beschwerden oder der Entwicklung des postoperativen Tinnitus. Herr Trakolis konnte durch seine zielstrebige und wissenschaftliche Arbeitsweise beide Ziele der Promotionsarbeit erreichen. Er zeigte eine selbstständige und strukturierte Erhebung retrospektiver Daten. Gleichzeitig konnte er sich in die komplexe Methodik der volumetrischen Analyse von bildgebenden Daten einarbeiten. Die vorliegende Arbeit umfasst einerseits eine Beobachtungsstudie mit klarer Fragestellung zur Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Dieser Teil der Arbeit hat Herr Trakolis bereits in einer anerkannten wissenschaftlichen Zeitschrift als Erstautor publiziert. Gleichzeitig umfasst diese Promotionsschrift eine prospektive Datenanalyse basierend auf einer herausfordernden Untersuchungsmethode, welche zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen geführt hat. Auch dieser Teil der Arbeit wurde als Erstautor zur Publikation eingereicht, ist aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht publiziert. Herr Trakolis hat diese Arbeit sowohl im Bereich der Datenerhebung als auch der statistischen Auswertung selbstständig durchgeführt. Die angewandten Methoden zur Gewinnung und kritischen Überprüfung der Daten sowie deren Interpretation waren geeignet, die redaktionellen Aspekte der Dissertation sind einwandfrei. Er zeigte bei der Literaturrecherche und dem Verfassen der Promotionsschrift die Fähigkeit zur wissenschaftlichen Arbeit und zum kritischen Denken.

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