Inhaltszusammenfassung:
Sprache ist die komplexeste Form der Kommunikation, ein Höhepunkt der Evolution, der den Menschen einzigartig macht. Um diese hohe Form der Kommunikation zu nutzen, bedarf es eines präzise entwickelten Hörsystems, welches in der Lage ist über Aufmerksamkeit akustische Information bewusst wahrzunehmen und über Lern-abhängige Prozesse zu speichern. Dies ist eine Voraussetzung für die Sprachentwicklung. Jüngste Studien zeigen, dass darüber hinaus Hörstörungen das dritthäufigste Risiko im mittleren Alter für mentale Erkrankungen, wie Demenz, darstellen. Wie Hören und Gedächtnisleistungen ebenso Hörstörungen und beeinträchtigte Gedächtnisleistungen zusammenhängen, ist bisher ungeklärt. Es ist bekannt, dass die bewusste Wahrnehmung auditorischer Stimuli Gedächtnisleistung benötigt. Zudem ist bekannt, dass Lern-abhängige Plastizitätsprozesse durch den Wachstumsfaktor BDNF und durch Stresshormone beeinflusst werden. Es wurde die Hypothese aufgestellt, dass BDNF und Stresshormone möglicherweise über schnelle auditorische Prozessierung an zentralen auditorischen Adaptationsprozessen und Gedächtnisleistungen beteiligt sein könnten. Tatsächlich konnte in der vorliegenden Studie gezeigt werden, dass Glukokortikoid-Rezeptor vermittelte Signalkaskaden einen negativen Einfluss auf zentrale auditorische Anpassungsprozesse nach akustischem Trauma haben. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass sich explizit zentrale Stresshormon-Rezeptoren auf auditorische Anpassungsprozesse auswirken. Wurden Mineral- und Glukokortikoid-Rezeptoren in zentralen frontalen Hirnregionen der adulten Maus unter dem CaMKIIα Promotor, durch Tamoxifen-Induktion akut deletiert, veränderte sich die Hörnerv-Antwort ebenso wie die zentrale auditorische Antwort. Dies deutet darauf hin, dass zentrale hippocampale Mineral- und Glukokortikoid-Rezeptoren auf periphere auditorische Hörnerv-Antworten zurückwirken können. Schließlich konnte über die Analyse von Mausmutanten mit auditorisch-peripherer Deletion von Bdnf in distinkten Pax2-positiven Neuronen (BdnfPax2 KO) neue Einblicke in die Funktion von BDNF in Cochlea- und Stammhirnregionen auf kognitive Prozesse gewonnen werden. Es zeigte sich, dass BDNF während der Entwicklung in Pax2 positiven Neuronen offenbar während erster sensorischer Erfahrung mit Hörfunktionsbeginn die Entwicklung schneller auditorischer Prozessierung initiiert und kontrolliert. Obwohl BdnfPax2 KO-Mausmutanten ein fast normales Hörvermögen erreichen, bleibt nicht nur die Reifung schneller auditorischer Prozessierung, sondern ebenso die Reifung hippocampaler Langzeitpotenzierung eingeschränkt. Dies ging mit einer Reduktion der Lernfähigkeit, ebenso wie mit erhöhter Angst und eingeschränktem Sozialverhalten einher.
Mit Hilfe des in der Arbeitsgruppe Knipper generierten BDNF-Live-Exon-Visualization (BLEV)-Reportermaus-Modells, welches aktivitätsabhängig transkribierte Bdnf Exone (IV und VI) am Ort der Translation sichtbar macht, wurde schließlich geprüft, ob und in welchen Hirnregionen Bdnf Transkripte durch verschiedene Schallexpositionen aktiviert werden. Es zeigte sich das nach Schall-Stimulation und leichtem auditorischen Trauma, erhöhte Bdnf Transkript-Spiegel in der Hörbahn und im Hippocampus nachweisbar sind, die mit erhöhtem zentralen auditorischen Antwortverhalten und erhöhter hippocampaler Langzeitpotenzierung einhergehen. Umgekehrt konnte nach starkem auditorischen Trauma, weder aktivitätsabhängige Bdnf Transkripte noch hippocampale Langzeitpotenzierung rekrutiert werden. Dieser Verlust der Rekrutierung von aktivitätsabhängigen BDNF und hippocampaler Langzeitpotenzierung ging mit einem Verlust zentraler auditorischer Anpassung einher.
Zusammenfassend zeigte sich, dass schnelle auditorische Prozessierung aktivitätsabhängiges BDNF in der aufsteigenden Hörbahn und im Hippocampus rekrutiert, um Stresshormon-Rezeptor kontrollierte Gedächtnis-abhängige zentrale auditorische Anpassungsprozesse zu steuern.
Abstract:
Language is the most complex form of communication, a peak in evolution making humans unique. In order to use this high form of communication, a precisely developed auditory system is required, which is able to consciously perceive acoustic information through attention and to memorize it through learning dependent processes. This is a prerequisite for language development. Recent studies showed that hearing impairment is the third most common risk factor in middle age for mental diseases such as dementia. It is still unclear how hearing and memory performance, as well as hearing disorders and an increased risk of deficits in memory performance up to dementia are related. It is known that the conscious perception of auditory stimuli requires memory performance. Learning dependent plasticity processes are influenced by the brain-derived neurotrophic factor (BDNF) and stress hormone signaling. It was hypothesized that BDNF and stress hormones might be involved in central auditory adaptation processes and memory performance via fast auditory processing. Indeed, in the present study it could be shown that glucocorticoid receptor-mediated signaling cascades have a negative effect on central auditory adaptation processes after acoustic trauma. Furthermore, it was shown that altered stress hormone receptor expression also directly influence central auditory adaptation. When the mineralocorticoid and glucocorticoid receptors in central frontal brain regions of adult mice were acutely deleted under the CaMKIIα promoter by tamoxifen induction, both the auditory nerve response and the central auditory response were affected. This indicates that central hippocampal mineralocorticoid and glucocorticoid receptors may modulate peripheral auditory nerve responses. The analysis of mouse mutants with auditory-peripheral deletion of Bdnf in distinct Pax2-positive neurons (BdnfPax2 KO) provided new insights into the function of BDNF in cochlear and brainstem regions on cognitive processes. It was shown that BDNF in Pax2 positive neurons apparently initiates and controls the development of fast auditory processing during first sensory experience with hearing onset. Although BdnfPax2 KO mice achieve almost normal hearing performance, not only the maturation of fast auditory processing but also the maturation of hippocampal long-term potentiation remains limited. This is accompanied by a reduction in learning ability as well as increased anxiety and social behavior. Finally, the BDNF-Live-Exon-Visualization (BLEV) reporter mouse model, which was newly generated in the Knipper research group and visualizes activity-dependent transcribed Bdnf exons (IV and VI) at the site of translation, was used to prove whether and in which brain regions Bdnf transcripts are activated by different sound exposures. After enriching and mild traumatic sound exposure, elevated Bdnf transcript levels in the auditory pathway and hippocampus were found to be associated with increased central auditory response and increased hippocampal long-term potentiation. In contrast, after severe acoustic trauma, neither activity-dependent Bdnf transcripts nor hippocampal long-term potentiation could be recruited. This loss of recruitment of activity-dependent BDNF and hippocampal long-term potentiation was accompanied by a loss of central auditory adaptation.
In conclusion, fast auditory processing drives activity-dependent BDNF in the ascending auditory pathway and hippocampus to control stress hormone receptor-controlled memory-dependent central auditory adaptation processes.